Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.II. Aus Wien. Der Herzog von Koburg-Koharu und die Legitimisten. -- Ein Fiasko. -- Das Drama des Hochverräthers. -- Pyrker und der Ultramagvarismus. -- Der Herzog von Koburg, der sich in Folge eines gastrischen Fie¬ II. Aus Wien. Der Herzog von Koburg-Koharu und die Legitimisten. — Ein Fiasko. — Das Drama des Hochverräthers. — Pyrker und der Ultramagvarismus. — Der Herzog von Koburg, der sich in Folge eines gastrischen Fie¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269809"/> </div> <div n="2"> <head> II.<lb/> Aus Wien.</head><lb/> <note type="argument"> Der Herzog von Koburg-Koharu und die Legitimisten. — Ein Fiasko. —<lb/> Das Drama des Hochverräthers. — Pyrker und der Ultramagvarismus. —</note><lb/> <p xml:id="ID_1141" next="#ID_1142"> Der Herzog von Koburg, der sich in Folge eines gastrischen Fie¬<lb/> bers schon dergestalt schlecht befand, daß die Aerzte an seinem Aufkom¬<lb/> men zweifelten, ist jetzt aus dem Wege der Besserung, und die Ex¬<lb/> pressen, die seine Kinder nach Wien beriefen, sind contremandirt wor¬<lb/> den. Die herzogliche Familie bewohnt noch immer das unansehnliche<lb/> Palais auf der Favoritenstraße in der Nähe der Ritterakademie, indeß<lb/> der Ausbau des prachtvollen Palastes auf der Bastei eingestellt ward.<lb/> Ueber den Grund dieser Verfügung sind mancherlei Gerüchte in Um¬<lb/> lauf, von welchen wir blos eines erwähnen wollen, wornach Etiquctte-<lb/> zwiste den Aufenthalt des mit der Prinzessin Clementine von Frank¬<lb/> reich vermählten Prinzen August am hiesigen Hofe unmöglich machen<lb/> sollen. Auch besteht hier noch immer eine strenge Partei voll legiti-<lb/> mistischen Geistes, welche es den Sprößling der jüngern Linie der<lb/> Bourbons würde mannichfach fühlen lassen, daß der Glanz der neuen<lb/> Dynastie aus dem Pulverdampf einer Volkserhebung hervorblitzte, und<lb/> der königliche Purpur aus einer Blouse geschnitten worden; das er¬<lb/> wähnte Palais des Herzogs von Koburg-Koharn steht nun, nachdem<lb/> es ungeheure Summen verschlungen, mit seiner Säulcnsronte öde und<lb/> schnccbelastet da, die Fenster geschlossen, das Erdgeschoß mit Brettern<lb/> verzimmert, und die Schwalben bauen im Frühling ihre Nester in<lb/> den Gemächern, deren rohe, ungemalte Wände keine Fürstenkindcr be¬<lb/> herbergen werden. Unter diesen Umständen wäre es allerdings das<lb/> Zweckmäßigste, wenn sich, wie allgemein behauptet wird, nach dem<lb/> Wunsche des Herzogs ein Käufer fände, der nicht eben ein fürstlicher<lb/> zu sein brauchte. Anfangs wollte es fogar der Gastwirth vom Schwan<lb/> erwerben, um es in ein Hiitel umzugestalten. Manche meinen, es<lb/> könnten im Laufe der Zeit noch Verhältnisse eintreten, die dem Könige<lb/> von Portugal ein so wohnliches Asyl an der Donau sehr willkommen<lb/> machen würden. — Ich habe im letzten Briefe vergessen, Ihnen den<lb/> Fiasko zu melden, welchen eine Novität auf der Hofbühne gemacht<lb/> hat. Es war ein von Herrn Fritsche, der Pseudonym Herr von Brau¬<lb/> nen heißt, einem Roman der Friederike Bremer nachgebildetes Schau¬<lb/> spiel, welches den ganzen kolossalen Mißgriff, Roman und Drama für<lb/> identisch zu halten, mit den grellsten Lichtern zur Anschauung brachte.<lb/> Trotz der Anwesenheit des Hofes ließen sich energische Stimmen des<lb/> Mißfallens vernehmen. Es ist kaum denkbar, daß ein so erfahrner<lb/> Theaterdirector, wie Herr von Holbein, nicht das Mißgeschick dieses<lb/> „Woldemar" vorausgesehen haben sollte, allein der Leiter einer Hof-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0394]
II.
