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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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-- und legte eS in die Urne; goß dann darauf aus einem Kessel
reines SmolenSker Pech, das er statt des Kaffees brauchte, und aus
dem zweiten Vitriolöl, das statt der Sahne dient. Dann steckte er
seinen Niesenarm in'ö Faß, um sich Zwieback herauszuholen. Doch
auch dieser ist in der Hölle ganz anders beschaffen: bei uns
gebacken, dort gedruckt. Zu seinein Hollenkaffee liebt Satanas, der
ein gar feiner Gastronom ist, unsere unglücklichen prosaischen und poe¬
tischen Werke zu verzehren, Bücher in allen Formaten, aus allen Fä¬
chern des Wissens, Psychologien und Encyklopädien, Forschungen,
die nichts Neues bringen, Geschichte, die keine Thatsachen erzählt,
Beurtheilungen, die Nichts motiviren, -- besonders aber Poeme, be¬
schreibende, erzählende, moralische u. s. w. Er bemerkte übrigens seit
einiger Zeit, daß diese Erzeugnisse seinen Magen sehr beschweren,
und befahl, ihm zum Frühstück von nun an nur nach dem letzten
Geschmack geschriebene historische Zeitgemälde und Romane aufzutischen,
da letztere bei weitem leichter zu verdauen, besonders der vielen leeren
Seiten und Vignetten wegen. Diese Gattung Zwieback hat ihm sein
Leibarzt, der Doctor der Med. und Chirurgie, Herr von Hippokrates,
verschrieben, ein gar gelehrter Verbannter, der es ihm klar bewiesen,
daß in der heutigen Trüffel- und Revolutionszeit ein guter Magen
eine gar herrliche Sache sei.

Satanas nahm aus dem Fasse vier gut gebundene Bände, die
den Anschein hatten, schmackhaft zu sein, tauchte sie in seinen Kaffee,
verschlang sie -- und runzelte fürchterlich die Stirne.

-- Wo ist der Teufelsherr von Ausgabe? fragte er höchst er¬
zürnt.

Alsogleich sprang aus der Masse ein Geist von langem Wuchse
hervor, dick, fett und roth, in einem alten dreieckigen Hut, und machte
eine tiefe Verbeugung. Es war der Bibliothekar, ein ungeheuer
gelehrter Teufel, ein früherer deutscher Gelehrter, der die Titel aller
Werke auswendig wußte, ohne zu stocken alle Ausgaben eines jeden
hersagte, auf ein Haar die Seitenzahl angab, und den Inhalt als unnütz
verachtete, mit Ausnahme der Druckfehler, die er allein berücksichtigte
und über welche er tiefsinnige Forschungen angestellt hatte.

-- Taugenichts, was hast du mir da für Zwieback geschickt?
schrie Satanas, er ist so hart wie Holz.

-- Euere Finsterniß! antwortete der erschrockene Bibliothekar,


— und legte eS in die Urne; goß dann darauf aus einem Kessel
reines SmolenSker Pech, das er statt des Kaffees brauchte, und aus
dem zweiten Vitriolöl, das statt der Sahne dient. Dann steckte er
seinen Niesenarm in'ö Faß, um sich Zwieback herauszuholen. Doch
auch dieser ist in der Hölle ganz anders beschaffen: bei uns
gebacken, dort gedruckt. Zu seinein Hollenkaffee liebt Satanas, der
ein gar feiner Gastronom ist, unsere unglücklichen prosaischen und poe¬
tischen Werke zu verzehren, Bücher in allen Formaten, aus allen Fä¬
chern des Wissens, Psychologien und Encyklopädien, Forschungen,
die nichts Neues bringen, Geschichte, die keine Thatsachen erzählt,
Beurtheilungen, die Nichts motiviren, — besonders aber Poeme, be¬
schreibende, erzählende, moralische u. s. w. Er bemerkte übrigens seit
einiger Zeit, daß diese Erzeugnisse seinen Magen sehr beschweren,
und befahl, ihm zum Frühstück von nun an nur nach dem letzten
Geschmack geschriebene historische Zeitgemälde und Romane aufzutischen,
da letztere bei weitem leichter zu verdauen, besonders der vielen leeren
Seiten und Vignetten wegen. Diese Gattung Zwieback hat ihm sein
Leibarzt, der Doctor der Med. und Chirurgie, Herr von Hippokrates,
verschrieben, ein gar gelehrter Verbannter, der es ihm klar bewiesen,
daß in der heutigen Trüffel- und Revolutionszeit ein guter Magen
eine gar herrliche Sache sei.

