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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Antlitz von Blutflecken entstellt, die langen rabenschwarzen Locken mit
dem rothen Lebensstrom getränkt und die Stirn weit klaffend gespal¬
ten, lag sein Weib, während sich die Kinder, von Todesfurcht und
Angst getrieben, in einen Winkel geflüchtet hatten und den kleinen
Raum mit ihrem Zetergeschrei erfüllten. -

. Banizet hörte das Eintreten des'Freundes nicht, sah ihn
selbst nicht; starr nur hafteten seine Augen an der leblosen Gestalt
des gemordeten Weibes und'ein "geisterhaftes Lächeln stahl sich über
seine Züge; da rief Buizot seinen Namen und wie von einer Kugel
getroffen, sprang er empor, die Art entfiel seiner Hand, seine Blicke
richteten sich auf die offene Thür und die Gestalt des Mannes und
in dem Moment schien auch das ganze Schreckliche seiner That wie
seiner Lage auf einmal vor ihm aufzusteigen.

Mvrdi Mord! schrie er, daß selbst die Kinder, einen Augen¬
blick von den nicht mehr irdisch klingenden Tönen erschreckt, stille
schwiegen, und floh mit einem Satz in die benachbarte Kammer und
von da in's Freie. Buizvt versuchte ihn, zu folgen, vielleicht mehr
in der Absicht, ihn zu trösten als zu fangen, aber es war nutzlos;
in den Baumwollenseldern vermochte er ihn nur eine kurze Strecke
im Auge zu behalten, bis er die Ferne erreichte, welche Morgan's
Zuckerplantage umschließt und wo er in dem dichten Nohre augen¬
blicklich verschwand.^ Buizot ging jetzt zu dem Hause zurück und
nahm die Kinder von dem Schreckensorte mit sich fort zu seiner eige¬
nen Wohnung, erweckte aber unterwegs an mehreren Orten die Nach¬
barn, erzählte das Vorgefallene und forderte sie auf, Hilfe zu leisten.
Hilfe? Die arme Frau bedürfte keiner Hilfe mehr, aber Rache woll¬
ten die Männer und der größte Theil von ihnen durchstreift jetzt in
allen Richtungen die Felder und den Sumpf, -' während Einer zum
Richter herunter sprengte und unterwegs alle die Pflanzer, welche
Kähne am Ufer hatten, aufforderte, dieselben zu bewachen. Zu glei¬
chem Zweck ist ein Bote bis hinauf nach Fischer'S Laden gesandt und,
ich will hinunter bis Waterloo/also, habt Acht aus Eure Kähne hier
denn es ist sogar< wahrschvinlich, daß der Bursche bis hierher durch
die Felder geflüchtet ist und hier unten entweder Eueres oder ein's
von Taylor's Booten zu benutzen gedenkt. ^

-- Nun, tragt keine Sorge, versicherte Rehfer; mein Hausknecht
soll mit der Doppelflinte am Ufer Wache halten, sich aber wohl in


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Antlitz von Blutflecken entstellt, die langen rabenschwarzen Locken mit
dem rothen Lebensstrom getränkt und die Stirn weit klaffend gespal¬
ten, lag sein Weib, während sich die Kinder, von Todesfurcht und
Angst getrieben, in einen Winkel geflüchtet hatten und den kleinen
Raum mit ihrem Zetergeschrei erfüllten. -

. Banizet hörte das Eintreten des'Freundes nicht, sah ihn
selbst nicht; starr nur hafteten seine Augen an der leblosen Gestalt
des gemordeten Weibes und'ein "geisterhaftes Lächeln stahl sich über
seine Züge; da rief Buizot seinen Namen und wie von einer Kugel
getroffen, sprang er empor, die Art entfiel seiner Hand, seine Blicke
richteten sich auf die offene Thür und die Gestalt des Mannes und
in dem Moment schien auch das ganze Schreckliche seiner That wie
seiner Lage auf einmal vor ihm aufzusteigen.

