Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

gemein Heldenschwert! Aber gib Acht, daß Deine Hiebe nicht in's
Blaue falten. Die Du für Sklaven bietest, sind behagliche Philister,
die Dich auslachen und in ihrer ganz unpoetischen Misere recht warm
sitzen; die Du für Tyrannen anfasst, sind ängstlich pedantische Haus¬
väter, die man nicht einmal hassen kann; Dein Heldenschwcrt wird
zum Knabenstöckchen, zum stumpfen Rappier, höchstens zur Zeitungs¬
feder. Dein österreichischer Schmerz breitet sich zum allgemein deut¬
schen aus, und dieser wird allmälig zum kosmopolitischen. Neue
Täuschungen lösen Deinen großen acuten Zom in kleinlich chronischen
Aerger auf. Umsonst sträubst Du Dich gegen die niederschlagenden
Pulver, die das Leben Dir mit Gewalt eingibt. Die Altklugheit
rieselt Dir wie Herbstregen in die Seele; ja, Du wirst klüger und
einsichtsvoller, die Welt lobt Dich darum, und Du hast keine Freude
daran. Bittere Verachtung und schneidende Säure sind der Boden¬
satz Deines schäumenden Jugendbecherö. Und doch mußt Du's hin¬
unterschlucken und das Unrecht, das Du der Welt gethan, gegen
Dich selber kehren.

Ich kann nicht behaupten, daß es grade Karl Beck so erging,
aber eine ähnliche Umwandlung hatte ihn betroffen. Wie trat der
Verfasser der Nächte 1838 dem alten Freunde in Deutschland entge¬
gen! In studentischer Maske, hochrot!) vom Widerschein deS jungen
Ruhms, der ihn nicht beruhigte, dem er nicht traute; triumphirend
und doch hangend, wie ein Sieger nach verzweifelter Schlacht; ter¬
roristisch in Lust und in Leid, in Nach und in That; das Göthe'sche
"zum Himmel aufjauchzend, zum Tode betrübt" paßte vollkommen auf
ihn und wechselte wie Sturmgewölk in seiner Seele; der trotzige
junge Bart verdeckte zwar den Passionszug um die Lippen, aber das
Auge verrieth, daß all der Saus und Braus tief aus einem gequäl¬
ten weichen Herzen kam. Auch irren Diejenigen, die da glauben,
der junge Dichter habe sich durch die begeisterte Aufnahme, die sein
erstes Buch gefunden, über seine Aufgabe täuschen und "verderben"
lassen. Er hatte die "Nächte" etwas bombastisch auch "gepanzerte
Lieder" genannt, aber völlig ungepanzerten Geistes, ohne tieferes Stu¬
dium der Zeit und des Volkes, blindlings und nackt, hatte er sich in
die Wirbel der Zeitideen gestürzt', und die angeborne Kraft hielt ihn
sicher über der Oberfläche, daß er nicht unterging in der äußerlich
politischen Singfluth und daß seine Stimme nicht verschallen konnte,


Grenzboten, Isis. I. 5

gemein Heldenschwert! Aber gib Acht, daß Deine Hiebe nicht in's
Blaue falten. Die Du für Sklaven bietest, sind behagliche Philister,
die Dich auslachen und in ihrer ganz unpoetischen Misere recht warm
sitzen; die Du für Tyrannen anfasst, sind ängstlich pedantische Haus¬
väter, die man nicht einmal hassen kann; Dein Heldenschwcrt wird
zum Knabenstöckchen, zum stumpfen Rappier, höchstens zur Zeitungs¬
feder. Dein österreichischer Schmerz breitet sich zum allgemein deut¬
schen aus, und dieser wird allmälig zum kosmopolitischen. Neue
Täuschungen lösen Deinen großen acuten Zom in kleinlich chronischen
Aerger auf. Umsonst sträubst Du Dich gegen die niederschlagenden
Pulver, die das Leben Dir mit Gewalt eingibt. Die Altklugheit
rieselt Dir wie Herbstregen in die Seele; ja, Du wirst klüger und
einsichtsvoller, die Welt lobt Dich darum, und Du hast keine Freude
daran. Bittere Verachtung und schneidende Säure sind der Boden¬
satz Deines schäumenden Jugendbecherö. Und doch mußt Du's hin¬
unterschlucken und das Unrecht, das Du der Welt gethan, gegen
Dich selber kehren.

