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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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und Ketzereien von allgemeiner Menschenliebe passe". Ich mache so
mit! Der Dreykvrn säet und wir, denk' ich, werden ernten!

-- Ihr habt ein Missionshaus in Nürnberg? fragt' ich.

Von unsern 273 Missionshäusern, sagte Burkhardt, zählen wir
160 deutsche und es könnte wohl sein, daß sich auch auf dem Nürn¬
berger Tändelmarkt eine kleine bescheidne Hütte sür die Gesellschaft
Jesu fände. Aber ganz gemüthlich im Stillen!

-- Mitten im alten Lutherthum, das so eifersüchtig auf seine Ab-
schliefmng wacht!

-- Ja wohl, mitten im alten Lutherthum! Wo man die Juden in
Fürth absperrt, die Calvinisten zum Loche hinausweist, wittert man
den heiligen Loyola nicht. Auch hält er sich ganz still und kränkt
keines Menschen Rechte. Ihr seid nun schon seit Jahr und Tag ein
Sodale der Gesellschaft und thut noch immer so blöde! Von den KW
Collegien, die wir besitzen, kommen 207 auf das gute römische Reich
deutscher Nation, und von den 22,589 Mitgliedern unsers Ordens
haben wir 8749 deutsche Gesellschafter. Davon sind freilich nur die
Hälfte Priester, aber solche, die so mitlaufen wie Ihr, solche weltliche
Coadjutoren sind dem Reiche Gottes auf Erden auch gar sehr will¬
kommen. Plaudern dürfen sie nicht, denn wofür wäre sonst die
heilige Inquisition! Und fallen lassen können wir sie ja in jedem
Augenblick.

Er sah mich zutraulich lächelnd an, als wär' ich ganz unbedingt
der Seinige. Ich erschrack vor dieser Zuversicht seines täppischen
Instinktes, als läge hinter dieser Harmlosigkeit ein tiefer, weioheits-
voller Plan. Ich erschrack nicht minder über d-u- ungeheure Reich
einer geistlichen Monarchie, die neben der rechtmäßigen Kirche Got¬
tes auf Erden ihre weiten Arme so still und sicher über die Völker
hinstreckt.

-- Das hat nun Nichts gemein mit dem, waS hier in dieser guten
Schusterstadt vorgeht! sagte Burkhardt. Auch kümmert mich das
wenig; ich gehe weiter und muß sehen, wie ich noch über die Grenze
nach Sachsen komme. Ich habe da in dem deutschen Florenz an
der Elbe einige wichtige Seelenankäufe zu machen.

-- Wozu, fragt' ich dreist, sucht Ihr denn diese Verbindung mit
den Maurerlogen?

-- El, wir suchen Nichts, wir nehmen nur mit, was sich auf un-


und Ketzereien von allgemeiner Menschenliebe passe». Ich mache so
mit! Der Dreykvrn säet und wir, denk' ich, werden ernten!

— Ihr habt ein Missionshaus in Nürnberg? fragt' ich.

Von unsern 273 Missionshäusern, sagte Burkhardt, zählen wir
160 deutsche und es könnte wohl sein, daß sich auch auf dem Nürn¬
berger Tändelmarkt eine kleine bescheidne Hütte sür die Gesellschaft
Jesu fände. Aber ganz gemüthlich im Stillen!

— Mitten im alten Lutherthum, das so eifersüchtig auf seine Ab-
schliefmng wacht!

— Ja wohl, mitten im alten Lutherthum! Wo man die Juden in
Fürth absperrt, die Calvinisten zum Loche hinausweist, wittert man
den heiligen Loyola nicht. Auch hält er sich ganz still und kränkt
keines Menschen Rechte. Ihr seid nun schon seit Jahr und Tag ein
Sodale der Gesellschaft und thut noch immer so blöde! Von den KW
Collegien, die wir besitzen, kommen 207 auf das gute römische Reich
deutscher Nation, und von den 22,589 Mitgliedern unsers Ordens
haben wir 8749 deutsche Gesellschafter. Davon sind freilich nur die
Hälfte Priester, aber solche, die so mitlaufen wie Ihr, solche weltliche
Coadjutoren sind dem Reiche Gottes auf Erden auch gar sehr will¬
kommen. Plaudern dürfen sie nicht, denn wofür wäre sonst die
heilige Inquisition! Und fallen lassen können wir sie ja in jedem
Augenblick.

