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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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klagendes wildes Geheul aus, daß selbst die Creolen sich schaudernd
ansahen und Keiner ein Wort zu sprechen wagte. Nicht lange aber
dauerte bei dem treuen Thier dieser Ausbruch deö Schmerzes; in
rastloser Eile folgte eS jetzt, so schnell es ihm die Leine verstattete,
der Fährte des Entflohenen, durch das lange Baumwollenfeld bis zu
der Stelle, wo es vom Sumpf begrenzt wurde, auch hier noch wa¬
tete der Hund, hie und da die im Wasser sich verlierende Spur, an
heruntergebrochenen Aesten und im Sumpfe umhergestreuten Stäm¬
men wieder erkennend, weiter vorwärts, bis er endlich zu tieferen
Stellen (einer der unzähligen natürlichen Lagunen, aus denen der
größte Theil jenes Landstrichs besteht und die sich oft zu kleinen
See'n ausdehnen) kam und diese nicht durchschwimmen wollte. Ver¬
gebens suchte er mit regem Eifer am Ufer hin und her, oft einhal¬
tend und durch kurzes Geheul und Gebell seinen Herrn scheinbar zur
Antwort auffordernd, immer kehrte er aber wieder zu der Stelle zu¬
rück, wo dieser das tiefere Wasser bcireten und sich einen Durchweg
gebahnt hatte. Vergebens blieben alle Versuche, den Hund zum
Durchschwimmen dieser Wasserfläche zu bewegen; er witterte seinen
grimmen Feind, den Alligator, und der Instinkt sagte ihm, daß er
rettungslos verloren sei, sobald er sich diesem Preis gebe.

-- Diable! fluchte einer der Creolen, (es war der Bruder der
gemordeten Frau), sollen wir hier durch diesen schmalen Wasserstreifen
aufgehalten werden und uns die sichere Beute entgehen lassen? Höll
und Teufel, nein, den Schurken muß ich hängen sehen und wenn ich
ein ganzes Jahr lang zwischen allen Alligatoren Louisianas umher¬
wandern müßte, ich trage den Hund hindurch, wer folgt mir?

Alle Creolen, selbst Nehfer. zeigten sich bereitwillig, Gottlieb aber
und Scipio zogen vor, am Ufer zu bleiben und der Letztere meinte
sehr ruhig:

-- Alligator -- gescheidtes Vieh -- mag nicht weißen Mann
-- Nigger und junge Ferkel sein Leibessen!"

Gottlieb war dabei sehr zufrieden, in dem Schwarzen einige
Gesellschaft zu finden, denn es würde ihm, wie er diesem offen ge¬
stand, höchst unbehaglich zu Muthe gewesen sein, zwischen all den
langen schwarzen, umherschwimmenden "Beestern" allein zu bleiben, je¬
ner Creole aber nahm den Hund, der ihn kannte, aus die Arme und
durchwatete, von den Anderen gefolgt, die etwa gürteltiefe Fluth.


klagendes wildes Geheul aus, daß selbst die Creolen sich schaudernd
ansahen und Keiner ein Wort zu sprechen wagte. Nicht lange aber
dauerte bei dem treuen Thier dieser Ausbruch deö Schmerzes; in
rastloser Eile folgte eS jetzt, so schnell es ihm die Leine verstattete,
der Fährte des Entflohenen, durch das lange Baumwollenfeld bis zu
der Stelle, wo es vom Sumpf begrenzt wurde, auch hier noch wa¬
tete der Hund, hie und da die im Wasser sich verlierende Spur, an
heruntergebrochenen Aesten und im Sumpfe umhergestreuten Stäm¬
men wieder erkennend, weiter vorwärts, bis er endlich zu tieferen
Stellen (einer der unzähligen natürlichen Lagunen, aus denen der
größte Theil jenes Landstrichs besteht und die sich oft zu kleinen
See'n ausdehnen) kam und diese nicht durchschwimmen wollte. Ver¬
gebens suchte er mit regem Eifer am Ufer hin und her, oft einhal¬
tend und durch kurzes Geheul und Gebell seinen Herrn scheinbar zur
Antwort auffordernd, immer kehrte er aber wieder zu der Stelle zu¬
rück, wo dieser das tiefere Wasser bcireten und sich einen Durchweg
gebahnt hatte. Vergebens blieben alle Versuche, den Hund zum
Durchschwimmen dieser Wasserfläche zu bewegen; er witterte seinen
grimmen Feind, den Alligator, und der Instinkt sagte ihm, daß er
rettungslos verloren sei, sobald er sich diesem Preis gebe.

