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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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sagen die Entscheid""gögründe an einem andern Orte. Es ist durch¬
aus nicht nachgewiesen, daß Ussing damals im Keller war, aber
es ist zu Protokoll gegeben und eidlich erhärtet, daß Ussing vor
jeder Aufregung, vor Lärmen gewarnt. Ussing verhielt sich ganz
theilnahmslos, ganz ruhig -- wie die Entscheidungsgründe selbst an¬
führen, -- "ohne daß er erweislich positiv etwas zur Vermeh¬
rung der Aufregung that, indem er sich anscheinend mehr passiv ver¬
hielt und sich schon zurückgezogen hatte, als die Gewaltthätigkeiten
zum Ausbruch kamen." Obgleich nun Ussing damals erweislich po¬
sitiv Nichts zur Vermehrung der Aufregung that, so fahren die Ent¬
scheidungsgründe doch fort: "Nimmt man nun alle diese Momente
zusammen und verbindet damit noch sein früheres Benehmen, so
wie seine, die höchste Unzufriedenheit mit den jetzigen Zuständen be¬
kundenden, mit Beschlag belegten, frühern Aufsätze und Vorle¬
sungen, welche, fast sämmtlich in dem aufregendsten Tone geschrieben,
sich höchstens auf der Grenze des Erlaubten halten, so wie
den Inhalt seines in gleichem Geiste verfaßten Protestes, von dem
er, als gebildeter Mann, nothwendig voraussetzen mußte, daß derselbe,
in solchem Momente dem offenbar schon aufgeregten großen Haufen
mitgetheilt, diesen noch mehr aufregen müsse:c., so kann man nicht
umhin, ihn der Absicht, gewaltsame Scenen herbeizuführen,
für überführt zu halten." Liest man diese Entscheidungsgründe, so
kann man nicht umhin, sie der Absicht anzuklagen und überführt zu
halten, an Ussing, wegen seines "frühern Benehmens" und sei¬
ner "frühern Aufsätze," nachträglich ein Exempel zu statuiren, froh
der Gelegenheit, sich wegen früherer Dinge an ihm reiben zu können.
In dem Urtheile der zweiten Instanz wird gesagt, "daß sowohl sein
Protest als die erneuerte Erinnerung an seine Flugschrift geeignet
waren, der vorhandenen Gluth neue Nahrung zu geben." Sein Pro¬
test enthalte eine Injurie, für welche allein schon der Inculpat eine
Gefängnißstrafe von vier bis sechs Wochen verwirkt habe. Das erste
Erkenntniß hatte die in Rede stehende Stelle nicht für eine "eigent¬
liche Injurie" erklärt und dabei bemerkt: "Im Uebrigen ist der
Inhalt dieses Protestes im Wesentlichen nicht schlimmer, als der der
andern Protestirenden, deren Handlungen völlig ungeahndet geblieben
sind."


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sagen die Entscheid«»gögründe an einem andern Orte. Es ist durch¬
aus nicht nachgewiesen, daß Ussing damals im Keller war, aber
es ist zu Protokoll gegeben und eidlich erhärtet, daß Ussing vor
jeder Aufregung, vor Lärmen gewarnt. Ussing verhielt sich ganz
theilnahmslos, ganz ruhig — wie die Entscheidungsgründe selbst an¬
führen, — „ohne daß er erweislich positiv etwas zur Vermeh¬
rung der Aufregung that, indem er sich anscheinend mehr passiv ver¬
hielt und sich schon zurückgezogen hatte, als die Gewaltthätigkeiten
zum Ausbruch kamen." Obgleich nun Ussing damals erweislich po¬
sitiv Nichts zur Vermehrung der Aufregung that, so fahren die Ent¬
scheidungsgründe doch fort: „Nimmt man nun alle diese Momente
zusammen und verbindet damit noch sein früheres Benehmen, so
wie seine, die höchste Unzufriedenheit mit den jetzigen Zuständen be¬
kundenden, mit Beschlag belegten, frühern Aufsätze und Vorle¬
sungen, welche, fast sämmtlich in dem aufregendsten Tone geschrieben,
sich höchstens auf der Grenze des Erlaubten halten, so wie
den Inhalt seines in gleichem Geiste verfaßten Protestes, von dem
er, als gebildeter Mann, nothwendig voraussetzen mußte, daß derselbe,
in solchem Momente dem offenbar schon aufgeregten großen Haufen
mitgetheilt, diesen noch mehr aufregen müsse:c., so kann man nicht
umhin, ihn der Absicht, gewaltsame Scenen herbeizuführen,
für überführt zu halten." Liest man diese Entscheidungsgründe, so
kann man nicht umhin, sie der Absicht anzuklagen und überführt zu
halten, an Ussing, wegen seines „frühern Benehmens" und sei¬
ner „frühern Aufsätze," nachträglich ein Exempel zu statuiren, froh
der Gelegenheit, sich wegen früherer Dinge an ihm reiben zu können.
