Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

nöthig, ihn durch einige Lectionen in der journalistischen Kunst etwas
vorzubereiten. Möge seine Herrlichkeit es nicht mißdeuten, daß ein
um zwanzig Jahre jüngerer Schriftsteller ihm, dem bemoosten, mit so
vielen Wassern und Oelen gewaschenen Haupt, Unterricht zu erthei¬
len sich herausnimmt. Allein möge er bedenken, daß der Thron alte¬
rer Schöngeister nicht sicherer vor dem Sturze ist als der Thron der
"Aderer Bourbonen. Herr Lewald, der in der Kochkunst eben so große
Kenntnisse hat wie Ludwig XV!>,., hat auch den bourbonischen Fehler
mit ihm gemein, Nichts gelernt und Nichts vergessen zu haben, (was
eins ins andere gerechnet ein sehr kleines Facit bildet). Da nun aber
Herr Lewald mit dem neuen Europa eine jüngere Januardynastie bil¬
den will, so wird ihm der Unterricht eines jüngeren Schriftstellers, der
seine journalistischen Studien durch mehrere Jahre theils in Paris,
theils in Brüssel gemacht hat, dabei sehr zu Gute kommen.

Zuerst muß ich Ihnen bemerken, Herr L., daß der Kunstgriff ganz veral¬
tet ist, von einem Journal, welches uns angreift, zu sagen: "wir ha¬
ben es nicht zu Gesichte bekommen," "es ist nirgends zu finden," "blos
ein Freund hat uns davon geschrieben" u. s. w. -- Das ist seit der,
Arche Noa's so oft da gewesen! Auch darf ein Journalist nur solche
Lügen sagen, auf die man ihm nicht kommt. Mit welchem Gesichte
wollen Sie aber vor die Hunderte von Personen hintreten, welche das
Karlsruher Easino besuchen, wo die Grenzboten seit langer Zeit auf¬
liegen? Sie sagen ferner, Sie lesen die Grenzboten nicht. Dies ist
ein sehr unkluges Bekenntniß; Sie geben dadurch Ihrem Gegner eine
ungeheure Blöße. Geben Sie Acht, wie ich dies sogleich gegen Sie
benutzen werde: "Wie? Ist Herr Lewald ein ahnenreicher Aristokrat,
ein großer Poet, ein von der Wissenschaft abforbirtcr Gelehrte, daß er
keine Journale lies't? Herr Lewald muß die Grenzboten, ja noch viel
schlechtere Blatter muß er lesen, denn es ist sein Handwerk. Tausende
von ernsten, vielbeschäftigten Männer" sitzen bis spät in die Nacht in
(Kasinos und Lesezimmern, um den Diskussionen der Tagesfragen in
den großen und kleinen Blättern zu folgen und Herr Lewald ignorirt
vornehm die Journalistik, er lies't nicht, lernt Nichts, er ist sich selbst
genug. Ist's ein Wunder, wenn ein solcher Schriftsteller dann in
seinem Krämergeist versumpft, da er alle Anregung der Zeit egoistisch,
müßiggängerisch von sich hält?

So unjournalistisch und schlecht angewendet die affectirte Vornehm¬
heit in Ihrem Pensum war, so muß ich Ihnen dagegen viele Lob¬
sprüche ertheilen für die sehr geschickte Art, womit Sie des Umstands
Erwähnung thun, daß ich (vor sechs Jahren -- das verschweigen
Sie sehr richtig) beim österreichischen Gesandten in Stuttgart zu Tische
geladen war. Das verdächtigt, unterminirt, erweckt Muthmaßungen
gefährlicher Art -- bravo Bastlio. Fahren Sie fort auf diesem Wege,
es zeigt von Talent, von sehr ausgebildeter Verleumdungskunst. ES


