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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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rad, wie abgestochen, läuft der breite Durchbruch vom See "ach dein
Meerbusen; nur die rechts und links an den Düuenhöhen überhän¬
genden Bäume und die hereingestürzten Stämme verrathen es, daß
hier keine kleinlich ordnende Menschenhand waltete.

Seit jener Zeit ist der Seegrund eine große baumleere Fläche.
Aber ohne von Menschenhänden ausgestreute Samen wuchs schon
ein üppiges Wiesengras draus empor und mehr denn eintausend Acker
fruchtbaren Landes sind für die Zukunft gewonnen.

Alis dieser Sevenne geht der Weg gen Dondangen wieder in
und durch den Wald mehrere Stunden weit. Aber dieser ist hier,
dem Mcnschenverkehre näher, weit minder ursprünglich als der durch¬
wanderte. Endlich erscheint in weiter Entfernung, umgeben von Alleen
und Parkanlagen, eine Kirche und neben dieser ein Schloß. In Kur¬
land eine seltne Erscheinung. Denn von allen fünfhundertundfünf,
zehn Edelhöfen sind nur fünf fchloßartig aus der Vergangenheit in
die Gegenwart gekommen; Unholden, Alsschwangen, Neuenburg und
Nurmhusen mehr oder minder verändert im südlichen und mittlern
Theile des Landes; nur Dondangen noch in alter Pracht hier auf
der Nordspitze. --

Auf einer Anhöhe liegt es, rings eingeschlossen von weiherartigcn
Wassern, den ehemaligen Ninggräben. Und nur über Brücken, ehe¬
mals Zugbrücken, gelangt man zum tiefgewölbten Thore des Schlos¬
ses. Laut schallten die Hufe der Pferde, als wir hindurchritten und
hineinkämen in den innern Hof, von wo eine freie Treppe, und nur
diese, hinaufführt nach der ringsum vor den Zimmereingäugen hin"
laufenden überdeckten Gallerie. Noch aus alter Zeit hängen von de¬
ren Dache farbige, in Holz geschnitzte Blumenguirlanden zur Balustrade
herab. Und wie bei uns in vergangnen Zeiten trat oben der Schlo߬
herr mit den Seinen uns bewillkommnend aus der Thür. Aber in
Kurland gehört solche freudige Gastlichkeit nicht der Vergangenheit
an. Mit mancher guten und mancher schlechten Gewohnheit ritter¬
licher Jahrhunderte ist auch sie auf die Gegenwart gekommen. Da¬
rin ist der kurische Adel ein echter Nachkomme der alten Schwertritter¬
schaft.

Das Schloß ist im Innern allerdings zum größten Theile mo-
dernisirt. Aber die ganze Einrichtung des Baues deutet auf langver¬
flossene Jahrhunderte hin. Und manche Ausschmückung der Gemächer,


rad, wie abgestochen, läuft der breite Durchbruch vom See »ach dein
Meerbusen; nur die rechts und links an den Düuenhöhen überhän¬
genden Bäume und die hereingestürzten Stämme verrathen es, daß
hier keine kleinlich ordnende Menschenhand waltete.

Seit jener Zeit ist der Seegrund eine große baumleere Fläche.
Aber ohne von Menschenhänden ausgestreute Samen wuchs schon
ein üppiges Wiesengras draus empor und mehr denn eintausend Acker
fruchtbaren Landes sind für die Zukunft gewonnen.

Alis dieser Sevenne geht der Weg gen Dondangen wieder in
und durch den Wald mehrere Stunden weit. Aber dieser ist hier,
dem Mcnschenverkehre näher, weit minder ursprünglich als der durch¬
wanderte. Endlich erscheint in weiter Entfernung, umgeben von Alleen
und Parkanlagen, eine Kirche und neben dieser ein Schloß. In Kur¬
land eine seltne Erscheinung. Denn von allen fünfhundertundfünf,
zehn Edelhöfen sind nur fünf fchloßartig aus der Vergangenheit in
die Gegenwart gekommen; Unholden, Alsschwangen, Neuenburg und
Nurmhusen mehr oder minder verändert im südlichen und mittlern
Theile des Landes; nur Dondangen noch in alter Pracht hier auf
der Nordspitze. —

