Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

legenheiten sind noch sehr verwirrt. Doch du erzählst mir blos von
drei Revolutionen. Was ist aus den andern geworden? Du hast
vor Kurzem geprahlt, daß du in Deutschland allein fünf oder sechs
angesponnen?

-- Sie sind nicht gelungen, Ew. Finsterniß.

-- Warum das?

-- Was soll ich mit den Deutschen machen, da eS durchaus
keine Möglichkeit gibt, sie in Bewegung zu setzen!.... Geruhen Ew.
Finsterniß zu bemerken: Da habe ich einige Dutzend revolutionäre
Proclamationen und aufwieglerische Reden noch vom Hambacher
Feste her; hier ist auch ein vollständiges Exemplar der Zeitung: Die
deutsche Tribune. Ich habe sie in allen deutschen Staaten aus"
gestreuet, doch die Deutschen lesen sie mit derselben Kaltblütigkeit,
mit der sie Bier trinken und einen Walzer nach der Melodie: mein
lieber Augustin tanzen. Einigenärrische Studenten und überspannte
Doktoren der Rechte schreien, predigen, schwärmen; doch dies bleibt
ohne alle Wirkung auf'ö Volk. Ich habe diese Deutschen schon satt;
ich versichere Ew. Finsterniß, daß wir aus ihnen nie was Rechtes
machen. Sie sind nicht ein Mal ordentliche Verdammte: bei ihrer
ungeheuern Kälte reichen alle höllischen Flammen nicht hin, sie zu
erwärmen, geschweige, wie sich's gehört, zu braten.

-- Was hast du aber in Italien angestiftet? Ich habe dir
ja befohlen, den Kirchenstaat besonders auf's Korn zu nehmen?

-- Ich war thätig genug, aber Alles umsonst. Die Italiener
sind wie die alten Weiber. Heute entschließen sie sich, die alten
Römer durch ihre Heldenthaten zu übertreffen, morgen gefällt's Ew.
Finsterniß.... mit Erlaubniß zu melden.... zu husten, und aus
Furcht vor einem Erdbeben laufen sie nun zu ihren Kapuzinern und
beichten Alles -- und werden eingesperrt. Rom selbst darf ich mich
nicht nahen. Noch im fünften Jahrhunderte wurde mit uns ein
Vertrag abgeschlossen, der auf einer Stierhaut geschrieben, in der
Vatikansbibliothek unter den geheimen Dokumenten aufbewahrt wird:
vermöge dieses Vertrages dürfen die Teufel sich Rom zehn Meilen
im Umfange nicht nähern.

-- Ausflüchte, Nichts als Ausflüchte. Deine Trägheit ist daran
schuld, daß nun die Teufel allein ihre Verträge halten. Wie sieht's
in England aus?


legenheiten sind noch sehr verwirrt. Doch du erzählst mir blos von
drei Revolutionen. Was ist aus den andern geworden? Du hast
vor Kurzem geprahlt, daß du in Deutschland allein fünf oder sechs
angesponnen?

— Sie sind nicht gelungen, Ew. Finsterniß.

— Warum das?

— Was soll ich mit den Deutschen machen, da eS durchaus
keine Möglichkeit gibt, sie in Bewegung zu setzen!.... Geruhen Ew.
Finsterniß zu bemerken: Da habe ich einige Dutzend revolutionäre
Proclamationen und aufwieglerische Reden noch vom Hambacher
Feste her; hier ist auch ein vollständiges Exemplar der Zeitung: Die
deutsche Tribune. Ich habe sie in allen deutschen Staaten aus«
gestreuet, doch die Deutschen lesen sie mit derselben Kaltblütigkeit,
mit der sie Bier trinken und einen Walzer nach der Melodie: mein
lieber Augustin tanzen. Einigenärrische Studenten und überspannte
Doktoren der Rechte schreien, predigen, schwärmen; doch dies bleibt
ohne alle Wirkung auf'ö Volk. Ich habe diese Deutschen schon satt;
ich versichere Ew. Finsterniß, daß wir aus ihnen nie was Rechtes
machen. Sie sind nicht ein Mal ordentliche Verdammte: bei ihrer
ungeheuern Kälte reichen alle höllischen Flammen nicht hin, sie zu
erwärmen, geschweige, wie sich's gehört, zu braten.

— Was hast du aber in Italien angestiftet? Ich habe dir
ja befohlen, den Kirchenstaat besonders auf's Korn zu nehmen?

— Ich war thätig genug, aber Alles umsonst. Die Italiener
sind wie die alten Weiber. Heute entschließen sie sich, die alten
Römer durch ihre Heldenthaten zu übertreffen, morgen gefällt's Ew.
Finsterniß.... mit Erlaubniß zu melden.... zu husten, und aus
Furcht vor einem Erdbeben laufen sie nun zu ihren Kapuzinern und
beichten Alles — und werden eingesperrt. Rom selbst darf ich mich
nicht nahen. Noch im fünften Jahrhunderte wurde mit uns ein
Vertrag abgeschlossen, der auf einer Stierhaut geschrieben, in der
Vatikansbibliothek unter den geheimen Dokumenten aufbewahrt wird:
vermöge dieses Vertrages dürfen die Teufel sich Rom zehn Meilen
im Umfange nicht nähern.

