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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Stelle zu hängen, das wollten aber die Anderen nicht zugeben, Rehscr
besonders schien jetzt Mitleiden mit dem Armen zu fühlen, verband
seine Wunde und sprach ihm Muth ein. Als sie ihn aufgehoben
hatten und forttragen wollten, bat er die Männer, einen Augenblick
einzuhalten und ihn seinen Hund noch einmal sehn zu lassen. --
Es waren die ersten Worte, die er sprach; selbst bei dem Vorschlag,
ihn an derselben Stelle aufzuhängen, hatte er keine Silbe erwiedert,
sondern nur starr vor sich niedergesehn; so etwas Ernstes und fast
Unheimliches lag aber in dieser Bitte, daß Alle schweigend und au¬
genblicklich gehorchten und ihn auf den Stamm, auf welchem er eben
gesessen hatte, zurückgleiten ließen.

Starr und sprachlos betrachtete er jetzt einige Minuten lang das
schöne Thier, das ausgestreckt und mit Blut bedeckt zu seinen Füßen
lag, dann bog er sich hinunter ---- ganz hinunter zu ihm, bis sein
Mund die Schulter desselben berührte, drückte einen langen Kuß auf
den erkaltenden Leichnam und flüsterte leise: Du warst mein letzter
Freund! Zwei Thränen glänzten in seinen großen schwarzen Augen,
er schien sich aber plötzlich der Schwäche zu schämen, richtete sich an
dem Stamm in die Höhe, sah Alle im Kreise an und sagte:

-- Messieurs, ich bin bereit!

Abwechselnd trugen ihn jetzt die Männer, erst durch die Lagune
und später, von Scipio und Gottlieb unterstützt, über das trockene
Land, dem Mississippi zu und lieferten ihn endlich ohnmächtig, denn
die übergroße Aufregung und Anstrengung, wie die schmerzende Wunde
hatten ihn betäubt, den Händen des Gefangenwärtcrs und Nice-
Sheriffs, eines Deutschen, Namens Fritz Hayde, mit dem Bedeuten
aus, diesen besser zu bewahren, als die früheren Gefangenen, die er
fast regelmäßig hatte entwischen lassen, Flucht war jedoch von Banizet
nicht zu befürchten, seine Wunde würde ihn allein schon daran ver¬
hindert haben, darum schloß ihn sein Kerkermeister auch nicht weiter
an, sondern verwahrte nur sorgfältig die schwere eichene Thüre, die
zu seiner vergitterten Zelle führte.

Erst zwei Monate später fiel der Gerichtstag und der Gefangene
mußte indessen geduldig seinem Schicksal entgegensehn; Weniges aber
sprach, als endlich der entscheidende Tag heranrückte, im Verhör zu
seinen Gunsten.

Eifersucht war es, die ihn, seiner Aussage nach, zu dem für^


Stelle zu hängen, das wollten aber die Anderen nicht zugeben, Rehscr
besonders schien jetzt Mitleiden mit dem Armen zu fühlen, verband
seine Wunde und sprach ihm Muth ein. Als sie ihn aufgehoben
hatten und forttragen wollten, bat er die Männer, einen Augenblick
einzuhalten und ihn seinen Hund noch einmal sehn zu lassen. —
Es waren die ersten Worte, die er sprach; selbst bei dem Vorschlag,
ihn an derselben Stelle aufzuhängen, hatte er keine Silbe erwiedert,
sondern nur starr vor sich niedergesehn; so etwas Ernstes und fast
Unheimliches lag aber in dieser Bitte, daß Alle schweigend und au¬
genblicklich gehorchten und ihn auf den Stamm, auf welchem er eben
gesessen hatte, zurückgleiten ließen.

Starr und sprachlos betrachtete er jetzt einige Minuten lang das
schöne Thier, das ausgestreckt und mit Blut bedeckt zu seinen Füßen
lag, dann bog er sich hinunter -—- ganz hinunter zu ihm, bis sein
Mund die Schulter desselben berührte, drückte einen langen Kuß auf
den erkaltenden Leichnam und flüsterte leise: Du warst mein letzter
Freund! Zwei Thränen glänzten in seinen großen schwarzen Augen,
er schien sich aber plötzlich der Schwäche zu schämen, richtete sich an
dem Stamm in die Höhe, sah Alle im Kreise an und sagte:

— Messieurs, ich bin bereit!

