Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.besten Willen habe, aber daß es ihm, gelinde gesagt, an einer schar¬ Nun war König Amaveus glücklich. -- Den Vormittag ver¬ besten Willen habe, aber daß es ihm, gelinde gesagt, an einer schar¬ Nun war König Amaveus glücklich. — Den Vormittag ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269477"/> <p xml:id="ID_136" prev="#ID_135"> besten Willen habe, aber daß es ihm, gelinde gesagt, an einer schar¬<lb/> fen Dialektik fehle und daß seine Minister mit ihm machen konnten,<lb/> was sie wollten. — Die Königin von Saba, die schon seit Salo-<lb/> monis Zeiten regiert, kennt die Minister und die Könige und weiß,<lb/> daß sich beide in allen Zeiten gleich bleiben. — Sie gab ihm also<lb/> die Lampe und vertraute ihm den wunderbaren Zauber, den er be¬<lb/> nutzen sollte. — Die Lampe nämlich leuchtete zu jeder That, die das<lb/> Volk beglückt, hell wie die Sonne und je besser und an guten Fol¬<lb/> gen reicher die That war, desto Heller leuchtete sie; sie verfinsterte sich<lb/> aber, sobald ein böser, dem Volksheile schädlicher Beschluß ausgeführt<lb/> werden sollte, und je schlimmer dieser Beschluß war, desto finsterer<lb/> brannte sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_137"> Nun war König Amaveus glücklich. — Den Vormittag ver¬<lb/> schlief er, den Nachmittag brachte er bei Tische zu und machte köst-<lb/> liche Witze, welche die eigens dazu bestellten zwölf Höflinge belachen<lb/> mußten, und so kam er erst spät am Abend zur Arbeit, wo ihm die<lb/> wundersame Lampe als treue Rathgeberin dienen konnte. — Arbeit<lb/> aber heißt bei einem König: zehn oder zwanzig vorgelegte Decrete zu<lb/> unterschreiben oder nicht zu unterschreiben. — Da gab er wohl<lb/> Acht und unterschrieb frisch, fromm, fröhlich und frei so lange fort,<lb/> als die Lampe leuchtete; sobald sie aber nur ein wenig sich zu ver¬<lb/> dunkeln begann, warf er muthig die Feder hin und alle Beredsam¬<lb/> keit seines Ministers, des Herrn von Heimlicher, vermochte ihn nicht,<lb/> sie wieder zu ergreifen. — Herr von Heimlicher war in großer Be¬<lb/> stürzung. Sonst brachte er den König zu Allem, was er nur wollte.<lb/> Kam auch manchmal etwas vor, was dem geraden, guten Sinn des<lb/> Königs krumm erschien, wußte er durch seine glänzende Beredsamkeit<lb/> ihn so lange in die Enge zu treiben und ihm die großartigen Fol¬<lb/> gen mit so blendenden Farben auszumalen, bis der gute König sich<lb/> am Volköheilc zu versündigen glaubte, wenn er sich nicht fügte. —<lb/> Jetzt war das Alles ganz anders geworden; der König trat selb¬<lb/> ständig aus; unterschrieb oder unterließ es nach Gutdünken und alle<lb/> Beredsamkeit des Herrn von Heimlicher war vergebens. Ja, der<lb/> König gefiel sich manchmal, wenn er mit seiner Lampe allein war,<lb/> darin, daß er sich hinsetzte und manches Gesetz selbst nach eigenem<lb/> Gutdünken concipirte, und wem, die Lampe hell dabei leuchtete, schickte<lb/> er es wohlgemuth in alle Welt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
besten Willen habe, aber daß es ihm, gelinde gesagt, an einer schar¬
fen Dialektik fehle und daß seine Minister mit ihm machen konnten,
was sie wollten. — Die Königin von Saba, die schon seit Salo-
monis Zeiten regiert, kennt die Minister und die Könige und weiß,
daß sich beide in allen Zeiten gleich bleiben. — Sie gab ihm also
die Lampe und vertraute ihm den wunderbaren Zauber, den er be¬
nutzen sollte. — Die Lampe nämlich leuchtete zu jeder That, die das
Volk beglückt, hell wie die Sonne und je besser und an guten Fol¬
gen reicher die That war, desto Heller leuchtete sie; sie verfinsterte sich
aber, sobald ein böser, dem Volksheile schädlicher Beschluß ausgeführt
werden sollte, und je schlimmer dieser Beschluß war, desto finsterer
brannte sie.
Nun war König Amaveus glücklich. — Den Vormittag ver¬
schlief er, den Nachmittag brachte er bei Tische zu und machte köst-
liche Witze, welche die eigens dazu bestellten zwölf Höflinge belachen
mußten, und so kam er erst spät am Abend zur Arbeit, wo ihm die
wundersame Lampe als treue Rathgeberin dienen konnte. — Arbeit
aber heißt bei einem König: zehn oder zwanzig vorgelegte Decrete zu
unterschreiben oder nicht zu unterschreiben. — Da gab er wohl
Acht und unterschrieb frisch, fromm, fröhlich und frei so lange fort,
als die Lampe leuchtete; sobald sie aber nur ein wenig sich zu ver¬
dunkeln begann, warf er muthig die Feder hin und alle Beredsam¬
keit seines Ministers, des Herrn von Heimlicher, vermochte ihn nicht,
sie wieder zu ergreifen. — Herr von Heimlicher war in großer Be¬
stürzung. Sonst brachte er den König zu Allem, was er nur wollte.
Kam auch manchmal etwas vor, was dem geraden, guten Sinn des
Königs krumm erschien, wußte er durch seine glänzende Beredsamkeit
ihn so lange in die Enge zu treiben und ihm die großartigen Fol¬
gen mit so blendenden Farben auszumalen, bis der gute König sich
am Volköheilc zu versündigen glaubte, wenn er sich nicht fügte. —
Jetzt war das Alles ganz anders geworden; der König trat selb¬
ständig aus; unterschrieb oder unterließ es nach Gutdünken und alle
Beredsamkeit des Herrn von Heimlicher war vergebens. Ja, der
König gefiel sich manchmal, wenn er mit seiner Lampe allein war,
darin, daß er sich hinsetzte und manches Gesetz selbst nach eigenem
Gutdünken concipirte, und wem, die Lampe hell dabei leuchtete, schickte
er es wohlgemuth in alle Welt.
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