— Diable! fluchte einer der Creolen, (es war der Bruder der
gemordeten Frau), sollen wir hier durch diesen schmalen Wasserstreifen
aufgehalten werden und uns die sichere Beute entgehen lassen? Höll
und Teufel, nein, den Schurken muß ich hängen sehen und wenn ich
ein ganzes Jahr lang zwischen allen Alligatoren Louisianas umher¬
wandern müßte, ich trage den Hund hindurch, wer folgt mir?

Alle Creolen, selbst Nehfer. zeigten sich bereitwillig, Gottlieb aber
und Scipio zogen vor, am Ufer zu bleiben und der Letztere meinte
sehr ruhig:

— Alligator — gescheidtes Vieh — mag nicht weißen Mann
— Nigger und junge Ferkel sein Leibessen!"

Gottlieb war dabei sehr zufrieden, in dem Schwarzen einige
Gesellschaft zu finden, denn es würde ihm, wie er diesem offen ge¬
stand, höchst unbehaglich zu Muthe gewesen sein, zwischen all den
langen schwarzen, umherschwimmenden „Beestern" allein zu bleiben, je¬
ner Creole aber nahm den Hund, der ihn kannte, aus die Arme und
durchwatete, von den Anderen gefolgt, die etwa gürteltiefe Fluth.


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[0554] klagendes wildes Geheul aus, daß selbst die Creolen sich schaudernd ansahen und Keiner ein Wort zu sprechen wagte. Nicht lange aber dauerte bei dem treuen Thier dieser Ausbruch deö Schmerzes; in rastloser Eile folgte eS jetzt, so schnell es ihm die Leine verstattete, der Fährte des Entflohenen, durch das lange Baumwollenfeld bis zu der Stelle, wo es vom Sumpf begrenzt wurde, auch hier noch wa¬ tete der Hund, hie und da die im Wasser sich verlierende Spur, an heruntergebrochenen Aesten und im Sumpfe umhergestreuten Stäm¬ men wieder erkennend, weiter vorwärts, bis er endlich zu tieferen Stellen (einer der unzähligen natürlichen Lagunen, aus denen der größte Theil jenes Landstrichs besteht und die sich oft zu kleinen See'n ausdehnen) kam und diese nicht durchschwimmen wollte. Ver¬ gebens suchte er mit regem Eifer am Ufer hin und her, oft einhal¬ tend und durch kurzes Geheul und Gebell seinen Herrn scheinbar zur Antwort auffordernd, immer kehrte er aber wieder zu der Stelle zu¬ rück, wo dieser das tiefere Wasser bcireten und sich einen Durchweg gebahnt hatte. Vergebens blieben alle Versuche, den Hund zum Durchschwimmen dieser Wasserfläche zu bewegen; er witterte seinen grimmen Feind, den Alligator, und der Instinkt sagte ihm, daß er rettungslos verloren sei, sobald er sich diesem Preis gebe. — Diable! fluchte einer der Creolen, (es war der Bruder der gemordeten Frau), sollen wir hier durch diesen schmalen Wasserstreifen aufgehalten werden und uns die sichere Beute entgehen lassen? Höll und Teufel, nein, den Schurken muß ich hängen sehen und wenn ich ein ganzes Jahr lang zwischen allen Alligatoren Louisianas umher¬ wandern müßte, ich trage den Hund hindurch, wer folgt mir? Alle Creolen, selbst Nehfer. zeigten sich bereitwillig, Gottlieb aber und Scipio zogen vor, am Ufer zu bleiben und der Letztere meinte sehr ruhig: — Alligator — gescheidtes Vieh — mag nicht weißen Mann — Nigger und junge Ferkel sein Leibessen!" Gottlieb war dabei sehr zufrieden, in dem Schwarzen einige Gesellschaft zu finden, denn es würde ihm, wie er diesem offen ge¬ stand, höchst unbehaglich zu Muthe gewesen sein, zwischen all den langen schwarzen, umherschwimmenden „Beestern" allein zu bleiben, je¬ ner Creole aber nahm den Hund, der ihn kannte, aus die Arme und durchwatete, von den Anderen gefolgt, die etwa gürteltiefe Fluth.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/554>, abgerufen am 23.07.2024.