Satanas nahm aus dem Fasse vier gut gebundene Bände, die
den Anschein hatten, schmackhaft zu sein, tauchte sie in seinen Kaffee,
verschlang sie — und runzelte fürchterlich die Stirne.

— Wo ist der Teufelsherr von Ausgabe? fragte er höchst er¬
zürnt.

Alsogleich sprang aus der Masse ein Geist von langem Wuchse
hervor, dick, fett und roth, in einem alten dreieckigen Hut, und machte
eine tiefe Verbeugung. Es war der Bibliothekar, ein ungeheuer
gelehrter Teufel, ein früherer deutscher Gelehrter, der die Titel aller
Werke auswendig wußte, ohne zu stocken alle Ausgaben eines jeden
hersagte, auf ein Haar die Seitenzahl angab, und den Inhalt als unnütz
verachtete, mit Ausnahme der Druckfehler, die er allein berücksichtigte
und über welche er tiefsinnige Forschungen angestellt hatte.

— Taugenichts, was hast du mir da für Zwieback geschickt?
schrie Satanas, er ist so hart wie Holz.

— Euere Finsterniß! antwortete der erschrockene Bibliothekar,


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[0223] — und legte eS in die Urne; goß dann darauf aus einem Kessel reines SmolenSker Pech, das er statt des Kaffees brauchte, und aus dem zweiten Vitriolöl, das statt der Sahne dient. Dann steckte er seinen Niesenarm in'ö Faß, um sich Zwieback herauszuholen. Doch auch dieser ist in der Hölle ganz anders beschaffen: bei uns gebacken, dort gedruckt. Zu seinein Hollenkaffee liebt Satanas, der ein gar feiner Gastronom ist, unsere unglücklichen prosaischen und poe¬ tischen Werke zu verzehren, Bücher in allen Formaten, aus allen Fä¬ chern des Wissens, Psychologien und Encyklopädien, Forschungen, die nichts Neues bringen, Geschichte, die keine Thatsachen erzählt, Beurtheilungen, die Nichts motiviren, — besonders aber Poeme, be¬ schreibende, erzählende, moralische u. s. w. Er bemerkte übrigens seit einiger Zeit, daß diese Erzeugnisse seinen Magen sehr beschweren, und befahl, ihm zum Frühstück von nun an nur nach dem letzten Geschmack geschriebene historische Zeitgemälde und Romane aufzutischen, da letztere bei weitem leichter zu verdauen, besonders der vielen leeren Seiten und Vignetten wegen. Diese Gattung Zwieback hat ihm sein Leibarzt, der Doctor der Med. und Chirurgie, Herr von Hippokrates, verschrieben, ein gar gelehrter Verbannter, der es ihm klar bewiesen, daß in der heutigen Trüffel- und Revolutionszeit ein guter Magen eine gar herrliche Sache sei. Satanas nahm aus dem Fasse vier gut gebundene Bände, die den Anschein hatten, schmackhaft zu sein, tauchte sie in seinen Kaffee, verschlang sie — und runzelte fürchterlich die Stirne. — Wo ist der Teufelsherr von Ausgabe? fragte er höchst er¬ zürnt. Alsogleich sprang aus der Masse ein Geist von langem Wuchse hervor, dick, fett und roth, in einem alten dreieckigen Hut, und machte eine tiefe Verbeugung. Es war der Bibliothekar, ein ungeheuer gelehrter Teufel, ein früherer deutscher Gelehrter, der die Titel aller Werke auswendig wußte, ohne zu stocken alle Ausgaben eines jeden hersagte, auf ein Haar die Seitenzahl angab, und den Inhalt als unnütz verachtete, mit Ausnahme der Druckfehler, die er allein berücksichtigte und über welche er tiefsinnige Forschungen angestellt hatte. — Taugenichts, was hast du mir da für Zwieback geschickt? schrie Satanas, er ist so hart wie Holz. — Euere Finsterniß! antwortete der erschrockene Bibliothekar,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/223>, abgerufen am 22.07.2024.