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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ihre Folgen zu begränzen, und lasterhafte Naturen nie verhindert wer¬
den können, über sich selbst zu disponiren. Aber diese mittelbare Pro¬
stitution, dieses in Regimenter eincorporirte Laster, diese Eommanditen
der Unzucht vernichte man. Ich weiß nicht es ist mir nicht be¬
kannt, wie das neue Polizeigesetz lautet, welches in wenigen Monaten
dort zur Ausführung kommen soll, aber man hüte sich in den Fehler
der hiesigen Gesetzgebung zu verfallen, ohne dessen Vortheile zu adoptiren.

Ich habe die vorige Woche von einem jungen Lübecker erzählt,
der ein Opfer falscher Spieler geworden. Ein Prozeß, der diese Woche
öffentlich verhandelt wurde, hat abermals zwei Deutsche als Opfer
hiesiger Gauner gezeigt; es sind dies zwei österreichische Cavaliere,
Graf Salm und Graf Thun. Sie machten die Bekanntschaft einiger
englischen Gentlemen, die in der höhern Gesellschaft viel herumkommen.
Bei einem Souper wurde ein kleines Kartenspiel vorgeschlagen; die
Weinflasche enthielt Narkotisches und unsere ehrlichen Landsleute ver¬
loren auf Ehrenwort gegen das perfide Albion jeder an jtIMl) Fran¬
ken. Indessen klagten sie nicht. Ein junger Engländer aber, der
Opfer eines ähnlichen Betrugs wurde, war nicht so großmüthig. Er
zeigte die Sache den Gerichten an und nun erst traten die beiden
Deutschen als Zeugen auf. Es wies sich aus, daß eine ganze Gesell¬
schaft falscher Spieler sich organisirt hatte, die durch narkotisches Getränke
und mit Hilfe einer reizenden Engländerin, Miß Emma Kam, die
während des Spiels durch kleine Coquetterien das Opfer zu zerstreuen
suchte, mehrere reiche Fremde ausbeutete. Altengland schickt den fran¬
zösischen Filous Verstärkung. Die Allianz zwischen Frankreich und
England wird, wie man sieht, mit jedem Tage inniger. Ist es auch
im ernsthaften Spiel auf die Deutschen abgesehen?

Rüge, Marx, Bernays und Bernstein haben wirklich von der
Polizei die Weisung, sich von Paris zu entfernen, erhalten. Indessen
ist Vieles unrichtig, was in deutschen Blättern darüber gemeldet wurde,
und es ist viel zu wichtig, daß Frankreichs Handlungsweise gegen
politische Flüchtlinge gehörig beleuchtet werde, um nicht diese Irrungen
aufzuklären. Es wäre traurig, wenn die deutschen Regierungen sagen
könnten: Seht Ihr, Euer gepriesenes Frankreich macht es nicht besser
als wir! Vorerst ist also zu bemerken, daß keiner der vier genannten
Schriftsteller bei seiner Ankunft sich der Behörde als politischer Refugiv
erklärte. Alle Vier kamen mit Passen hier an. Das Gesetz über
politische Flüchtlinge kann also keine Anwendung auf sie haben, die
Behörde machte, nachdem ihr die Denunciation zugekommen, Gebrauch
von dem gewöhnlichen Geschäftsgange, der turbulenter Fremden den
Aufenthalt verweigert. Die Denunciation trifft also ganz allein die
ganze Gehässigkeit dieses Vorfalls und die Denunciation ist um so
unsinniger, als das Journal: "Vorwärts", welches als Grund
der Anklage diente, zu erscheinen aufgehört hat. Um nun


ihre Folgen zu begränzen, und lasterhafte Naturen nie verhindert wer¬
den können, über sich selbst zu disponiren. Aber diese mittelbare Pro¬
stitution, dieses in Regimenter eincorporirte Laster, diese Eommanditen
der Unzucht vernichte man. Ich weiß nicht es ist mir nicht be¬
kannt, wie das neue Polizeigesetz lautet, welches in wenigen Monaten
dort zur Ausführung kommen soll, aber man hüte sich in den Fehler
der hiesigen Gesetzgebung zu verfallen, ohne dessen Vortheile zu adoptiren.

Ich habe die vorige Woche von einem jungen Lübecker erzählt,
der ein Opfer falscher Spieler geworden. Ein Prozeß, der diese Woche
öffentlich verhandelt wurde, hat abermals zwei Deutsche als Opfer
hiesiger Gauner gezeigt; es sind dies zwei österreichische Cavaliere,
Graf Salm und Graf Thun. Sie machten die Bekanntschaft einiger
englischen Gentlemen, die in der höhern Gesellschaft viel herumkommen.
Bei einem Souper wurde ein kleines Kartenspiel vorgeschlagen; die
Weinflasche enthielt Narkotisches und unsere ehrlichen Landsleute ver¬
loren auf Ehrenwort gegen das perfide Albion jeder an jtIMl) Fran¬
ken. Indessen klagten sie nicht. Ein junger Engländer aber, der
Opfer eines ähnlichen Betrugs wurde, war nicht so großmüthig. Er
zeigte die Sache den Gerichten an und nun erst traten die beiden
Deutschen als Zeugen auf. Es wies sich aus, daß eine ganze Gesell¬
schaft falscher Spieler sich organisirt hatte, die durch narkotisches Getränke
und mit Hilfe einer reizenden Engländerin, Miß Emma Kam, die
während des Spiels durch kleine Coquetterien das Opfer zu zerstreuen
suchte, mehrere reiche Fremde ausbeutete. Altengland schickt den fran¬
zösischen Filous Verstärkung. Die Allianz zwischen Frankreich und
England wird, wie man sieht, mit jedem Tage inniger. Ist es auch
im ernsthaften Spiel auf die Deutschen abgesehen?