Mvrdi Mord! schrie er, daß selbst die Kinder, einen Augen¬
blick von den nicht mehr irdisch klingenden Tönen erschreckt, stille
schwiegen, und floh mit einem Satz in die benachbarte Kammer und
von da in's Freie. Buizvt versuchte ihn, zu folgen, vielleicht mehr
in der Absicht, ihn zu trösten als zu fangen, aber es war nutzlos;
in den Baumwollenseldern vermochte er ihn nur eine kurze Strecke
im Auge zu behalten, bis er die Ferne erreichte, welche Morgan's
Zuckerplantage umschließt und wo er in dem dichten Nohre augen¬
blicklich verschwand.^ Buizot ging jetzt zu dem Hause zurück und
nahm die Kinder von dem Schreckensorte mit sich fort zu seiner eige¬
nen Wohnung, erweckte aber unterwegs an mehreren Orten die Nach¬
barn, erzählte das Vorgefallene und forderte sie auf, Hilfe zu leisten.
Hilfe? Die arme Frau bedürfte keiner Hilfe mehr, aber Rache woll¬
ten die Männer und der größte Theil von ihnen durchstreift jetzt in
allen Richtungen die Felder und den Sumpf, -' während Einer zum
Richter herunter sprengte und unterwegs alle die Pflanzer, welche
Kähne am Ufer hatten, aufforderte, dieselben zu bewachen. Zu glei¬
chem Zweck ist ein Bote bis hinauf nach Fischer'S Laden gesandt und,
ich will hinunter bis Waterloo/also, habt Acht aus Eure Kähne hier
denn es ist sogar< wahrschvinlich, daß der Bursche bis hierher durch
die Felder geflüchtet ist und hier unten entweder Eueres oder ein's
von Taylor's Booten zu benutzen gedenkt. ^

— Nun, tragt keine Sorge, versicherte Rehfer; mein Hausknecht
soll mit der Doppelflinte am Ufer Wache halten, sich aber wohl in


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[0549] Antlitz von Blutflecken entstellt, die langen rabenschwarzen Locken mit dem rothen Lebensstrom getränkt und die Stirn weit klaffend gespal¬ ten, lag sein Weib, während sich die Kinder, von Todesfurcht und Angst getrieben, in einen Winkel geflüchtet hatten und den kleinen Raum mit ihrem Zetergeschrei erfüllten. - . Banizet hörte das Eintreten des'Freundes nicht, sah ihn selbst nicht; starr nur hafteten seine Augen an der leblosen Gestalt des gemordeten Weibes und'ein "geisterhaftes Lächeln stahl sich über seine Züge; da rief Buizot seinen Namen und wie von einer Kugel getroffen, sprang er empor, die Art entfiel seiner Hand, seine Blicke richteten sich auf die offene Thür und die Gestalt des Mannes und in dem Moment schien auch das ganze Schreckliche seiner That wie seiner Lage auf einmal vor ihm aufzusteigen. Mvrdi Mord! schrie er, daß selbst die Kinder, einen Augen¬ blick von den nicht mehr irdisch klingenden Tönen erschreckt, stille schwiegen, und floh mit einem Satz in die benachbarte Kammer und von da in's Freie. Buizvt versuchte ihn, zu folgen, vielleicht mehr in der Absicht, ihn zu trösten als zu fangen, aber es war nutzlos; in den Baumwollenseldern vermochte er ihn nur eine kurze Strecke im Auge zu behalten, bis er die Ferne erreichte, welche Morgan's Zuckerplantage umschließt und wo er in dem dichten Nohre augen¬ blicklich verschwand.^ Buizot ging jetzt zu dem Hause zurück und nahm die Kinder von dem Schreckensorte mit sich fort zu seiner eige¬ nen Wohnung, erweckte aber unterwegs an mehreren Orten die Nach¬ barn, erzählte das Vorgefallene und forderte sie auf, Hilfe zu leisten. Hilfe? Die arme Frau bedürfte keiner Hilfe mehr, aber Rache woll¬ ten die Männer und der größte Theil von ihnen durchstreift jetzt in allen Richtungen die Felder und den Sumpf, -' während Einer zum Richter herunter sprengte und unterwegs alle die Pflanzer, welche Kähne am Ufer hatten, aufforderte, dieselben zu bewachen. Zu glei¬ chem Zweck ist ein Bote bis hinauf nach Fischer'S Laden gesandt und, ich will hinunter bis Waterloo/also, habt Acht aus Eure Kähne hier denn es ist sogar< wahrschvinlich, daß der Bursche bis hierher durch die Felder geflüchtet ist und hier unten entweder Eueres oder ein's von Taylor's Booten zu benutzen gedenkt. ^ — Nun, tragt keine Sorge, versicherte Rehfer; mein Hausknecht soll mit der Doppelflinte am Ufer Wache halten, sich aber wohl in 02»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/549>, abgerufen am 22.07.2024.