In dem Urtheile der zweiten Instanz wird gesagt, „daß sowohl sein
Protest als die erneuerte Erinnerung an seine Flugschrift geeignet
waren, der vorhandenen Gluth neue Nahrung zu geben." Sein Pro¬
test enthalte eine Injurie, für welche allein schon der Inculpat eine
Gefängnißstrafe von vier bis sechs Wochen verwirkt habe. Das erste
Erkenntniß hatte die in Rede stehende Stelle nicht für eine „eigent¬
liche Injurie" erklärt und dabei bemerkt: „Im Uebrigen ist der
Inhalt dieses Protestes im Wesentlichen nicht schlimmer, als der der
andern Protestirenden, deren Handlungen völlig ungeahndet geblieben
sind."


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[0507] sagen die Entscheid«»gögründe an einem andern Orte. Es ist durch¬ aus nicht nachgewiesen, daß Ussing damals im Keller war, aber es ist zu Protokoll gegeben und eidlich erhärtet, daß Ussing vor jeder Aufregung, vor Lärmen gewarnt. Ussing verhielt sich ganz theilnahmslos, ganz ruhig — wie die Entscheidungsgründe selbst an¬ führen, — „ohne daß er erweislich positiv etwas zur Vermeh¬ rung der Aufregung that, indem er sich anscheinend mehr passiv ver¬ hielt und sich schon zurückgezogen hatte, als die Gewaltthätigkeiten zum Ausbruch kamen." Obgleich nun Ussing damals erweislich po¬ sitiv Nichts zur Vermehrung der Aufregung that, so fahren die Ent¬ scheidungsgründe doch fort: „Nimmt man nun alle diese Momente zusammen und verbindet damit noch sein früheres Benehmen, so wie seine, die höchste Unzufriedenheit mit den jetzigen Zuständen be¬ kundenden, mit Beschlag belegten, frühern Aufsätze und Vorle¬ sungen, welche, fast sämmtlich in dem aufregendsten Tone geschrieben, sich höchstens auf der Grenze des Erlaubten halten, so wie den Inhalt seines in gleichem Geiste verfaßten Protestes, von dem er, als gebildeter Mann, nothwendig voraussetzen mußte, daß derselbe, in solchem Momente dem offenbar schon aufgeregten großen Haufen mitgetheilt, diesen noch mehr aufregen müsse:c., so kann man nicht umhin, ihn der Absicht, gewaltsame Scenen herbeizuführen, für überführt zu halten." Liest man diese Entscheidungsgründe, so kann man nicht umhin, sie der Absicht anzuklagen und überführt zu halten, an Ussing, wegen seines „frühern Benehmens" und sei¬ ner „frühern Aufsätze," nachträglich ein Exempel zu statuiren, froh der Gelegenheit, sich wegen früherer Dinge an ihm reiben zu können. In dem Urtheile der zweiten Instanz wird gesagt, „daß sowohl sein Protest als die erneuerte Erinnerung an seine Flugschrift geeignet waren, der vorhandenen Gluth neue Nahrung zu geben." Sein Pro¬ test enthalte eine Injurie, für welche allein schon der Inculpat eine Gefängnißstrafe von vier bis sechs Wochen verwirkt habe. Das erste Erkenntniß hatte die in Rede stehende Stelle nicht für eine „eigent¬ liche Injurie" erklärt und dabei bemerkt: „Im Uebrigen ist der Inhalt dieses Protestes im Wesentlichen nicht schlimmer, als der der andern Protestirenden, deren Handlungen völlig ungeahndet geblieben sind." Grcnzbvt-n, I»i!>> I. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/507>, abgerufen am 23.07.2024.