Rüge, Marx, Bernays und Bernstein haben wirklich von der
Polizei die Weisung, sich von Paris zu entfernen, erhalten. Indessen
ist Vieles unrichtig, was in deutschen Blättern darüber gemeldet wurde,
und es ist viel zu wichtig, daß Frankreichs Handlungsweise gegen
politische Flüchtlinge gehörig beleuchtet werde, um nicht diese Irrungen
aufzuklären. Es wäre traurig, wenn die deutschen Regierungen sagen
könnten: Seht Ihr, Euer gepriesenes Frankreich macht es nicht besser
als wir! Vorerst ist also zu bemerken, daß keiner der vier genannten
Schriftsteller bei seiner Ankunft sich der Behörde als politischer Refugiv
erklärte. Alle Vier kamen mit Passen hier an. Das Gesetz über
politische Flüchtlinge kann also keine Anwendung auf sie haben, die
Behörde machte, nachdem ihr die Denunciation zugekommen, Gebrauch
von dem gewöhnlichen Geschäftsgange, der turbulenter Fremden den
Aufenthalt verweigert. Die Denunciation trifft also ganz allein die
ganze Gehässigkeit dieses Vorfalls und die Denunciation ist um so
unsinniger, als das Journal: „Vorwärts", welches als Grund
der Anklage diente, zu erscheinen aufgehört hat. Um nun


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[0392] ihre Folgen zu begränzen, und lasterhafte Naturen nie verhindert wer¬ den können, über sich selbst zu disponiren. Aber diese mittelbare Pro¬ stitution, dieses in Regimenter eincorporirte Laster, diese Eommanditen der Unzucht vernichte man. Ich weiß nicht es ist mir nicht be¬ kannt, wie das neue Polizeigesetz lautet, welches in wenigen Monaten dort zur Ausführung kommen soll, aber man hüte sich in den Fehler der hiesigen Gesetzgebung zu verfallen, ohne dessen Vortheile zu adoptiren. Ich habe die vorige Woche von einem jungen Lübecker erzählt, der ein Opfer falscher Spieler geworden. Ein Prozeß, der diese Woche öffentlich verhandelt wurde, hat abermals zwei Deutsche als Opfer hiesiger Gauner gezeigt; es sind dies zwei österreichische Cavaliere, Graf Salm und Graf Thun. Sie machten die Bekanntschaft einiger englischen Gentlemen, die in der höhern Gesellschaft viel herumkommen. Bei einem Souper wurde ein kleines Kartenspiel vorgeschlagen; die Weinflasche enthielt Narkotisches und unsere ehrlichen Landsleute ver¬ loren auf Ehrenwort gegen das perfide Albion jeder an jtIMl) Fran¬ ken. Indessen klagten sie nicht. Ein junger Engländer aber, der Opfer eines ähnlichen Betrugs wurde, war nicht so großmüthig. Er zeigte die Sache den Gerichten an und nun erst traten die beiden Deutschen als Zeugen auf. Es wies sich aus, daß eine ganze Gesell¬ schaft falscher Spieler sich organisirt hatte, die durch narkotisches Getränke und mit Hilfe einer reizenden Engländerin, Miß Emma Kam, die während des Spiels durch kleine Coquetterien das Opfer zu zerstreuen suchte, mehrere reiche Fremde ausbeutete. Altengland schickt den fran¬ zösischen Filous Verstärkung. Die Allianz zwischen Frankreich und England wird, wie man sieht, mit jedem Tage inniger. Ist es auch im ernsthaften Spiel auf die Deutschen abgesehen? Rüge, Marx, Bernays und Bernstein haben wirklich von der Polizei die Weisung, sich von Paris zu entfernen, erhalten. Indessen ist Vieles unrichtig, was in deutschen Blättern darüber gemeldet wurde, und es ist viel zu wichtig, daß Frankreichs Handlungsweise gegen politische Flüchtlinge gehörig beleuchtet werde, um nicht diese Irrungen aufzuklären. Es wäre traurig, wenn die deutschen Regierungen sagen könnten: Seht Ihr, Euer gepriesenes Frankreich macht es nicht besser als wir! Vorerst ist also zu bemerken, daß keiner der vier genannten Schriftsteller bei seiner Ankunft sich der Behörde als politischer Refugiv erklärte. Alle Vier kamen mit Passen hier an. Das Gesetz über politische Flüchtlinge kann also keine Anwendung auf sie haben, die Behörde machte, nachdem ihr die Denunciation zugekommen, Gebrauch von dem gewöhnlichen Geschäftsgange, der turbulenter Fremden den Aufenthalt verweigert. Die Denunciation trifft also ganz allein die ganze Gehässigkeit dieses Vorfalls und die Denunciation ist um so unsinniger, als das Journal: „Vorwärts", welches als Grund der Anklage diente, zu erscheinen aufgehört hat. Um nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/392>, abgerufen am 22.07.2024.