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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ter Dessauer ein altes Soldatenlied von Ainkgreff vortrefflich für einen
Männerchor mit Trommelbegleitung gesetzt. So waren die drei von
der Concordia vertretenen Künste auch hier bestens repräsentirt und
das Zwecke sse n war auch nicht wie früher ganz als Nebensache behan¬
delt worden. Vergessen Sie nicht, daß ein Wiener nie über diesen
Punkt ganz hinwegstreift. Witz und selbst barocker Scherz fehlten
auch nicht. Als lustige Person ex":v!l>>"i-e und im bessern Sinne
des Wortes muß ich hier den auch als lyrischen Local- und als dra¬
matischen Dichter bekannten Alexander Vaumann erwähnen, den ich
als komisches Genie bezeichnen möchte und der nach meinem indivi¬
duellen Gefühle weit die sehr überschätzten patronirten Leistungen un¬
serer Wiener Komiker Scholz, Nestrvy u. s. w. hinter sich laßt, schon
dadurch, daß er die verschiedenartigsten Charaktere, den ungarischen
Patrioten, wie den schüchternen Schuljungen, den Stockengländcr wie
den Wiener Bruder Liederlich mit gleicher Virtuosität und sarkastischer
Scharfe reproducirt, leider aber in dieser Eigenschaft dem größern Pu-
blicum durch eine sogenannte höhere Stellung entrückt bleibt. Zur
Ergänzung nur noch, daß bei der ungezwungensten Fröhlichkeit ein
feines Gefühl des Allstandes und der Urbanität vorwaltete; so, als
ein berühmter auslanvischcr Schriftsteller, dem jedoch die Feder ungleich
besser als die Zunge zu Gebote steht, den Toast auf Uhland aus¬
brachte und hierzu der Einleitung des Schiller'schen "Ehret die Frauen
?c. ?c." zu bedürfen 'glaubte, die sattsam bekannten zwei Verse aber
viermal versetzte, bevor er sie herausgebracht, wurde kein lautes La¬
chen gehört, so viel Mühe es auch Manchem kosten mochte, ernsthaft


An Täuschungen, Leichtsinn und Liebe
Das, glaub' nur, haben wir genug,
Und wer ist unter uns, der schriebe
Gewissenhaft sein Tagebuch.
An einem ducht'gar deutschen Krieger
Kaum Einer ward von uns bestellt,
Doch jeder wäre gern ein Sieger
Wie Du auf jener Bretterwelt.
Und jedes Herz ist unsers Gastes
Und seiner andern Thaten voll,
Ist Dir, blick her, ein wohloerfaßtes
Getreues Liebesprorokoll.
Zweckessen sind nicht ganz geheuer,
Wo man Champagner trinkt und spricht,
Auch dies liier ist ein Abenteuer,
Doch sicher unser letztes nicht.
Löwenthal.

ter Dessauer ein altes Soldatenlied von Ainkgreff vortrefflich für einen
Männerchor mit Trommelbegleitung gesetzt. So waren die drei von
der Concordia vertretenen Künste auch hier bestens repräsentirt und
das Zwecke sse n war auch nicht wie früher ganz als Nebensache behan¬
delt worden. Vergessen Sie nicht, daß ein Wiener nie über diesen
Punkt ganz hinwegstreift. Witz und selbst barocker Scherz fehlten
auch nicht. Als lustige Person ex«:v!l>>»i-e und im bessern Sinne
des Wortes muß ich hier den auch als lyrischen Local- und als dra¬
matischen Dichter bekannten Alexander Vaumann erwähnen, den ich
als komisches Genie bezeichnen möchte und der nach meinem indivi¬
duellen Gefühle weit die sehr überschätzten patronirten Leistungen un¬
serer Wiener Komiker Scholz, Nestrvy u. s. w. hinter sich laßt, schon
dadurch, daß er die verschiedenartigsten Charaktere, den ungarischen
Patrioten, wie den schüchternen Schuljungen, den Stockengländcr wie
den Wiener Bruder Liederlich mit gleicher Virtuosität und sarkastischer
Scharfe reproducirt, leider aber in dieser Eigenschaft dem größern Pu-
blicum durch eine sogenannte höhere Stellung entrückt bleibt. Zur
Ergänzung nur noch, daß bei der ungezwungensten Fröhlichkeit ein
feines Gefühl des Allstandes und der Urbanität vorwaltete; so, als
ein berühmter auslanvischcr Schriftsteller, dem jedoch die Feder ungleich
besser als die Zunge zu Gebote steht, den Toast auf Uhland aus¬
brachte und hierzu der Einleitung des Schiller'schen „Ehret die Frauen
?c. ?c." zu bedürfen 'glaubte, die sattsam bekannten zwei Verse aber
viermal versetzte, bevor er sie herausgebracht, wurde kein lautes La¬
chen gehört, so viel Mühe es auch Manchem kosten mochte, ernsthaft