Ich kann nicht behaupten, daß es grade Karl Beck so erging,
aber eine ähnliche Umwandlung hatte ihn betroffen. Wie trat der
Verfasser der Nächte 1838 dem alten Freunde in Deutschland entge¬
gen! In studentischer Maske, hochrot!) vom Widerschein deS jungen
Ruhms, der ihn nicht beruhigte, dem er nicht traute; triumphirend
und doch hangend, wie ein Sieger nach verzweifelter Schlacht; ter¬
roristisch in Lust und in Leid, in Nach und in That; das Göthe'sche
„zum Himmel aufjauchzend, zum Tode betrübt" paßte vollkommen auf
ihn und wechselte wie Sturmgewölk in seiner Seele; der trotzige
junge Bart verdeckte zwar den Passionszug um die Lippen, aber das
Auge verrieth, daß all der Saus und Braus tief aus einem gequäl¬
ten weichen Herzen kam. Auch irren Diejenigen, die da glauben,
der junge Dichter habe sich durch die begeisterte Aufnahme, die sein
erstes Buch gefunden, über seine Aufgabe täuschen und „verderben"
lassen. Er hatte die „Nächte" etwas bombastisch auch „gepanzerte
Lieder" genannt, aber völlig ungepanzerten Geistes, ohne tieferes Stu¬
dium der Zeit und des Volkes, blindlings und nackt, hatte er sich in
die Wirbel der Zeitideen gestürzt', und die angeborne Kraft hielt ihn
sicher über der Oberfläche, daß er nicht unterging in der äußerlich
politischen Singfluth und daß seine Stimme nicht verschallen konnte,