44"

nöthig, ihn durch einige Lectionen in der journalistischen Kunst etwas
vorzubereiten. Möge seine Herrlichkeit es nicht mißdeuten, daß ein
um zwanzig Jahre jüngerer Schriftsteller ihm, dem bemoosten, mit so
vielen Wassern und Oelen gewaschenen Haupt, Unterricht zu erthei¬
len sich herausnimmt. Allein möge er bedenken, daß der Thron alte¬
rer Schöngeister nicht sicherer vor dem Sturze ist als der Thron der
«Aderer Bourbonen. Herr Lewald, der in der Kochkunst eben so große
Kenntnisse hat wie Ludwig XV!>,., hat auch den bourbonischen Fehler
mit ihm gemein, Nichts gelernt und Nichts vergessen zu haben, (was
eins ins andere gerechnet ein sehr kleines Facit bildet). Da nun aber
Herr Lewald mit dem neuen Europa eine jüngere Januardynastie bil¬
den will, so wird ihm der Unterricht eines jüngeren Schriftstellers, der
seine journalistischen Studien durch mehrere Jahre theils in Paris,
theils in Brüssel gemacht hat, dabei sehr zu Gute kommen.

Zuerst muß ich Ihnen bemerken, Herr L., daß der Kunstgriff ganz veral¬
tet ist, von einem Journal, welches uns angreift, zu sagen: „wir ha¬
ben es nicht zu Gesichte bekommen," „es ist nirgends zu finden," „blos
ein Freund hat uns davon geschrieben" u. s. w. — Das ist seit der,
Arche Noa's so oft da gewesen! Auch darf ein Journalist nur solche
Lügen sagen, auf die man ihm nicht kommt. Mit welchem Gesichte
wollen Sie aber vor die Hunderte von Personen hintreten, welche das
Karlsruher Easino besuchen, wo die Grenzboten seit langer Zeit auf¬
liegen? Sie sagen ferner, Sie lesen die Grenzboten nicht. Dies ist
ein sehr unkluges Bekenntniß; Sie geben dadurch Ihrem Gegner eine
ungeheure Blöße. Geben Sie Acht, wie ich dies sogleich gegen Sie
benutzen werde: „Wie? Ist Herr Lewald ein ahnenreicher Aristokrat,
ein großer Poet, ein von der Wissenschaft abforbirtcr Gelehrte, daß er
keine Journale lies't? Herr Lewald muß die Grenzboten, ja noch viel
schlechtere Blatter muß er lesen, denn es ist sein Handwerk. Tausende
von ernsten, vielbeschäftigten Männer» sitzen bis spät in die Nacht in
(Kasinos und Lesezimmern, um den Diskussionen der Tagesfragen in
den großen und kleinen Blättern zu folgen und Herr Lewald ignorirt
vornehm die Journalistik, er lies't nicht, lernt Nichts, er ist sich selbst
genug. Ist's ein Wunder, wenn ein solcher Schriftsteller dann in
seinem Krämergeist versumpft, da er alle Anregung der Zeit egoistisch,
müßiggängerisch von sich hält?

So unjournalistisch und schlecht angewendet die affectirte Vornehm¬
heit in Ihrem Pensum war, so muß ich Ihnen dagegen viele Lob¬
sprüche ertheilen für die sehr geschickte Art, womit Sie des Umstands
Erwähnung thun, daß ich (vor sechs Jahren — das verschweigen
Sie sehr richtig) beim österreichischen Gesandten in Stuttgart zu Tische
geladen war. Das verdächtigt, unterminirt, erweckt Muthmaßungen
gefährlicher Art — bravo Bastlio. Fahren Sie fort auf diesem Wege,
es zeigt von Talent, von sehr ausgebildeter Verleumdungskunst. ES


