Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.die Bahn betreten hat, auf die ihn anfangs die innere Stimme ge¬ Man fragt vielleicht, warum ich so großes Gewicht grade auf die Bahn betreten hat, auf die ihn anfangs die innere Stimme ge¬ Man fragt vielleicht, warum ich so großes Gewicht grade auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269454"/> <p xml:id="ID_78" prev="#ID_77"> die Bahn betreten hat, auf die ihn anfangs die innere Stimme ge¬<lb/> rufen, nur that er es diesmal mit geläuterter Kraft und hellerem<lb/> Bewußtsein.</p><lb/> <p xml:id="ID_79" next="#ID_80"> Man fragt vielleicht, warum ich so großes Gewicht grade auf<lb/> die „Nächte" lege, dieses erste unreife Product des Jünglings, dieses<lb/> wüste Buch voll scharfsinniger Leidenschaft und unsinniger Logik, phan¬<lb/> tastischer Dunkelheit und blendender Geistesblitze, heroischer Wendun¬<lb/> gen und kindischer Einfälle, voll prunkender Bilder und stolzer Ge¬<lb/> danken, die mit einander im Streit zu liegen und selten an ihrem<lb/> Platze scheinen, endlich voll greller Zerrissenheit in einem harmonischen<lb/> Guß weich auötönendcr Verse; diese Lieder, von denen ihrer Zeit die<lb/> Journalistik so berauscht war, daß sie den Dichter in seiner eigenen<lb/> Sprachweise beurtheilte, und die noch später von Vielen mit einer<lb/> Hand unwillkürlich nachgeahmt und mit der andern kritisch gegeißelt<lb/> wurden! Es mußte doch etwas darin sein, was nicht gemacht war,<lb/> wie die nationalen Zeloten zischelten, die jede, ihnen schwer begreifliche<lb/> Erscheinung gern auf undeutsch gleißenden Schimmer, auf hohlen Lug<lb/> und Trug zurückführen. Die Jugend pflegt, in Sachen des Gemüths,<lb/> einen richtigen Jnstinct zu haben, und die Jugend hat für Karl Beck<lb/> und seine Nächte geschwärmt! — Indem ich die neue Ausgabe durch-<lb/> blättere, sprechen mich einzelne kleine Lieder mit einer Mahnung an<lb/> alte schöne Zeiten an; sie sind in Wien geschrieben, in den ersten<lb/> dreißiger Jahren, ehe Beck noch daS deutsche Ausland gesehen hatte.<lb/> Er war damals kaum über die Knabenjahre; aber die Reife des<lb/> Herzens leuchtete mit stiller Gluth aus den noch harmlos blühenden<lb/> Zügen. Seine Erscheinung war auf den ersten Blick anziehend; der<lb/> PassionSzug um den Mund und das schwärmerische Auge drängte<lb/> Jeden zu der Frage: Woher diese schmerzenssclige Melancholie bei so<lb/> blühender Jugend? Hast Du so lebhafte Ahnung einer bangen Zu¬<lb/> kunft? Ist Dir ein seltenes Schicksal auf die Stirne geschrieben?<lb/> Auch daS unkundigste Auge erkannte übrigens etwas Fremdartiges<lb/> an dem jungen Menschen; mit der wachen Kühnheit des Geistes<lb/> vereinigte er etwas von der naturwüchsigen Naivetät und der heißen,<lb/> schwerhaltigcn Leidenschaft des Ungarn; diese Natur ging weit über<lb/> den gewöhnlichen Wiener Horizont hinaus. Die Paar Freunde,<lb/> denen er sich ganz eröffnete, vertheidigten mit Zuversicht seinen poeti¬<lb/> schen Beruf gegen die Bedenklichkeiten oder den Spott nüchterner Um-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
die Bahn betreten hat, auf die ihn anfangs die innere Stimme ge¬
rufen, nur that er es diesmal mit geläuterter Kraft und hellerem
Bewußtsein.
Man fragt vielleicht, warum ich so großes Gewicht grade auf
die „Nächte" lege, dieses erste unreife Product des Jünglings, dieses
wüste Buch voll scharfsinniger Leidenschaft und unsinniger Logik, phan¬
tastischer Dunkelheit und blendender Geistesblitze, heroischer Wendun¬
gen und kindischer Einfälle, voll prunkender Bilder und stolzer Ge¬
danken, die mit einander im Streit zu liegen und selten an ihrem
Platze scheinen, endlich voll greller Zerrissenheit in einem harmonischen
Guß weich auötönendcr Verse; diese Lieder, von denen ihrer Zeit die
Journalistik so berauscht war, daß sie den Dichter in seiner eigenen
Sprachweise beurtheilte, und die noch später von Vielen mit einer
Hand unwillkürlich nachgeahmt und mit der andern kritisch gegeißelt
wurden! Es mußte doch etwas darin sein, was nicht gemacht war,
wie die nationalen Zeloten zischelten, die jede, ihnen schwer begreifliche
Erscheinung gern auf undeutsch gleißenden Schimmer, auf hohlen Lug
und Trug zurückführen. Die Jugend pflegt, in Sachen des Gemüths,
einen richtigen Jnstinct zu haben, und die Jugend hat für Karl Beck
und seine Nächte geschwärmt! — Indem ich die neue Ausgabe durch-
blättere, sprechen mich einzelne kleine Lieder mit einer Mahnung an
alte schöne Zeiten an; sie sind in Wien geschrieben, in den ersten
dreißiger Jahren, ehe Beck noch daS deutsche Ausland gesehen hatte.
Er war damals kaum über die Knabenjahre; aber die Reife des
Herzens leuchtete mit stiller Gluth aus den noch harmlos blühenden
Zügen. Seine Erscheinung war auf den ersten Blick anziehend; der
PassionSzug um den Mund und das schwärmerische Auge drängte
Jeden zu der Frage: Woher diese schmerzenssclige Melancholie bei so
blühender Jugend? Hast Du so lebhafte Ahnung einer bangen Zu¬
kunft? Ist Dir ein seltenes Schicksal auf die Stirne geschrieben?
Auch daS unkundigste Auge erkannte übrigens etwas Fremdartiges
an dem jungen Menschen; mit der wachen Kühnheit des Geistes
vereinigte er etwas von der naturwüchsigen Naivetät und der heißen,
schwerhaltigcn Leidenschaft des Ungarn; diese Natur ging weit über
den gewöhnlichen Wiener Horizont hinaus. Die Paar Freunde,
denen er sich ganz eröffnete, vertheidigten mit Zuversicht seinen poeti¬
schen Beruf gegen die Bedenklichkeiten oder den Spott nüchterner Um-
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