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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Consens etwas verfügt. Durch die Losung wird allem Unterschleif
und aller Bestechlichkeit wenigstens zum Theil gesteuert und es ist
jedenfalls räthselhaft, warum dieses in zwei Provinzen des Kaiserstaa¬
tes bewährte Verfahren nicht auch in den übrigen festgestellt wird, da
doch die Bedürfnisse des Heeres dabei eben so gut gewahrt werden als
bei dem jetzigen System. Daß man in Betreff der Militärfreiheit des
Adels keine Aenderung beliebt, kann nicht befremden, da in der letzten
Zeit sogar den in die Miliz eingetretenen Bürgern von Wien vom
Kaiser für Friedenszeit Militarfreiheit gewährt worden und mithin dem
privilegirten Stande nicht wohl ein angeerbtes Recht entzogen werden
konnte, das dem unprivilegirten erst jüngst geschenkt ward. Wenn man
diese dem Bürgerstande Wiens gemachte Concession nicht als eine be¬
sondere Huld gegen die Bewohner Wiens auffaßt, sondern von einem
höhern Standpunkte, so muß man sie als einen neuen Zuwachs von
Ausnahmsrechten beklagen, indem die Freiheiten gerade der Gegensatz
der Freiheit sind, die, consequent durchgeführt, immer einen gewissen
Charakter von Gleichheit annehmen muß. Freilich wären mit der Ein¬
führung allgemeiner Wehrpflicht auch andere Reformen verknüpft, na¬
mentlich in Betreff der Disziplin und der Beförderung und diese
Rücksichten mögen es sein, denen zu Liebe man auf die Durchführung
anerkannter Prinzipien verzichtet*).

Die für die Gewerbsausstellung im Frühjahr bestimmte Industrie-
Halle schreitet unter Sprenger's energischer Führung ihrer Vollendung
entgegen und man ist trotz der strengen Jahreszeit schon so weit, daß
das Auge am Aeußern des improvisirten Gebäudes Nichts mehr ver¬
mißt und auch die Kupferdachung ist bereits fertig, so daß in diesen
Tagen sechs Wachposten aufgestellt werden mußten, um den Bau ge¬
gen die Rachegelüste böswilliger Proletarier zu schützen, die sich hie
und da feindselig gegen den prunkenden Mammonstempel ausgespro¬
chen, worin, wie sie sagen, die Resultate ihres Schweißes den Müßig¬
gängern als Augenweide dienen sollen, während für sie selbst dock) Nichts
herausschaun wird. Wie man hört, hat sich die hiesige Brandversichc-
rungsanstalt mit dem Antrage an die oberste Finanzbchörde gewendet,
es möge die Regierung das Gebäude sowohl, als die darin aufgezeich¬
neten Gegenstände des Gewerbsfleißes statutenmäßig versichern lassen,
damit den Ausstellern, zumal denen, die kostbare Dinge bringen, die
Beruhigung werde, daß ihr dem Staate anvertrautes Eigenthum ge¬
sichert sei, was der Erposition von Einfluß sein müsse. Da die Haf¬
tungspflicht des Staatsschatzes, wie sie in dem offiziellen Programm
der Regierung ausgesprochen worden, sich nach den privatrechtlichen



*) Uebrigens heißt es, der Magistrat habe beschlossen, zum Dank für das
neue Rekrutirungssystcm am nächsten Namenstage Gr. Majestät die Stadt zu
illuminiren und' die Bürger wollen dem Monarchen einen großen Fackelzug
bringen.

Consens etwas verfügt. Durch die Losung wird allem Unterschleif
und aller Bestechlichkeit wenigstens zum Theil gesteuert und es ist
jedenfalls räthselhaft, warum dieses in zwei Provinzen des Kaiserstaa¬
tes bewährte Verfahren nicht auch in den übrigen festgestellt wird, da
doch die Bedürfnisse des Heeres dabei eben so gut gewahrt werden als
bei dem jetzigen System. Daß man in Betreff der Militärfreiheit des
Adels keine Aenderung beliebt, kann nicht befremden, da in der letzten
Zeit sogar den in die Miliz eingetretenen Bürgern von Wien vom
Kaiser für Friedenszeit Militarfreiheit gewährt worden und mithin dem
privilegirten Stande nicht wohl ein angeerbtes Recht entzogen werden
konnte, das dem unprivilegirten erst jüngst geschenkt ward. Wenn man
diese dem Bürgerstande Wiens gemachte Concession nicht als eine be¬
sondere Huld gegen die Bewohner Wiens auffaßt, sondern von einem
höhern Standpunkte, so muß man sie als einen neuen Zuwachs von
Ausnahmsrechten beklagen, indem die Freiheiten gerade der Gegensatz
der Freiheit sind, die, consequent durchgeführt, immer einen gewissen
Charakter von Gleichheit annehmen muß. Freilich wären mit der Ein¬
führung allgemeiner Wehrpflicht auch andere Reformen verknüpft, na¬
mentlich in Betreff der Disziplin und der Beförderung und diese
Rücksichten mögen es sein, denen zu Liebe man auf die Durchführung
anerkannter Prinzipien verzichtet*).