An Täuschungen, Leichtsinn und Liebe
Das, glaub' nur, haben wir genug,
Und wer ist unter uns, der schriebe
Gewissenhaft sein Tagebuch.
An einem ducht'gar deutschen Krieger
Kaum Einer ward von uns bestellt,
Doch jeder wäre gern ein Sieger
Wie Du auf jener Bretterwelt.
Und jedes Herz ist unsers Gastes
Und seiner andern Thaten voll,
Ist Dir, blick her, ein wohloerfaßtes
Getreues Liebesprorokoll.
Zweckessen sind nicht ganz geheuer,
Wo man Champagner trinkt und spricht,
Auch dies liier ist ein Abenteuer,
Doch sicher unser letztes nicht.
Löwenthal.
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[0244] ter Dessauer ein altes Soldatenlied von Ainkgreff vortrefflich für einen Männerchor mit Trommelbegleitung gesetzt. So waren die drei von der Concordia vertretenen Künste auch hier bestens repräsentirt und das Zwecke sse n war auch nicht wie früher ganz als Nebensache behan¬ delt worden. Vergessen Sie nicht, daß ein Wiener nie über diesen Punkt ganz hinwegstreift. Witz und selbst barocker Scherz fehlten auch nicht. Als lustige Person ex«:v!l>>»i-e und im bessern Sinne des Wortes muß ich hier den auch als lyrischen Local- und als dra¬ matischen Dichter bekannten Alexander Vaumann erwähnen, den ich als komisches Genie bezeichnen möchte und der nach meinem indivi¬ duellen Gefühle weit die sehr überschätzten patronirten Leistungen un¬ serer Wiener Komiker Scholz, Nestrvy u. s. w. hinter sich laßt, schon dadurch, daß er die verschiedenartigsten Charaktere, den ungarischen Patrioten, wie den schüchternen Schuljungen, den Stockengländcr wie den Wiener Bruder Liederlich mit gleicher Virtuosität und sarkastischer Scharfe reproducirt, leider aber in dieser Eigenschaft dem größern Pu- blicum durch eine sogenannte höhere Stellung entrückt bleibt. Zur Ergänzung nur noch, daß bei der ungezwungensten Fröhlichkeit ein feines Gefühl des Allstandes und der Urbanität vorwaltete; so, als ein berühmter auslanvischcr Schriftsteller, dem jedoch die Feder ungleich besser als die Zunge zu Gebote steht, den Toast auf Uhland aus¬ brachte und hierzu der Einleitung des Schiller'schen „Ehret die Frauen ?c. ?c." zu bedürfen 'glaubte, die sattsam bekannten zwei Verse aber viermal versetzte, bevor er sie herausgebracht, wurde kein lautes La¬ chen gehört, so viel Mühe es auch Manchem kosten mochte, ernsthaft An Täuschungen, Leichtsinn und Liebe Das, glaub' nur, haben wir genug, Und wer ist unter uns, der schriebe Gewissenhaft sein Tagebuch. An einem ducht'gar deutschen Krieger Kaum Einer ward von uns bestellt, Doch jeder wäre gern ein Sieger Wie Du auf jener Bretterwelt. Und jedes Herz ist unsers Gastes Und seiner andern Thaten voll, Ist Dir, blick her, ein wohloerfaßtes Getreues Liebesprorokoll. Zweckessen sind nicht ganz geheuer, Wo man Champagner trinkt und spricht, Auch dies liier ist ein Abenteuer, Doch sicher unser letztes nicht. Löwenthal.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/244>, abgerufen am 22.07.2024.