44»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0349" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269764"/>
            <p xml:id="ID_1016" prev="#ID_1015"> nöthig, ihn durch einige Lectionen in der journalistischen Kunst etwas<lb/>
vorzubereiten. Möge seine Herrlichkeit es nicht mißdeuten, daß ein<lb/>
um zwanzig Jahre jüngerer Schriftsteller ihm, dem bemoosten, mit so<lb/>
vielen Wassern und Oelen gewaschenen Haupt, Unterricht zu erthei¬<lb/>
len sich herausnimmt. Allein möge er bedenken, daß der Thron alte¬<lb/>
rer Schöngeister nicht sicherer vor dem Sturze ist als der Thron der<lb/>
«Aderer Bourbonen. Herr Lewald, der in der Kochkunst eben so große<lb/>
Kenntnisse hat wie Ludwig XV!&gt;,., hat auch den bourbonischen Fehler<lb/>
mit ihm gemein, Nichts gelernt und Nichts vergessen zu haben, (was<lb/>
eins ins andere gerechnet ein sehr kleines Facit bildet). Da nun aber<lb/>
Herr Lewald mit dem neuen Europa eine jüngere Januardynastie bil¬<lb/>
den will, so wird ihm der Unterricht eines jüngeren Schriftstellers, der<lb/>
seine journalistischen Studien durch mehrere Jahre theils in Paris,<lb/>
theils in Brüssel gemacht hat, dabei sehr zu Gute kommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1017"> Zuerst muß ich Ihnen bemerken, Herr L., daß der Kunstgriff ganz veral¬<lb/>
tet ist, von einem Journal, welches uns angreift, zu sagen: &#x201E;wir ha¬<lb/>
ben es nicht zu Gesichte bekommen," &#x201E;es ist nirgends zu finden," &#x201E;blos<lb/>
ein Freund hat uns davon geschrieben" u. s. w. &#x2014; Das ist seit der,<lb/>
Arche Noa's so oft da gewesen! Auch darf ein Journalist nur solche<lb/>
Lügen sagen, auf die man ihm nicht kommt. Mit welchem Gesichte<lb/>
wollen Sie aber vor die Hunderte von Personen hintreten, welche das<lb/>
Karlsruher Easino besuchen, wo die Grenzboten seit langer Zeit auf¬<lb/>
liegen? Sie sagen ferner, Sie lesen die Grenzboten nicht. Dies ist<lb/>
ein sehr unkluges Bekenntniß; Sie geben dadurch Ihrem Gegner eine<lb/>
ungeheure Blöße. Geben Sie Acht, wie ich dies sogleich gegen Sie<lb/>
benutzen werde: &#x201E;Wie? Ist Herr Lewald ein ahnenreicher Aristokrat,<lb/>
ein großer Poet, ein von der Wissenschaft abforbirtcr Gelehrte, daß er<lb/>
keine Journale lies't? Herr Lewald muß die Grenzboten, ja noch viel<lb/>
schlechtere Blatter muß er lesen, denn es ist sein Handwerk. Tausende<lb/>
von ernsten, vielbeschäftigten Männer» sitzen bis spät in die Nacht in<lb/>
(Kasinos und Lesezimmern, um den Diskussionen der Tagesfragen in<lb/>
den großen und kleinen Blättern zu folgen und Herr Lewald ignorirt<lb/>
vornehm die Journalistik, er lies't nicht, lernt Nichts, er ist sich selbst<lb/>
genug. Ist's ein Wunder, wenn ein solcher Schriftsteller dann in<lb/>
seinem Krämergeist versumpft, da er alle Anregung der Zeit egoistisch,<lb/>
müßiggängerisch von sich hält?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1018" next="#ID_1019"> So unjournalistisch und schlecht angewendet die affectirte Vornehm¬<lb/>
heit in Ihrem Pensum war, so muß ich Ihnen dagegen viele Lob¬<lb/>
sprüche ertheilen für die sehr geschickte Art, womit Sie des Umstands<lb/>
Erwähnung thun, daß ich (vor sechs Jahren &#x2014; das verschweigen<lb/>
Sie sehr richtig) beim österreichischen Gesandten in Stuttgart zu Tische<lb/>
geladen war. Das verdächtigt, unterminirt, erweckt Muthmaßungen<lb/>