Abwechselnd trugen ihn jetzt die Männer, erst durch die Lagune
und später, von Scipio und Gottlieb unterstützt, über das trockene
Land, dem Mississippi zu und lieferten ihn endlich ohnmächtig, denn
die übergroße Aufregung und Anstrengung, wie die schmerzende Wunde
hatten ihn betäubt, den Händen des Gefangenwärtcrs und Nice-
Sheriffs, eines Deutschen, Namens Fritz Hayde, mit dem Bedeuten
aus, diesen besser zu bewahren, als die früheren Gefangenen, die er
fast regelmäßig hatte entwischen lassen, Flucht war jedoch von Banizet
nicht zu befürchten, seine Wunde würde ihn allein schon daran ver¬
hindert haben, darum schloß ihn sein Kerkermeister auch nicht weiter
an, sondern verwahrte nur sorgfältig die schwere eichene Thüre, die
zu seiner vergitterten Zelle führte.

Erst zwei Monate später fiel der Gerichtstag und der Gefangene
mußte indessen geduldig seinem Schicksal entgegensehn; Weniges aber
sprach, als endlich der entscheidende Tag heranrückte, im Verhör zu
seinen Gunsten.

Eifersucht war es, die ihn, seiner Aussage nach, zu dem für^


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[0556] Stelle zu hängen, das wollten aber die Anderen nicht zugeben, Rehscr besonders schien jetzt Mitleiden mit dem Armen zu fühlen, verband seine Wunde und sprach ihm Muth ein. Als sie ihn aufgehoben hatten und forttragen wollten, bat er die Männer, einen Augenblick einzuhalten und ihn seinen Hund noch einmal sehn zu lassen. — Es waren die ersten Worte, die er sprach; selbst bei dem Vorschlag, ihn an derselben Stelle aufzuhängen, hatte er keine Silbe erwiedert, sondern nur starr vor sich niedergesehn; so etwas Ernstes und fast Unheimliches lag aber in dieser Bitte, daß Alle schweigend und au¬ genblicklich gehorchten und ihn auf den Stamm, auf welchem er eben gesessen hatte, zurückgleiten ließen. Starr und sprachlos betrachtete er jetzt einige Minuten lang das schöne Thier, das ausgestreckt und mit Blut bedeckt zu seinen Füßen lag, dann bog er sich hinunter -—- ganz hinunter zu ihm, bis sein Mund die Schulter desselben berührte, drückte einen langen Kuß auf den erkaltenden Leichnam und flüsterte leise: Du warst mein letzter Freund! Zwei Thränen glänzten in seinen großen schwarzen Augen, er schien sich aber plötzlich der Schwäche zu schämen, richtete sich an dem Stamm in die Höhe, sah Alle im Kreise an und sagte: — Messieurs, ich bin bereit! Abwechselnd trugen ihn jetzt die Männer, erst durch die Lagune und später, von Scipio und Gottlieb unterstützt, über das trockene Land, dem Mississippi zu und lieferten ihn endlich ohnmächtig, denn die übergroße Aufregung und Anstrengung, wie die schmerzende Wunde hatten ihn betäubt, den Händen des Gefangenwärtcrs und Nice- Sheriffs, eines Deutschen, Namens Fritz Hayde, mit dem Bedeuten aus, diesen besser zu bewahren, als die früheren Gefangenen, die er fast regelmäßig hatte entwischen lassen, Flucht war jedoch von Banizet nicht zu befürchten, seine Wunde würde ihn allein schon daran ver¬ hindert haben, darum schloß ihn sein Kerkermeister auch nicht weiter an, sondern verwahrte nur sorgfältig die schwere eichene Thüre, die zu seiner vergitterten Zelle führte. Erst zwei Monate später fiel der Gerichtstag und der Gefangene mußte indessen geduldig seinem Schicksal entgegensehn; Weniges aber sprach, als endlich der entscheidende Tag heranrückte, im Verhör zu seinen Gunsten. Eifersucht war es, die ihn, seiner Aussage nach, zu dem für^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/556>, abgerufen am 23.07.2024.