Er sah mich zutraulich lächelnd an, als wär' ich ganz unbedingt
der Seinige. Ich erschrack vor dieser Zuversicht seines täppischen
Instinktes, als läge hinter dieser Harmlosigkeit ein tiefer, weioheits-
voller Plan. Ich erschrack nicht minder über d-u- ungeheure Reich
einer geistlichen Monarchie, die neben der rechtmäßigen Kirche Got¬
tes auf Erden ihre weiten Arme so still und sicher über die Völker
hinstreckt.

— Das hat nun Nichts gemein mit dem, waS hier in dieser guten
Schusterstadt vorgeht! sagte Burkhardt. Auch kümmert mich das
wenig; ich gehe weiter und muß sehen, wie ich noch über die Grenze
nach Sachsen komme. Ich habe da in dem deutschen Florenz an
der Elbe einige wichtige Seelenankäufe zu machen.

— Wozu, fragt' ich dreist, sucht Ihr denn diese Verbindung mit
den Maurerlogen?

— El, wir suchen Nichts, wir nehmen nur mit, was sich auf un-


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[0316] und Ketzereien von allgemeiner Menschenliebe passe». Ich mache so mit! Der Dreykvrn säet und wir, denk' ich, werden ernten! — Ihr habt ein Missionshaus in Nürnberg? fragt' ich. Von unsern 273 Missionshäusern, sagte Burkhardt, zählen wir 160 deutsche und es könnte wohl sein, daß sich auch auf dem Nürn¬ berger Tändelmarkt eine kleine bescheidne Hütte sür die Gesellschaft Jesu fände. Aber ganz gemüthlich im Stillen! — Mitten im alten Lutherthum, das so eifersüchtig auf seine Ab- schliefmng wacht! — Ja wohl, mitten im alten Lutherthum! Wo man die Juden in Fürth absperrt, die Calvinisten zum Loche hinausweist, wittert man den heiligen Loyola nicht. Auch hält er sich ganz still und kränkt keines Menschen Rechte. Ihr seid nun schon seit Jahr und Tag ein Sodale der Gesellschaft und thut noch immer so blöde! Von den KW Collegien, die wir besitzen, kommen 207 auf das gute römische Reich deutscher Nation, und von den 22,589 Mitgliedern unsers Ordens haben wir 8749 deutsche Gesellschafter. Davon sind freilich nur die Hälfte Priester, aber solche, die so mitlaufen wie Ihr, solche weltliche Coadjutoren sind dem Reiche Gottes auf Erden auch gar sehr will¬ kommen. Plaudern dürfen sie nicht, denn wofür wäre sonst die heilige Inquisition! Und fallen lassen können wir sie ja in jedem Augenblick. Er sah mich zutraulich lächelnd an, als wär' ich ganz unbedingt der Seinige. Ich erschrack vor dieser Zuversicht seines täppischen Instinktes, als läge hinter dieser Harmlosigkeit ein tiefer, weioheits- voller Plan. Ich erschrack nicht minder über d-u- ungeheure Reich einer geistlichen Monarchie, die neben der rechtmäßigen Kirche Got¬ tes auf Erden ihre weiten Arme so still und sicher über die Völker hinstreckt. — Das hat nun Nichts gemein mit dem, waS hier in dieser guten Schusterstadt vorgeht! sagte Burkhardt. Auch kümmert mich das wenig; ich gehe weiter und muß sehen, wie ich noch über die Grenze nach Sachsen komme. Ich habe da in dem deutschen Florenz an der Elbe einige wichtige Seelenankäufe zu machen. — Wozu, fragt' ich dreist, sucht Ihr denn diese Verbindung mit den Maurerlogen? — El, wir suchen Nichts, wir nehmen nur mit, was sich auf un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/316>, abgerufen am 23.07.2024.