Grenzboten, Isis. I. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269456"/>
          <p xml:id="ID_81" prev="#ID_80"> gemein Heldenschwert! Aber gib Acht, daß Deine Hiebe nicht in's<lb/>
Blaue falten. Die Du für Sklaven bietest, sind behagliche Philister,<lb/>
die Dich auslachen und in ihrer ganz unpoetischen Misere recht warm<lb/>
sitzen; die Du für Tyrannen anfasst, sind ängstlich pedantische Haus¬<lb/>
väter, die man nicht einmal hassen kann; Dein Heldenschwcrt wird<lb/>
zum Knabenstöckchen, zum stumpfen Rappier, höchstens zur Zeitungs¬<lb/>
feder. Dein österreichischer Schmerz breitet sich zum allgemein deut¬<lb/>
schen aus, und dieser wird allmälig zum kosmopolitischen. Neue<lb/>
Täuschungen lösen Deinen großen acuten Zom in kleinlich chronischen<lb/>
Aerger auf. Umsonst sträubst Du Dich gegen die niederschlagenden<lb/>
Pulver, die das Leben Dir mit Gewalt eingibt. Die Altklugheit<lb/>
rieselt Dir wie Herbstregen in die Seele; ja, Du wirst klüger und<lb/>
einsichtsvoller, die Welt lobt Dich darum, und Du hast keine Freude<lb/>
daran. Bittere Verachtung und schneidende Säure sind der Boden¬<lb/>
satz Deines schäumenden Jugendbecherö. Und doch mußt Du's hin¬<lb/>
unterschlucken und das Unrecht, das Du der Welt gethan, gegen<lb/>
Dich selber kehren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_82" next="#ID_83"> Ich kann nicht behaupten, daß es grade Karl Beck so erging,<lb/>
aber eine ähnliche Umwandlung hatte ihn betroffen. Wie trat der<lb/>
Verfasser der Nächte 1838 dem alten Freunde in Deutschland entge¬<lb/>
gen! In studentischer Maske, hochrot!) vom Widerschein deS jungen<lb/>
Ruhms, der ihn nicht beruhigte, dem er nicht traute; triumphirend<lb/>
und doch hangend, wie ein Sieger nach verzweifelter Schlacht; ter¬<lb/>
roristisch in Lust und in Leid, in Nach und in That; das Göthe'sche<lb/>
&#x201E;zum Himmel aufjauchzend, zum Tode betrübt" paßte vollkommen auf<lb/>
ihn und wechselte wie Sturmgewölk in seiner Seele; der trotzige<lb/>
junge Bart verdeckte zwar den Passionszug um die Lippen, aber das<lb/>
Auge verrieth, daß all der Saus und Braus tief aus einem gequäl¬<lb/>
ten weichen Herzen kam. Auch irren Diejenigen, die da glauben,<lb/>
der junge Dichter habe sich durch die begeisterte Aufnahme, die sein<lb/>
erstes Buch gefunden, über seine Aufgabe täuschen und &#x201E;verderben"<lb/>
lassen. Er hatte die &#x201E;Nächte" etwas bombastisch auch &#x201E;gepanzerte<lb/>
Lieder" genannt, aber völlig ungepanzerten Geistes, ohne tieferes Stu¬<lb/>
dium der Zeit und des Volkes, blindlings und nackt, hatte er sich in<lb/>
die Wirbel der Zeitideen gestürzt', und die angeborne Kraft hielt ihn<lb/>
sicher über der Oberfläche, daß er nicht unterging in der äußerlich<lb/>
politischen Singfluth und daß seine Stimme nicht verschallen konnte,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten, Isis. I. 5</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] gemein Heldenschwert! Aber gib Acht, daß Deine Hiebe nicht in's Blaue falten. Die Du für Sklaven bietest, sind behagliche Philister, die Dich auslachen und in ihrer ganz unpoetischen Misere recht warm sitzen; die Du für Tyrannen anfasst, sind ängstlich pedantische Haus¬ väter, die man nicht einmal hassen kann; Dein Heldenschwcrt wird zum Knabenstöckchen, zum stumpfen Rappier, höchstens zur Zeitungs¬ feder. Dein österreichischer Schmerz breitet sich zum allgemein deut¬ schen aus, und dieser wird allmälig zum kosmopolitischen. Neue Täuschungen lösen Deinen großen acuten Zom in kleinlich chronischen Aerger auf. Umsonst sträubst Du Dich gegen die niederschlagenden Pulver, die das Leben Dir mit Gewalt eingibt. Die Altklugheit rieselt Dir wie Herbstregen in die Seele; ja, Du wirst klüger und einsichtsvoller, die Welt lobt Dich darum, und Du hast keine Freude daran. Bittere Verachtung und schneidende Säure sind der Boden¬ satz Deines schäumenden Jugendbecherö. Und doch mußt Du's hin¬ unterschlucken und das Unrecht, das Du der Welt gethan, gegen Dich selber kehren. Ich kann nicht behaupten, daß es grade Karl Beck so erging, aber eine ähnliche Umwandlung hatte ihn betroffen. Wie trat der Verfasser der Nächte 1838 dem alten Freunde in Deutschland entge¬ gen! In studentischer Maske, hochrot!) vom Widerschein deS jungen Ruhms, der ihn nicht beruhigte, dem er nicht traute; triumphirend und doch hangend, wie ein Sieger nach verzweifelter Schlacht; ter¬ roristisch in Lust und in Leid, in Nach und in That; das Göthe'sche „zum Himmel aufjauchzend, zum Tode betrübt" paßte vollkommen auf ihn und wechselte wie Sturmgewölk in seiner Seele; der trotzige junge Bart verdeckte zwar den Passionszug um die Lippen, aber das Auge verrieth, daß all der Saus und Braus tief aus einem gequäl¬ ten weichen Herzen kam. Auch irren Diejenigen, die da glauben, der junge Dichter habe sich durch die begeisterte Aufnahme, die sein erstes Buch gefunden, über seine Aufgabe täuschen und „verderben" lassen. Er hatte die „Nächte" etwas bombastisch auch „gepanzerte Lieder" genannt, aber völlig ungepanzerten Geistes, ohne tieferes Stu¬ dium der Zeit und des Volkes, blindlings und nackt, hatte er sich in die Wirbel der Zeitideen gestürzt', und die angeborne Kraft hielt ihn sicher über der Oberfläche, daß er nicht unterging in der äußerlich politischen Singfluth und daß seine Stimme nicht verschallen konnte, Grenzboten, Isis. I. 5

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/39
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/39>, abgerufen am 22.07.2024.