Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.eine Zeit lang, daß als sicherstes Zugeständnis) in der Emancipations- Die Hamburger Judenschaft hat aus dem Diadem ihres Reich¬ eine Zeit lang, daß als sicherstes Zugeständnis) in der Emancipations- Die Hamburger Judenschaft hat aus dem Diadem ihres Reich¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269833"/> <p xml:id="ID_1197" prev="#ID_1196"> eine Zeit lang, daß als sicherstes Zugeständnis) in der Emancipations-<lb/> sache die Erlaubniß zu Ehen zwischen Bekennern beider Confessionen<lb/> gegeben werden sollte. Diese Bewilligung wäre politisch gescheidt.<lb/> Der christliche Staat würde auch an christlichen Bürgern gewinnen.<lb/> Denn die meisten Sprößlinge dieser Ehen würden der herrschenden<lb/> Religion zufallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1198" next="#ID_1199"> Die Hamburger Judenschaft hat aus dem Diadem ihres Reich¬<lb/> thums und ihrer Ehre zwei' Edelsteine vom besten Wasser verloren<lb/> — Gerson und Salomon Heine. Beide haben den Zeitungen<lb/> viel zu reden gegeben, selbst ausführliche Biographien und Charak¬<lb/> teristiken sind erschienen, über Gerson von »r. Oppenheimer, in dessen<lb/> Zeitschrift für die gesammte Medizin und in der letzten Januarwoche<lb/> des Hamburger Corresp., von Dr. Unna, einem hiesigen jungen<lb/> Arzte. Seil. Heine fand umfassende Würdigung in den bei Be-<lb/> rendsohn hier veröffentlichten Erinnerungsblättern von Jos. Mendels¬<lb/> sohn. Die Schrift ist binnen vier Wochen in dritter Auflage er¬<lb/> schienen, eine Theilnahme, die sich natürlich nur aus dem Gegenstande<lb/> der Broschüre erklären läßt.--Ich habe Heine von seiner ge¬<lb/> müthlichen und schroffen, von der angenehmsten und zurückstoßendsten<lb/> Seite kennen gelernt. Um hier nicht das bereits bis zur Ermüdung<lb/> über ihn Gelesene wieder aufzutischen, nur so viel — er war ein<lb/> Charakter! Elfte Seltenheit in unsrer abgehobelten, tausend¬<lb/> fach polirten und gefirnißten Zeit, deren Figuren fast jeden schärferen<lb/> Stempel Verloren. Fast immer ist der heutige Mensch der Abklatsch,<lb/> die Uebertragung, höchstens die freie Bearbeitung des Andern. Staats¬<lb/> beamte sind wie Münzen von Einem Schlage — nur der oder das<lb/> Gehalt bestimmt die Geltung. — Moralisch stand, ehrlich gesprochen,<lb/> Gerson, der musterhafte, ausgezeichnete, für das Wohl seiner Kran¬<lb/> ken Alles, selbst sein eignes Leben opfernde Arzt, höher als Heine.<lb/> Bei diesem war das großartigste Geben oft Sache des Zufalles.<lb/> „Es war eine Schattenseite seines Wohlthätigkeitssinnes/' heißt es in<lb/> den Erinnerungsblättern, „daß dieser weniger nach einer mit klarem<lb/> Bewußtsein und abgeschlossenen Grundsatz gezogenen Linie der Prin¬<lb/> zipien verfuhr, sondern sehr oft — namentlich, wenn unvorbereitet<lb/> in Anspruch genommen, ganz und gar von der Stimmung des Mo¬<lb/> mentes, von dem Windstrich der Laune abhängig blieb." — Gerson<lb/> war zu jeder Stunde bereit, mit seinem Wissen, seinem Talent, mit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
eine Zeit lang, daß als sicherstes Zugeständnis) in der Emancipations-
sache die Erlaubniß zu Ehen zwischen Bekennern beider Confessionen
gegeben werden sollte. Diese Bewilligung wäre politisch gescheidt.
Der christliche Staat würde auch an christlichen Bürgern gewinnen.
Denn die meisten Sprößlinge dieser Ehen würden der herrschenden
Religion zufallen.
Die Hamburger Judenschaft hat aus dem Diadem ihres Reich¬
thums und ihrer Ehre zwei' Edelsteine vom besten Wasser verloren
— Gerson und Salomon Heine. Beide haben den Zeitungen
viel zu reden gegeben, selbst ausführliche Biographien und Charak¬
teristiken sind erschienen, über Gerson von »r. Oppenheimer, in dessen
Zeitschrift für die gesammte Medizin und in der letzten Januarwoche
des Hamburger Corresp., von Dr. Unna, einem hiesigen jungen
Arzte. Seil. Heine fand umfassende Würdigung in den bei Be-
rendsohn hier veröffentlichten Erinnerungsblättern von Jos. Mendels¬
sohn. Die Schrift ist binnen vier Wochen in dritter Auflage er¬
schienen, eine Theilnahme, die sich natürlich nur aus dem Gegenstande
der Broschüre erklären läßt.--Ich habe Heine von seiner ge¬
müthlichen und schroffen, von der angenehmsten und zurückstoßendsten
Seite kennen gelernt. Um hier nicht das bereits bis zur Ermüdung
über ihn Gelesene wieder aufzutischen, nur so viel — er war ein
Charakter! Elfte Seltenheit in unsrer abgehobelten, tausend¬
fach polirten und gefirnißten Zeit, deren Figuren fast jeden schärferen
Stempel Verloren. Fast immer ist der heutige Mensch der Abklatsch,
die Uebertragung, höchstens die freie Bearbeitung des Andern. Staats¬
beamte sind wie Münzen von Einem Schlage — nur der oder das
Gehalt bestimmt die Geltung. — Moralisch stand, ehrlich gesprochen,
Gerson, der musterhafte, ausgezeichnete, für das Wohl seiner Kran¬
ken Alles, selbst sein eignes Leben opfernde Arzt, höher als Heine.
Bei diesem war das großartigste Geben oft Sache des Zufalles.
„Es war eine Schattenseite seines Wohlthätigkeitssinnes/' heißt es in
den Erinnerungsblättern, „daß dieser weniger nach einer mit klarem
Bewußtsein und abgeschlossenen Grundsatz gezogenen Linie der Prin¬
zipien verfuhr, sondern sehr oft — namentlich, wenn unvorbereitet
in Anspruch genommen, ganz und gar von der Stimmung des Mo¬
mentes, von dem Windstrich der Laune abhängig blieb." — Gerson
war zu jeder Stunde bereit, mit seinem Wissen, seinem Talent, mit
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