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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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setze von I?V7 haben die drei Stände, welche in den Provinzial
ständegesetzm wiederum von den Todten erweckt werden, aus¬
gelöscht." Durch die Gesetze über die Provinzicilstände ist "das
Uebergewicht einzelner Klassen von Staatsbürgern, ihr vorherr¬
schender Einfluß auf die öffentliche Verwaltung," den Friedrich
Wilhelm III. beklagte, "da dieser gleichmäßig vertheilt sein sollte',
erwettert und vergrößert und wiederhergestellt; der vorwiegende Ein"
fluß des großen privilegirten Grundbesitzes,^) der Gutsherrn, die
nicht nur ihre Privilegien zum Nachtheil des Gemeinwohls zu erhal¬
ten bemüht sind, sondern auch mehr Privilegien und Vorrechte von
der Allgemeinheit für sich zu erhalten streben. Das beweisen die Ver¬
handlungen über die Provinzialrechte, über Jagd- und Forstordnungen,
die Gesetze über Jagdparzellirung, über die Benutzung der Privat¬
flüsse, über die Landgemeindeordmmg Westphalens, die AblösungSgc-
setze in den vormals westfälischen Landestheilen, die Wiederherstel¬
lung der gutsobrigkeitlichen Polizeigewalt, wo sie schon aufgehoben,
das Ausscheiden der Rittergüter aus dem Communalverbcmdc, und
die damit verbundene Befreiung der Rittergüter von den Communal^
lasten. Selbst das Gesetz über die Ermäßigung des Salzpreises, diese
von den Rittern, Bürgern und Bauern berathene Wohlthat für die
Armen, bringt den Rittern am meisten Vortheil. Hauptzweck sollte
aber ursprünglich Erleichterung der ärmern Volksklassen sein. --
Die Provinzialstände vertreten nur das Grundeigenthum. Nur die
Grundbesitzer werden durch sie am öffentlichen Leben, bei der Bera¬
thung der Gesetze, betheiligt. Das Wesen der Menschen verlangt
aber, daß kein einziger Bürger ganz von der Schöpfung und Weiter¬
bildung des Rechts ausgeschlossen sei.

Durch die ständischen Ausschüsse sollte eine Weiterbildung der
Provinzialstände zur Einheit erstrebt werden. Aber die Ausschüsse
sollen nur "Gelegenheit geben, auch zu der Zeit, wo die Provinzial--
stände nicht versammelt sind, ständische Organe mit ihren Gutachten
zu hören." Es sind also nur provinzialständtsche Kommissionen, welche
die Thätigkeit der Provinzialstände fortsetzen. Die Provinzialstände
sollen die Interessen und Bedürfnisse, die in dem particulären Boden



*) Die Gesammtzahl der Mitglieder aller Landtage aus dem Stande der
Herrn und Ritter beträgt 277, der Städte 182, der Landgemeinden 124.

setze von I?V7 haben die drei Stände, welche in den Provinzial
ständegesetzm wiederum von den Todten erweckt werden, aus¬
gelöscht." Durch die Gesetze über die Provinzicilstände ist „das
Uebergewicht einzelner Klassen von Staatsbürgern, ihr vorherr¬
schender Einfluß auf die öffentliche Verwaltung," den Friedrich
Wilhelm III. beklagte, „da dieser gleichmäßig vertheilt sein sollte',
erwettert und vergrößert und wiederhergestellt; der vorwiegende Ein«
fluß des großen privilegirten Grundbesitzes,^) der Gutsherrn, die
nicht nur ihre Privilegien zum Nachtheil des Gemeinwohls zu erhal¬
ten bemüht sind, sondern auch mehr Privilegien und Vorrechte von
der Allgemeinheit für sich zu erhalten streben. Das beweisen die Ver¬
handlungen über die Provinzialrechte, über Jagd- und Forstordnungen,
die Gesetze über Jagdparzellirung, über die Benutzung der Privat¬
flüsse, über die Landgemeindeordmmg Westphalens, die AblösungSgc-
setze in den vormals westfälischen Landestheilen, die Wiederherstel¬
lung der gutsobrigkeitlichen Polizeigewalt, wo sie schon aufgehoben,
das Ausscheiden der Rittergüter aus dem Communalverbcmdc, und
die damit verbundene Befreiung der Rittergüter von den Communal^
lasten. Selbst das Gesetz über die Ermäßigung des Salzpreises, diese
von den Rittern, Bürgern und Bauern berathene Wohlthat für die
Armen, bringt den Rittern am meisten Vortheil. Hauptzweck sollte
aber ursprünglich Erleichterung der ärmern Volksklassen sein. —
Die Provinzialstände vertreten nur das Grundeigenthum. Nur die
Grundbesitzer werden durch sie am öffentlichen Leben, bei der Bera¬
thung der Gesetze, betheiligt. Das Wesen der Menschen verlangt
aber, daß kein einziger Bürger ganz von der Schöpfung und Weiter¬
bildung des Rechts ausgeschlossen sei.

