Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.Viertel aller Ladung fällt dem Besitzer des Meerufers anheim, an Viertel aller Ladung fällt dem Besitzer des Meerufers anheim, an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269891"/> <p xml:id="ID_1325" prev="#ID_1324" next="#ID_1326"> Viertel aller Ladung fällt dem Besitzer des Meerufers anheim, an<lb/> dessen Strand man die geborgenen Waaren brachte; und ein Viertel<lb/> dieses Viertels nimmt wieder der Staat für Unterhaltung der Strand¬<lb/> reiter in Anspruch. Diese Bemerkung entschlüpfte in der Einleitung<lb/> dem Erzähler und dann kam er zum Vorfalle selbst. — Es war vor<lb/> etwa zehn Jahren im Octvbermonat, als ein furchtbarer Weststurm<lb/> hier oben wüthete. Und als der Abend kam, ward ein Schiff sig-<lb/> nalisirt und später ließ das Schiff hilferufend Schuß auf Schuß er«<lb/> klingen. Mit der eilig gesammelten Mannschaft fuhr der damals noch<lb/> rüstige Bakeninspector in vier Booten auf das Meer hinaus und<lb/> trotz des Sturmes erreichte man glücklich das Schiff. Aber es war<lb/> unmöglich, bis an dessen Bord zu gelangen, denn rings um dasselbe<lb/> schäumte eine unüberwindliche Brandung. Gleichzeitig ward die Nacht<lb/> so stockfinster, daß vom Schiff aus die Taue nach falschen Richtungen<lb/> geworfelt und von den Helfern nicht aufgefangen wurden. Gleich¬<lb/> zeitig erhob sich der Sturm von Neuem in verheerender Wuth und<lb/> brach die Masten, daß sie mit der Takelage gegen die herandrängen¬<lb/> den Boote geworfen und diese, in ihren Bewegungen gehindert, selber<lb/> von der Gefahr des Unterganges bedroht wurden. Um freien Raum<lb/> zu gewinnen und das Strick- und Mastenwerk sich vom Schiff ent¬<lb/> fernen zu lassen, stachen diese eilig in die offne See, damit sie von<lb/> hier aus die Versuche erneuern könnten, dem Schiffe zu nahen. Aber<lb/> hier faßte sie urplötzlich der Sturm und zerstreute die kleine Lootsen-<lb/> flotille. Umsonst war Rufen, umsonst das Entzünden von Laternen<lb/> und Strohwischen. Alle blieben getrennt. Nun suchte jedes Boot<lb/> einzeln dem Schiff zuzustreben. Aber wohin in dieser undurchdring¬<lb/> lichen Finsterniß? Wo lag das Schiff? Ja wo waren Ost und West,<lb/> Nord und Süd? — Auf Geradewohl steuerte der Inspector, wäh¬<lb/> rend der Sturm immer heftiger wüthete. Da auf einmal kracht das<lb/> Steuerruder und man mußte nun in dieser höchsten Gefahr auch den<lb/> Segelmast kappen. Denn eben durch ihn würde der rasende Wind<lb/> das Boot in die Wellen hinabgedrückt haben. Aber nun irrte das<lb/> gebrechliche Fahrzeug steuerlos, segelloö auf der empörten Wasserfläche<lb/> umher. Endlich tagte der Morgen; doch sah man nirgends ein Land.<lb/> Kaum reichte der Proviant für etwa vier bis fünf Tage; dabei .<lb/> waren die vier Menschen auf dem Boote todtmatt von den Anstren¬<lb/> gungen der verflossenen Nacht. Und noch acht Nächte und noch acht</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
Viertel aller Ladung fällt dem Besitzer des Meerufers anheim, an
dessen Strand man die geborgenen Waaren brachte; und ein Viertel
dieses Viertels nimmt wieder der Staat für Unterhaltung der Strand¬
reiter in Anspruch. Diese Bemerkung entschlüpfte in der Einleitung
dem Erzähler und dann kam er zum Vorfalle selbst. — Es war vor
etwa zehn Jahren im Octvbermonat, als ein furchtbarer Weststurm
hier oben wüthete. Und als der Abend kam, ward ein Schiff sig-
nalisirt und später ließ das Schiff hilferufend Schuß auf Schuß er«
klingen. Mit der eilig gesammelten Mannschaft fuhr der damals noch
rüstige Bakeninspector in vier Booten auf das Meer hinaus und
trotz des Sturmes erreichte man glücklich das Schiff. Aber es war
unmöglich, bis an dessen Bord zu gelangen, denn rings um dasselbe
schäumte eine unüberwindliche Brandung. Gleichzeitig ward die Nacht
so stockfinster, daß vom Schiff aus die Taue nach falschen Richtungen
geworfelt und von den Helfern nicht aufgefangen wurden. Gleich¬
zeitig erhob sich der Sturm von Neuem in verheerender Wuth und
brach die Masten, daß sie mit der Takelage gegen die herandrängen¬
den Boote geworfen und diese, in ihren Bewegungen gehindert, selber
von der Gefahr des Unterganges bedroht wurden. Um freien Raum
zu gewinnen und das Strick- und Mastenwerk sich vom Schiff ent¬
fernen zu lassen, stachen diese eilig in die offne See, damit sie von
hier aus die Versuche erneuern könnten, dem Schiffe zu nahen. Aber
hier faßte sie urplötzlich der Sturm und zerstreute die kleine Lootsen-
flotille. Umsonst war Rufen, umsonst das Entzünden von Laternen
und Strohwischen. Alle blieben getrennt. Nun suchte jedes Boot
einzeln dem Schiff zuzustreben. Aber wohin in dieser undurchdring¬
lichen Finsterniß? Wo lag das Schiff? Ja wo waren Ost und West,
Nord und Süd? — Auf Geradewohl steuerte der Inspector, wäh¬
rend der Sturm immer heftiger wüthete. Da auf einmal kracht das
Steuerruder und man mußte nun in dieser höchsten Gefahr auch den
Segelmast kappen. Denn eben durch ihn würde der rasende Wind
das Boot in die Wellen hinabgedrückt haben. Aber nun irrte das
gebrechliche Fahrzeug steuerlos, segelloö auf der empörten Wasserfläche
umher. Endlich tagte der Morgen; doch sah man nirgends ein Land.
Kaum reichte der Proviant für etwa vier bis fünf Tage; dabei .
waren die vier Menschen auf dem Boote todtmatt von den Anstren¬
gungen der verflossenen Nacht. Und noch acht Nächte und noch acht
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