Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.schen Verhältnissen lebt. -- Aber sonst sehen wir nirgends eine Un¬ Unterdessen war die Sonne gesunken und gleichzeitig im Osten Aber bald verwischte die redselige Unterhaltung des Alten den schen Verhältnissen lebt. — Aber sonst sehen wir nirgends eine Un¬ Unterdessen war die Sonne gesunken und gleichzeitig im Osten Aber bald verwischte die redselige Unterhaltung des Alten den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269889"/> <p xml:id="ID_1319" prev="#ID_1318"> schen Verhältnissen lebt. — Aber sonst sehen wir nirgends eine Un¬<lb/> terbrechung der Wasserfläche; ja anßer der Brandung jener nördlichen<lb/> Sandbank keine Scheidung zwischen Ostsee und Meerbusen. Den¬<lb/> noch scheiden sie sich eben hier haarscharf und ein genauerer Hinblick<lb/> auf ihr Wasser erkennt längs jener Brandung auf beiden Seiten eine<lb/> völlig verschiedene Färbung der Wellen. Die Ostsee ist reingrün,<lb/> nur wenig nach der Olivenfarbe hinüberspielend; der Meerbusen da¬<lb/> gegen zeigt ein bräunlichgrünes Wasser, dem der Elbe nicht un¬<lb/> ähnlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1320"> Unterdessen war die Sonne gesunken und gleichzeitig im Osten<lb/> der Vollmond glutroth sichtbar geworden. — Nicht zwei Minuten —<lb/> und Meer und Land und Himmel und Sonne und Mond waren<lb/> urplötzlich verschwunden. In ungeheuern Wolkenmassen wälzte, jagte,<lb/> flog der Nebel über die Wellen daher, tiefe Dämmerung sank nicht,<lb/> sondern siel herab und so dicht umschleierte sie alle Umgebung, daß<lb/> selbst das Wachthäuschen völlig darein versank und der kleinere Leucht¬<lb/> thurm nur wie ein schwarzer Luststrich undeutlich sichtbar blieb. Aber<lb/> mit dem Nebel flog auch ein heftigerer Windstoß daher. Lauter tos¬<lb/> ten die unsichtbaren Wellen und bald brüllten sie, wie im heftigsten<lb/> Sturme aus dem Dunkel herauf; selbst der Wind brauste jetzt nicht<lb/> mehr, sondern erklang nun hohl und pfeifend. Und in all diesen<lb/> Aufruhr hinein jammerten die Möven ihren melancholischen Ruf, wie<lb/> Todesmahnungen und kamen sie herangeflattert an die Brüstung des<lb/> Leuchtthuri'-es, wie Geister der Abgeschiedenen aus dem Nebel auf¬<lb/> tauchend, in ihm augenblicklich wieder verschwindend. Dieser Moment<lb/> auf dem Leuchtthurme, der nun dastand wie ein Steinfelscn inmitten<lb/> deS Meeres, läßt sich kann schildern. Eine seltsame Angst lagerte<lb/> auf der Seele und dazwischen hohnlachte die sicherheitsgewisse Ueber-<lb/> legung; ein wundersamer Trübsinn bemächtigte sich des Herzens und<lb/> dabei spottete das Wissen: so ist's hier fast nach jedem Sonnenun¬<lb/> tergang. Aber Besserwissen und Ueberlegung konnten doch der Gefühle<lb/> nicht Herr werden und ein unheimlich Bangen blieb herrschend, bis<lb/> wir den langen Sandweg und die gespenstisch bewegten Föhren wie¬<lb/> der durchwandert und in die wohnliche Stube des Bakeninspectors<lb/> getreten waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1321" next="#ID_1322"> Aber bald verwischte die redselige Unterhaltung des Alten den<lb/> letzten Schauer der Seele. — Der Alte sprach vielerlei Interessantes</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
schen Verhältnissen lebt. — Aber sonst sehen wir nirgends eine Un¬
terbrechung der Wasserfläche; ja anßer der Brandung jener nördlichen
Sandbank keine Scheidung zwischen Ostsee und Meerbusen. Den¬
noch scheiden sie sich eben hier haarscharf und ein genauerer Hinblick
auf ihr Wasser erkennt längs jener Brandung auf beiden Seiten eine
völlig verschiedene Färbung der Wellen. Die Ostsee ist reingrün,
nur wenig nach der Olivenfarbe hinüberspielend; der Meerbusen da¬
gegen zeigt ein bräunlichgrünes Wasser, dem der Elbe nicht un¬
ähnlich.
Unterdessen war die Sonne gesunken und gleichzeitig im Osten
der Vollmond glutroth sichtbar geworden. — Nicht zwei Minuten —
und Meer und Land und Himmel und Sonne und Mond waren
urplötzlich verschwunden. In ungeheuern Wolkenmassen wälzte, jagte,
flog der Nebel über die Wellen daher, tiefe Dämmerung sank nicht,
sondern siel herab und so dicht umschleierte sie alle Umgebung, daß
selbst das Wachthäuschen völlig darein versank und der kleinere Leucht¬
thurm nur wie ein schwarzer Luststrich undeutlich sichtbar blieb. Aber
mit dem Nebel flog auch ein heftigerer Windstoß daher. Lauter tos¬
ten die unsichtbaren Wellen und bald brüllten sie, wie im heftigsten
Sturme aus dem Dunkel herauf; selbst der Wind brauste jetzt nicht
mehr, sondern erklang nun hohl und pfeifend. Und in all diesen
Aufruhr hinein jammerten die Möven ihren melancholischen Ruf, wie
Todesmahnungen und kamen sie herangeflattert an die Brüstung des
Leuchtthuri'-es, wie Geister der Abgeschiedenen aus dem Nebel auf¬
tauchend, in ihm augenblicklich wieder verschwindend. Dieser Moment
auf dem Leuchtthurme, der nun dastand wie ein Steinfelscn inmitten
deS Meeres, läßt sich kann schildern. Eine seltsame Angst lagerte
auf der Seele und dazwischen hohnlachte die sicherheitsgewisse Ueber-
legung; ein wundersamer Trübsinn bemächtigte sich des Herzens und
dabei spottete das Wissen: so ist's hier fast nach jedem Sonnenun¬
tergang. Aber Besserwissen und Ueberlegung konnten doch der Gefühle
nicht Herr werden und ein unheimlich Bangen blieb herrschend, bis
wir den langen Sandweg und die gespenstisch bewegten Föhren wie¬
der durchwandert und in die wohnliche Stube des Bakeninspectors
getreten waren.
Aber bald verwischte die redselige Unterhaltung des Alten den
letzten Schauer der Seele. — Der Alte sprach vielerlei Interessantes
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