Aus Wien.
Der Herzog von Koburg-Koharu und die Legitimisten. — Ein Fiasko. —
Das Drama des Hochverräthers. — Pyrker und der Ultramagvarismus. —
Der Herzog von Koburg, der sich in Folge eines gastrischen Fie¬
bers schon dergestalt schlecht befand, daß die Aerzte an seinem Aufkom¬
men zweifelten, ist jetzt aus dem Wege der Besserung, und die Ex¬
pressen, die seine Kinder nach Wien beriefen, sind contremandirt wor¬
den. Die herzogliche Familie bewohnt noch immer das unansehnliche
Palais auf der Favoritenstraße in der Nähe der Ritterakademie, indeß
der Ausbau des prachtvollen Palastes auf der Bastei eingestellt ward.
Ueber den Grund dieser Verfügung sind mancherlei Gerüchte in Um¬
lauf, von welchen wir blos eines erwähnen wollen, wornach Etiquctte-
zwiste den Aufenthalt des mit der Prinzessin Clementine von Frank¬
reich vermählten Prinzen August am hiesigen Hofe unmöglich machen
sollen. Auch besteht hier noch immer eine strenge Partei voll legiti-
mistischen Geistes, welche es den Sprößling der jüngern Linie der
Bourbons würde mannichfach fühlen lassen, daß der Glanz der neuen
Dynastie aus dem Pulverdampf einer Volkserhebung hervorblitzte, und
der königliche Purpur aus einer Blouse geschnitten worden; das er¬
wähnte Palais des Herzogs von Koburg-Koharn steht nun, nachdem
es ungeheure Summen verschlungen, mit seiner Säulcnsronte öde und
schnccbelastet da, die Fenster geschlossen, das Erdgeschoß mit Brettern
verzimmert, und die Schwalben bauen im Frühling ihre Nester in
den Gemächern, deren rohe, ungemalte Wände keine Fürstenkindcr be¬
herbergen werden. Unter diesen Umständen wäre es allerdings das
Zweckmäßigste, wenn sich, wie allgemein behauptet wird, nach dem
Wunsche des Herzogs ein Käufer fände, der nicht eben ein fürstlicher
zu sein brauchte. Anfangs wollte es fogar der Gastwirth vom Schwan
erwerben, um es in ein Hiitel umzugestalten. Manche meinen, es
könnten im Laufe der Zeit noch Verhältnisse eintreten, die dem Könige
von Portugal ein so wohnliches Asyl an der Donau sehr willkommen
machen würden. — Ich habe im letzten Briefe vergessen, Ihnen den
Fiasko zu melden, welchen eine Novität auf der Hofbühne gemacht
hat. Es war ein von Herrn Fritsche, der Pseudonym Herr von Brau¬
nen heißt, einem Roman der Friederike Bremer nachgebildetes Schau¬
spiel, welches den ganzen kolossalen Mißgriff, Roman und Drama für
identisch zu halten, mit den grellsten Lichtern zur Anschauung brachte.
Trotz der Anwesenheit des Hofes ließen sich energische Stimmen des
Mißfallens vernehmen. Es ist kaum denkbar, daß ein so erfahrner
Theaterdirector, wie Herr von Holbein, nicht das Mißgeschick dieses
„Woldemar" vorausgesehen haben sollte, allein der Leiter einer Hof-
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