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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Die Marquise von Billette.



Erlauben Sie mir einige Worte über dies neue Stück der Frau
CharlotteBirch-Pfeiffer, welches ich in Dresden habe aufführen sehn. Es
knüpfen sich daran wohl einige weitere Bemerkungen und Folgerungen,
welche dem Wesen Ihrer Blätter näher stehn alö Theaterangele-
genheiten. Theaterangelegenheiten, heißt es bereits in manchen Zei¬
tungen, fangen wieder an zu überwuchern, als sollten wir in die
Zeit zurückgeführt werden, da die Abendzeitung noch für interessant
galt. Ist dies nicht ein Irrthum? Wird da nicht ein unüberlegter
Mißbrauch mit Stichwörtern getrieben? Hat nicht das Stichwort
"Theaterangelegenheit" längst seinen Charakter geändert? Einst hatte
es weiter Nichts zu bedeuten, als Angelegenheit der Schauspieler.
Die sogenannten darstellenden Künstler, zu denen sich der geringste
Mime rechnete, waren das Ein und Alles der Berichte. Das lite¬
rarische Werk, das politische Moment verschwanden dahinter. Ist
nicht dies schon ganz anders geworden? Man fragt nur noch um
Hauptpersonen, um bedeutende Fassung, um Bedeutung überhaupt.
Die bloße Theatcrnotiz, die bloße Curiosität ist längst verschwunden.
Und unter welch veränderten Umständen tritt übrigens die Theater¬
angelegenheit jetzt auf in öffentlichen Blättern! Als ein wichtiges Be¬
reich neuer literarischer Schöpfung, als ein glücklich wiedercroberter
Punkt, in welchem Literatur und Nation in unmittelbare Wechsel¬
wirkung treten. Sollte man nicht mit besserem Recht behaupten kön¬
nen: die gedankenlose Klatscherei weilt jetzt bei denen, welche unter
so veränderten Umständen alte Stichwörter wiederholen und welche
ein größeres Genüge darin finden, die kleine Zeitungsnotiz zehnmal
wiederzudrucken, als einem selbständigen Urtheil nachzutrachten über


Grenzboten t"is. I. 4"
Die Marquise von Billette.



Erlauben Sie mir einige Worte über dies neue Stück der Frau
CharlotteBirch-Pfeiffer, welches ich in Dresden habe aufführen sehn. Es
knüpfen sich daran wohl einige weitere Bemerkungen und Folgerungen,
welche dem Wesen Ihrer Blätter näher stehn alö Theaterangele-
genheiten. Theaterangelegenheiten, heißt es bereits in manchen Zei¬
tungen, fangen wieder an zu überwuchern, als sollten wir in die
Zeit zurückgeführt werden, da die Abendzeitung noch für interessant
galt. Ist dies nicht ein Irrthum? Wird da nicht ein unüberlegter
Mißbrauch mit Stichwörtern getrieben? Hat nicht das Stichwort
„Theaterangelegenheit" längst seinen Charakter geändert? Einst hatte
es weiter Nichts zu bedeuten, als Angelegenheit der Schauspieler.
Die sogenannten darstellenden Künstler, zu denen sich der geringste
Mime rechnete, waren das Ein und Alles der Berichte. Das lite¬
rarische Werk, das politische Moment verschwanden dahinter. Ist
nicht dies schon ganz anders geworden? Man fragt nur noch um
Hauptpersonen, um bedeutende Fassung, um Bedeutung überhaupt.
Die bloße Theatcrnotiz, die bloße Curiosität ist längst verschwunden.
Und unter welch veränderten Umständen tritt übrigens die Theater¬
angelegenheit jetzt auf in öffentlichen Blättern! Als ein wichtiges Be¬
reich neuer literarischer Schöpfung, als ein glücklich wiedercroberter
Punkt, in welchem Literatur und Nation in unmittelbare Wechsel¬
wirkung treten. Sollte man nicht mit besserem Recht behaupten kön¬
nen: die gedankenlose Klatscherei weilt jetzt bei denen, welche unter
so veränderten Umständen alte Stichwörter wiederholen und welche
ein größeres Genüge darin finden, die kleine Zeitungsnotiz zehnmal
wiederzudrucken, als einem selbständigen Urtheil nachzutrachten über


Grenzboten t»is. I. 4»
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[0355] Die Marquise von Billette. Erlauben Sie mir einige Worte über dies neue Stück der Frau CharlotteBirch-Pfeiffer, welches ich in Dresden habe aufführen sehn. Es knüpfen sich daran wohl einige weitere Bemerkungen und Folgerungen, welche dem Wesen Ihrer Blätter näher stehn alö Theaterangele- genheiten. Theaterangelegenheiten, heißt es bereits in manchen Zei¬ tungen, fangen wieder an zu überwuchern, als sollten wir in die Zeit zurückgeführt werden, da die Abendzeitung noch für interessant galt. Ist dies nicht ein Irrthum? Wird da nicht ein unüberlegter Mißbrauch mit Stichwörtern getrieben? Hat nicht das Stichwort „Theaterangelegenheit" längst seinen Charakter geändert? Einst hatte es weiter Nichts zu bedeuten, als Angelegenheit der Schauspieler. Die sogenannten darstellenden Künstler, zu denen sich der geringste Mime rechnete, waren das Ein und Alles der Berichte. Das lite¬ rarische Werk, das politische Moment verschwanden dahinter. Ist nicht dies schon ganz anders geworden? Man fragt nur noch um Hauptpersonen, um bedeutende Fassung, um Bedeutung überhaupt. Die bloße Theatcrnotiz, die bloße Curiosität ist längst verschwunden. Und unter welch veränderten Umständen tritt übrigens die Theater¬ angelegenheit jetzt auf in öffentlichen Blättern! Als ein wichtiges Be¬ reich neuer literarischer Schöpfung, als ein glücklich wiedercroberter Punkt, in welchem Literatur und Nation in unmittelbare Wechsel¬ wirkung treten. Sollte man nicht mit besserem Recht behaupten kön¬ nen: die gedankenlose Klatscherei weilt jetzt bei denen, welche unter so veränderten Umständen alte Stichwörter wiederholen und welche ein größeres Genüge darin finden, die kleine Zeitungsnotiz zehnmal wiederzudrucken, als einem selbständigen Urtheil nachzutrachten über Grenzboten t»is. I. 4»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/355>, abgerufen am 22.07.2024.