Auf einer Anhöhe liegt es, rings eingeschlossen von weiherartigcn
Wassern, den ehemaligen Ninggräben. Und nur über Brücken, ehe¬
mals Zugbrücken, gelangt man zum tiefgewölbten Thore des Schlos¬
ses. Laut schallten die Hufe der Pferde, als wir hindurchritten und
hineinkämen in den innern Hof, von wo eine freie Treppe, und nur
diese, hinaufführt nach der ringsum vor den Zimmereingäugen hin«
laufenden überdeckten Gallerie. Noch aus alter Zeit hängen von de¬
ren Dache farbige, in Holz geschnitzte Blumenguirlanden zur Balustrade
herab. Und wie bei uns in vergangnen Zeiten trat oben der Schlo߬
herr mit den Seinen uns bewillkommnend aus der Thür. Aber in
Kurland gehört solche freudige Gastlichkeit nicht der Vergangenheit
an. Mit mancher guten und mancher schlechten Gewohnheit ritter¬
licher Jahrhunderte ist auch sie auf die Gegenwart gekommen. Da¬
rin ist der kurische Adel ein echter Nachkomme der alten Schwertritter¬
schaft.

Das Schloß ist im Innern allerdings zum größten Theile mo-
dernisirt. Aber die ganze Einrichtung des Baues deutet auf langver¬
flossene Jahrhunderte hin. Und manche Ausschmückung der Gemächer,


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[0518] rad, wie abgestochen, läuft der breite Durchbruch vom See »ach dein Meerbusen; nur die rechts und links an den Düuenhöhen überhän¬ genden Bäume und die hereingestürzten Stämme verrathen es, daß hier keine kleinlich ordnende Menschenhand waltete. Seit jener Zeit ist der Seegrund eine große baumleere Fläche. Aber ohne von Menschenhänden ausgestreute Samen wuchs schon ein üppiges Wiesengras draus empor und mehr denn eintausend Acker fruchtbaren Landes sind für die Zukunft gewonnen. Alis dieser Sevenne geht der Weg gen Dondangen wieder in und durch den Wald mehrere Stunden weit. Aber dieser ist hier, dem Mcnschenverkehre näher, weit minder ursprünglich als der durch¬ wanderte. Endlich erscheint in weiter Entfernung, umgeben von Alleen und Parkanlagen, eine Kirche und neben dieser ein Schloß. In Kur¬ land eine seltne Erscheinung. Denn von allen fünfhundertundfünf, zehn Edelhöfen sind nur fünf fchloßartig aus der Vergangenheit in die Gegenwart gekommen; Unholden, Alsschwangen, Neuenburg und Nurmhusen mehr oder minder verändert im südlichen und mittlern Theile des Landes; nur Dondangen noch in alter Pracht hier auf der Nordspitze. — Auf einer Anhöhe liegt es, rings eingeschlossen von weiherartigcn Wassern, den ehemaligen Ninggräben. Und nur über Brücken, ehe¬ mals Zugbrücken, gelangt man zum tiefgewölbten Thore des Schlos¬ ses. Laut schallten die Hufe der Pferde, als wir hindurchritten und hineinkämen in den innern Hof, von wo eine freie Treppe, und nur diese, hinaufführt nach der ringsum vor den Zimmereingäugen hin« laufenden überdeckten Gallerie. Noch aus alter Zeit hängen von de¬ ren Dache farbige, in Holz geschnitzte Blumenguirlanden zur Balustrade herab. Und wie bei uns in vergangnen Zeiten trat oben der Schlo߬ herr mit den Seinen uns bewillkommnend aus der Thür. Aber in Kurland gehört solche freudige Gastlichkeit nicht der Vergangenheit an. Mit mancher guten und mancher schlechten Gewohnheit ritter¬ licher Jahrhunderte ist auch sie auf die Gegenwart gekommen. Da¬ rin ist der kurische Adel ein echter Nachkomme der alten Schwertritter¬ schaft. Das Schloß ist im Innern allerdings zum größten Theile mo- dernisirt. Aber die ganze Einrichtung des Baues deutet auf langver¬ flossene Jahrhunderte hin. Und manche Ausschmückung der Gemächer,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/518>, abgerufen am 23.07.2024.