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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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trifft, diese noch überbietet. Der Besitzer, ein Herr von Steiger, hat
sie Hermannshöhle getauft und alles Mögliche gethan, um sie dem
Besuche der Naturfreunde zugänglich zu machen, zu welchem Zweck
Treppen und Geländer besorgt, ja selbst da, wo das Auge sich an
den wunderlichen Formen dieser unterirdischen Märchenwelt weiden
kann, Kronleuchter angeschafft wurden. Jetzt, wo der Eigenthümer über
zweitausend si. für die Bciuchsfähigkei' und Ausschmückung der Berg-
dohle verwendet, hat sich plötzlich in der Person des Baron Dietrich
ein Käufer gefunden, der dieses Naturwunder gegen eine namhafte
Summe ein sich gebracht und sie sicher der Oeffentlichkeit nicht ent¬
ziehen wird.

Die Nachricht von der Hinrichtung des Königsmörders Thebens
hat, wenn man anders die Wahrheit reden soll, in den hiesigen Krei¬
sen einen höchst mißgünstigen Eindruck hervorgebracht; nicht als ob
die Rechtmäßigkeit derselben dem geringsten Zweifel unterliegen könnte,
aber die höhere Klugheit hätte, so meint man allgemein, in diesem
Falle das Beil der Justiz abwenden sollen, denn die Gesetzgebung,
die schon auf den bloßen Mordversuch gegen die Person des Monar¬
chen die für den vollbrachten Mord bestimmte Strafe bemißt, hat das
Staatsoberhaupt dadurch in die schöne Lage versetzt, in allen jenen
Fällen, wo die verbrecherische Absicht an den Umständen gescheitert,
das Recht der Begnadigung zu üben. Der gesunde Instinkt des Vol¬
kes nimmt es unter solchen Umständen niemals gut auf, wenn die
Staatsgewalt, von keiner äußeren Nothwendigkeit gedrängt, den Rich-
terspruch strenge vollziehen läßt und auf die mißliche Doppelstellung,
die das Staatsoberhaupt als Object des beabsichtigten Mordes und als
oberster Richter dem Angeklagten und der ganzen Gesellschaft gegen¬
über einnimmt, gar keine Rücksicht genommen ward. Am meisten
jedoch hat sich das loyale Preußenthum in den Augen des österreichi¬
schen Volkes lächerlich gemacht, durch die Lamentationen in öffentlichen
Blättern, welche eine ganz wunderliche Theorie von der solidarischen
Haftung der gesammten Nation für die That eines Einzelnen auf¬
stellten, die man mit bestem Recht einen christlich-germanischen Unsinn
nennen könnte. Kann es in der That etwas Empörenderes geben,
als die Bornirtheit, die sich darüber streitet, ob Tfchech ein Slave oder
Deutscher sei, und was jetzo zu thun wäre, um die befleckte preußische
Nationalchre wieder rein zu waschen? Diese Blätter haben erst un¬
längst den Mangel philosophischer Geistesbildung in Oesterreich tadelnd
herausgehoben, aber das können wir denen draußen mit voller Beru¬
higung antworten: Besitzt der Oesterreicher auch nicht die Philosophie
der Schule, weiß er auch nicht wie Andere mit der wissenschaftlichen
Terminologie eitles Schaugepränge zu treiben, so wohnt ihm doch
eine gesunde Anschauung der Dinge inne, die er besonders dann erst
recht zu schätzen weiß, wenn er an jenen, die sich als die Erbpachter


trifft, diese noch überbietet. Der Besitzer, ein Herr von Steiger, hat
sie Hermannshöhle getauft und alles Mögliche gethan, um sie dem
Besuche der Naturfreunde zugänglich zu machen, zu welchem Zweck
Treppen und Geländer besorgt, ja selbst da, wo das Auge sich an
den wunderlichen Formen dieser unterirdischen Märchenwelt weiden
kann, Kronleuchter angeschafft wurden. Jetzt, wo der Eigenthümer über
zweitausend si. für die Bciuchsfähigkei' und Ausschmückung der Berg-
dohle verwendet, hat sich plötzlich in der Person des Baron Dietrich
ein Käufer gefunden, der dieses Naturwunder gegen eine namhafte
Summe ein sich gebracht und sie sicher der Oeffentlichkeit nicht ent¬
ziehen wird.

Die Nachricht von der Hinrichtung des Königsmörders Thebens
hat, wenn man anders die Wahrheit reden soll, in den hiesigen Krei¬
sen einen höchst mißgünstigen Eindruck hervorgebracht; nicht als ob
die Rechtmäßigkeit derselben dem geringsten Zweifel unterliegen könnte,
aber die höhere Klugheit hätte, so meint man allgemein, in diesem
Falle das Beil der Justiz abwenden sollen, denn die Gesetzgebung,
die schon auf den bloßen Mordversuch gegen die Person des Monar¬
chen die für den vollbrachten Mord bestimmte Strafe bemißt, hat das
Staatsoberhaupt dadurch in die schöne Lage versetzt, in allen jenen
Fällen, wo die verbrecherische Absicht an den Umständen gescheitert,
das Recht der Begnadigung zu üben. Der gesunde Instinkt des Vol¬
kes nimmt es unter solchen Umständen niemals gut auf, wenn die
Staatsgewalt, von keiner äußeren Nothwendigkeit gedrängt, den Rich-
terspruch strenge vollziehen läßt und auf die mißliche Doppelstellung,
die das Staatsoberhaupt als Object des beabsichtigten Mordes und als
oberster Richter dem Angeklagten und der ganzen Gesellschaft gegen¬
über einnimmt, gar keine Rücksicht genommen ward. Am meisten
jedoch hat sich das loyale Preußenthum in den Augen des österreichi¬
schen Volkes lächerlich gemacht, durch die Lamentationen in öffentlichen
Blättern, welche eine ganz wunderliche Theorie von der solidarischen
Haftung der gesammten Nation für die That eines Einzelnen auf¬
stellten, die man mit bestem Recht einen christlich-germanischen Unsinn
nennen könnte. Kann es in der That etwas Empörenderes geben,
als die Bornirtheit, die sich darüber streitet, ob Tfchech ein Slave oder
Deutscher sei, und was jetzo zu thun wäre, um die befleckte preußische
Nationalchre wieder rein zu waschen? Diese Blätter haben erst un¬
längst den Mangel philosophischer Geistesbildung in Oesterreich tadelnd
herausgehoben, aber das können wir denen draußen mit voller Beru¬
higung antworten: Besitzt der Oesterreicher auch nicht die Philosophie
der Schule, weiß er auch nicht wie Andere mit der wissenschaftlichen
Terminologie eitles Schaugepränge zu treiben, so wohnt ihm doch
eine gesunde Anschauung der Dinge inne, die er besonders dann erst
recht zu schätzen weiß, wenn er an jenen, die sich als die Erbpachter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/284>, abgerufen am 22.07.2024.