Die für die Gewerbsausstellung im Frühjahr bestimmte Industrie-
Halle schreitet unter Sprenger's energischer Führung ihrer Vollendung
entgegen und man ist trotz der strengen Jahreszeit schon so weit, daß
das Auge am Aeußern des improvisirten Gebäudes Nichts mehr ver¬
mißt und auch die Kupferdachung ist bereits fertig, so daß in diesen
Tagen sechs Wachposten aufgestellt werden mußten, um den Bau ge¬
gen die Rachegelüste böswilliger Proletarier zu schützen, die sich hie
und da feindselig gegen den prunkenden Mammonstempel ausgespro¬
chen, worin, wie sie sagen, die Resultate ihres Schweißes den Müßig¬
gängern als Augenweide dienen sollen, während für sie selbst dock) Nichts
herausschaun wird. Wie man hört, hat sich die hiesige Brandversichc-
rungsanstalt mit dem Antrage an die oberste Finanzbchörde gewendet,
es möge die Regierung das Gebäude sowohl, als die darin aufgezeich¬
neten Gegenstände des Gewerbsfleißes statutenmäßig versichern lassen,
damit den Ausstellern, zumal denen, die kostbare Dinge bringen, die
Beruhigung werde, daß ihr dem Staate anvertrautes Eigenthum ge¬
sichert sei, was der Erposition von Einfluß sein müsse. Da die Haf¬
tungspflicht des Staatsschatzes, wie sie in dem offiziellen Programm
der Regierung ausgesprochen worden, sich nach den privatrechtlichen



*) Uebrigens heißt es, der Magistrat habe beschlossen, zum Dank für das
neue Rekrutirungssystcm am nächsten Namenstage Gr. Majestät die Stadt zu
illuminiren und' die Bürger wollen dem Monarchen einen großen Fackelzug
bringen.
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[0488] Consens etwas verfügt. Durch die Losung wird allem Unterschleif und aller Bestechlichkeit wenigstens zum Theil gesteuert und es ist jedenfalls räthselhaft, warum dieses in zwei Provinzen des Kaiserstaa¬ tes bewährte Verfahren nicht auch in den übrigen festgestellt wird, da doch die Bedürfnisse des Heeres dabei eben so gut gewahrt werden als bei dem jetzigen System. Daß man in Betreff der Militärfreiheit des Adels keine Aenderung beliebt, kann nicht befremden, da in der letzten Zeit sogar den in die Miliz eingetretenen Bürgern von Wien vom Kaiser für Friedenszeit Militarfreiheit gewährt worden und mithin dem privilegirten Stande nicht wohl ein angeerbtes Recht entzogen werden konnte, das dem unprivilegirten erst jüngst geschenkt ward. Wenn man diese dem Bürgerstande Wiens gemachte Concession nicht als eine be¬ sondere Huld gegen die Bewohner Wiens auffaßt, sondern von einem höhern Standpunkte, so muß man sie als einen neuen Zuwachs von Ausnahmsrechten beklagen, indem die Freiheiten gerade der Gegensatz der Freiheit sind, die, consequent durchgeführt, immer einen gewissen Charakter von Gleichheit annehmen muß. Freilich wären mit der Ein¬ führung allgemeiner Wehrpflicht auch andere Reformen verknüpft, na¬ mentlich in Betreff der Disziplin und der Beförderung und diese Rücksichten mögen es sein, denen zu Liebe man auf die Durchführung anerkannter Prinzipien verzichtet*). Die für die Gewerbsausstellung im Frühjahr bestimmte Industrie- Halle schreitet unter Sprenger's energischer Führung ihrer Vollendung entgegen und man ist trotz der strengen Jahreszeit schon so weit, daß das Auge am Aeußern des improvisirten Gebäudes Nichts mehr ver¬ mißt und auch die Kupferdachung ist bereits fertig, so daß in diesen Tagen sechs Wachposten aufgestellt werden mußten, um den Bau ge¬ gen die Rachegelüste böswilliger Proletarier zu schützen, die sich hie und da feindselig gegen den prunkenden Mammonstempel ausgespro¬ chen, worin, wie sie sagen, die Resultate ihres Schweißes den Müßig¬ gängern als Augenweide dienen sollen, während für sie selbst dock) Nichts herausschaun wird. Wie man hört, hat sich die hiesige Brandversichc- rungsanstalt mit dem Antrage an die oberste Finanzbchörde gewendet, es möge die Regierung das Gebäude sowohl, als die darin aufgezeich¬ neten Gegenstände des Gewerbsfleißes statutenmäßig versichern lassen, damit den Ausstellern, zumal denen, die kostbare Dinge bringen, die Beruhigung werde, daß ihr dem Staate anvertrautes Eigenthum ge¬ sichert sei, was der Erposition von Einfluß sein müsse. Da die Haf¬ tungspflicht des Staatsschatzes, wie sie in dem offiziellen Programm der Regierung ausgesprochen worden, sich nach den privatrechtlichen *) Uebrigens heißt es, der Magistrat habe beschlossen, zum Dank für das neue Rekrutirungssystcm am nächsten Namenstage Gr. Majestät die Stadt zu illuminiren und' die Bürger wollen dem Monarchen einen großen Fackelzug bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/488>, abgerufen am 22.07.2024.