gefährlicher Art &#x2014; bravo Bastlio. Fahren Sie fort auf diesem Wege,<lb/>
es zeigt von Talent, von sehr ausgebildeter Verleumdungskunst. ES</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 44»</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0349] nöthig, ihn durch einige Lectionen in der journalistischen Kunst etwas vorzubereiten. Möge seine Herrlichkeit es nicht mißdeuten, daß ein um zwanzig Jahre jüngerer Schriftsteller ihm, dem bemoosten, mit so vielen Wassern und Oelen gewaschenen Haupt, Unterricht zu erthei¬ len sich herausnimmt. Allein möge er bedenken, daß der Thron alte¬ rer Schöngeister nicht sicherer vor dem Sturze ist als der Thron der «Aderer Bourbonen. Herr Lewald, der in der Kochkunst eben so große Kenntnisse hat wie Ludwig XV!>,., hat auch den bourbonischen Fehler mit ihm gemein, Nichts gelernt und Nichts vergessen zu haben, (was eins ins andere gerechnet ein sehr kleines Facit bildet). Da nun aber Herr Lewald mit dem neuen Europa eine jüngere Januardynastie bil¬ den will, so wird ihm der Unterricht eines jüngeren Schriftstellers, der seine journalistischen Studien durch mehrere Jahre theils in Paris, theils in Brüssel gemacht hat, dabei sehr zu Gute kommen. Zuerst muß ich Ihnen bemerken, Herr L., daß der Kunstgriff ganz veral¬ tet ist, von einem Journal, welches uns angreift, zu sagen: „wir ha¬ ben es nicht zu Gesichte bekommen," „es ist nirgends zu finden," „blos ein Freund hat uns davon geschrieben" u. s. w. — Das ist seit der, Arche Noa's so oft da gewesen! Auch darf ein Journalist nur solche Lügen sagen, auf die man ihm nicht kommt. Mit welchem Gesichte wollen Sie aber vor die Hunderte von Personen hintreten, welche das Karlsruher Easino besuchen, wo die Grenzboten seit langer Zeit auf¬ liegen? Sie sagen ferner, Sie lesen die Grenzboten nicht. Dies ist ein sehr unkluges Bekenntniß; Sie geben dadurch Ihrem Gegner eine ungeheure Blöße. Geben Sie Acht, wie ich dies sogleich gegen Sie benutzen werde: „Wie? Ist Herr Lewald ein ahnenreicher Aristokrat, ein großer Poet, ein von der Wissenschaft abforbirtcr Gelehrte, daß er keine Journale lies't? Herr Lewald muß die Grenzboten, ja noch viel schlechtere Blatter muß er lesen, denn es ist sein Handwerk. Tausende von ernsten, vielbeschäftigten Männer» sitzen bis spät in die Nacht in (Kasinos und Lesezimmern, um den Diskussionen der Tagesfragen in den großen und kleinen Blättern zu folgen und Herr Lewald ignorirt vornehm die Journalistik, er lies't nicht, lernt Nichts, er ist sich selbst genug. Ist's ein Wunder, wenn ein solcher Schriftsteller dann in seinem Krämergeist versumpft, da er alle Anregung der Zeit egoistisch, müßiggängerisch von sich hält? So unjournalistisch und schlecht angewendet die affectirte Vornehm¬ heit in Ihrem Pensum war, so muß ich Ihnen dagegen viele Lob¬ sprüche ertheilen für die sehr geschickte Art, womit Sie des Umstands Erwähnung thun, daß ich (vor sechs Jahren — das verschweigen Sie sehr richtig) beim österreichischen Gesandten in Stuttgart zu Tische geladen war. Das verdächtigt, unterminirt, erweckt Muthmaßungen gefährlicher Art — bravo Bastlio. Fahren Sie fort auf diesem Wege, es zeigt von Talent, von sehr ausgebildeter Verleumdungskunst. ES 44»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/349
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/349>, abgerufen am 22.07.2024.