Durch die ständischen Ausschüsse sollte eine Weiterbildung der
Provinzialstände zur Einheit erstrebt werden. Aber die Ausschüsse
sollen nur „Gelegenheit geben, auch zu der Zeit, wo die Provinzial--
stände nicht versammelt sind, ständische Organe mit ihren Gutachten
zu hören." Es sind also nur provinzialständtsche Kommissionen, welche
die Thätigkeit der Provinzialstände fortsetzen. Die Provinzialstände
sollen die Interessen und Bedürfnisse, die in dem particulären Boden



*) Die Gesammtzahl der Mitglieder aller Landtage aus dem Stande der
Herrn und Ritter beträgt 277, der Städte 182, der Landgemeinden 124.
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[0572] setze von I?V7 haben die drei Stände, welche in den Provinzial ständegesetzm wiederum von den Todten erweckt werden, aus¬ gelöscht." Durch die Gesetze über die Provinzicilstände ist „das Uebergewicht einzelner Klassen von Staatsbürgern, ihr vorherr¬ schender Einfluß auf die öffentliche Verwaltung," den Friedrich Wilhelm III. beklagte, „da dieser gleichmäßig vertheilt sein sollte', erwettert und vergrößert und wiederhergestellt; der vorwiegende Ein« fluß des großen privilegirten Grundbesitzes,^) der Gutsherrn, die nicht nur ihre Privilegien zum Nachtheil des Gemeinwohls zu erhal¬ ten bemüht sind, sondern auch mehr Privilegien und Vorrechte von der Allgemeinheit für sich zu erhalten streben. Das beweisen die Ver¬ handlungen über die Provinzialrechte, über Jagd- und Forstordnungen, die Gesetze über Jagdparzellirung, über die Benutzung der Privat¬ flüsse, über die Landgemeindeordmmg Westphalens, die AblösungSgc- setze in den vormals westfälischen Landestheilen, die Wiederherstel¬ lung der gutsobrigkeitlichen Polizeigewalt, wo sie schon aufgehoben, das Ausscheiden der Rittergüter aus dem Communalverbcmdc, und die damit verbundene Befreiung der Rittergüter von den Communal^ lasten. Selbst das Gesetz über die Ermäßigung des Salzpreises, diese von den Rittern, Bürgern und Bauern berathene Wohlthat für die Armen, bringt den Rittern am meisten Vortheil. Hauptzweck sollte aber ursprünglich Erleichterung der ärmern Volksklassen sein. — Die Provinzialstände vertreten nur das Grundeigenthum. Nur die Grundbesitzer werden durch sie am öffentlichen Leben, bei der Bera¬ thung der Gesetze, betheiligt. Das Wesen der Menschen verlangt aber, daß kein einziger Bürger ganz von der Schöpfung und Weiter¬ bildung des Rechts ausgeschlossen sei. Durch die ständischen Ausschüsse sollte eine Weiterbildung der Provinzialstände zur Einheit erstrebt werden. Aber die Ausschüsse sollen nur „Gelegenheit geben, auch zu der Zeit, wo die Provinzial-- stände nicht versammelt sind, ständische Organe mit ihren Gutachten zu hören." Es sind also nur provinzialständtsche Kommissionen, welche die Thätigkeit der Provinzialstände fortsetzen. Die Provinzialstände sollen die Interessen und Bedürfnisse, die in dem particulären Boden *) Die Gesammtzahl der Mitglieder aller Landtage aus dem Stande der Herrn und Ritter beträgt 277, der Städte 182, der Landgemeinden 124.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/572>, abgerufen am 22.07.2024.