— Ausflüchte, Nichts als Ausflüchte. Deine Trägheit ist daran
schuld, daß nun die Teufel allein ihre Verträge halten. Wie sieht's
in England aus?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269647"/>
          <p xml:id="ID_647" prev="#ID_646"> legenheiten sind noch sehr verwirrt. Doch du erzählst mir blos von<lb/>
drei Revolutionen. Was ist aus den andern geworden? Du hast<lb/>
vor Kurzem geprahlt, daß du in Deutschland allein fünf oder sechs<lb/>
angesponnen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_648"> &#x2014; Sie sind nicht gelungen, Ew. Finsterniß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_649"> &#x2014; Warum das?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_650"> &#x2014; Was soll ich mit den Deutschen machen, da eS durchaus<lb/>
keine Möglichkeit gibt, sie in Bewegung zu setzen!.... Geruhen Ew.<lb/>
Finsterniß zu bemerken: Da habe ich einige Dutzend revolutionäre<lb/>
Proclamationen und aufwieglerische Reden noch vom Hambacher<lb/>
Feste her; hier ist auch ein vollständiges Exemplar der Zeitung: Die<lb/>
deutsche Tribune. Ich habe sie in allen deutschen Staaten aus«<lb/>
gestreuet, doch die Deutschen lesen sie mit derselben Kaltblütigkeit,<lb/>
mit der sie Bier trinken und einen Walzer nach der Melodie: mein<lb/>
lieber Augustin tanzen. Einigenärrische Studenten und überspannte<lb/>
Doktoren der Rechte schreien, predigen, schwärmen; doch dies bleibt<lb/>
ohne alle Wirkung auf'ö Volk. Ich habe diese Deutschen schon satt;<lb/>
ich versichere Ew. Finsterniß, daß wir aus ihnen nie was Rechtes<lb/>
machen. Sie sind nicht ein Mal ordentliche Verdammte: bei ihrer<lb/>
ungeheuern Kälte reichen alle höllischen Flammen nicht hin, sie zu<lb/>
erwärmen, geschweige, wie sich's gehört, zu braten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_651"> &#x2014; Was hast du aber in Italien angestiftet? Ich habe dir<lb/>
ja befohlen, den Kirchenstaat besonders auf's Korn zu nehmen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_652"> &#x2014; Ich war thätig genug, aber Alles umsonst. Die Italiener<lb/>
sind wie die alten Weiber. Heute entschließen sie sich, die alten<lb/>
Römer durch ihre Heldenthaten zu übertreffen, morgen gefällt's Ew.<lb/>
Finsterniß.... mit Erlaubniß zu melden.... zu husten, und aus<lb/>
Furcht vor einem Erdbeben laufen sie nun zu ihren Kapuzinern und<lb/>
beichten Alles &#x2014; und werden eingesperrt. Rom selbst darf ich mich<lb/>
nicht nahen. Noch im fünften Jahrhunderte wurde mit uns ein<lb/>
Vertrag abgeschlossen, der auf einer Stierhaut geschrieben, in der<lb/>
Vatikansbibliothek unter den geheimen Dokumenten aufbewahrt wird:<lb/>
vermöge dieses Vertrages dürfen die Teufel sich Rom zehn Meilen<lb/>
im Umfange nicht nähern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_653"> &#x2014; Ausflüchte, Nichts als Ausflüchte. Deine Trägheit ist daran<lb/>
schuld, daß nun die Teufel allein ihre Verträge halten. Wie sieht's<lb/>
in England aus?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0230] legenheiten sind noch sehr verwirrt. Doch du erzählst mir blos von drei Revolutionen. Was ist aus den andern geworden? Du hast vor Kurzem geprahlt, daß du in Deutschland allein fünf oder sechs angesponnen? — Sie sind nicht gelungen, Ew. Finsterniß. — Warum das? — Was soll ich mit den Deutschen machen, da eS durchaus keine Möglichkeit gibt, sie in Bewegung zu setzen!.... Geruhen Ew. Finsterniß zu bemerken: Da habe ich einige Dutzend revolutionäre Proclamationen und aufwieglerische Reden noch vom Hambacher Feste her; hier ist auch ein vollständiges Exemplar der Zeitung: Die deutsche Tribune. Ich habe sie in allen deutschen Staaten aus« gestreuet, doch die Deutschen lesen sie mit derselben Kaltblütigkeit, mit der sie Bier trinken und einen Walzer nach der Melodie: mein lieber Augustin tanzen. Einigenärrische Studenten und überspannte Doktoren der Rechte schreien, predigen, schwärmen; doch dies bleibt ohne alle Wirkung auf'ö Volk. Ich habe diese Deutschen schon satt; ich versichere Ew. Finsterniß, daß wir aus ihnen nie was Rechtes machen. Sie sind nicht ein Mal ordentliche Verdammte: bei ihrer ungeheuern Kälte reichen alle höllischen Flammen nicht hin, sie zu erwärmen, geschweige, wie sich's gehört, zu braten. — Was hast du aber in Italien angestiftet? Ich habe dir ja befohlen, den Kirchenstaat besonders auf's Korn zu nehmen? — Ich war thätig genug, aber Alles umsonst. Die Italiener sind wie die alten Weiber. Heute entschließen sie sich, die alten Römer durch ihre Heldenthaten zu übertreffen, morgen gefällt's Ew. Finsterniß.... mit Erlaubniß zu melden.... zu husten, und aus Furcht vor einem Erdbeben laufen sie nun zu ihren Kapuzinern und beichten Alles — und werden eingesperrt. Rom selbst darf ich mich nicht nahen. Noch im fünften Jahrhunderte wurde mit uns ein Vertrag abgeschlossen, der auf einer Stierhaut geschrieben, in der Vatikansbibliothek unter den geheimen Dokumenten aufbewahrt wird: vermöge dieses Vertrages dürfen die Teufel sich Rom zehn Meilen im Umfange nicht nähern. — Ausflüchte, Nichts als Ausflüchte. Deine Trägheit ist daran schuld, daß nun die Teufel allein ihre Verträge halten. Wie sieht's in England aus?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/230
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/230>, abgerufen am 23.07.2024.