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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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in diesem Sinn, die Deutschen experimentiren freilich noch hin und
her und suchen erst nach dem richtigen Wege, der sie in das gelobte
Land führen könne. Daß sie mit Muth und unermüdlicher Ausdauer
nach dem richtigen Wege suchen und in diesem Zickzack ihrer Thä¬
tigkeit einzelnes Außerordentliche geleistet haben, wird ihnen Niemand
bestreikn wollen noch können.

Haben so die alten Schyren-Wittelsbacher, die directen Kaiser¬
sprossen, der Kunst stets ein pflegevätcrliches Auge zugewendet, so
war dies noch mehr der Fall, als im Jahre 1777 mit Karl Theo¬
dor das pfälzische Haus Birkenfcld-Zweibrücken, das seinen Ursprung
auf Kaiser Ludwigs Bruder Rudolph zurückführt, zur kurfürstlichen
Würde in Baiern gelangte. Hierdurch erhielt München seinen An¬
spruch auf die berühmte düsseldorfer Galerie, welche von dem Kur¬
fürsten Johann Wilhelm von der Pfalz gestiftet worden war. Später
wurde auch dieser Anspruch durchgesetzt und so die Münchner Galerie
mit einer großen Zahl unschätzbarer Rubens vermehrt, denen durch
Heinse's feurige Beschreibungen auch eine luerarische Glorie zu Theil
geworden ist. Gleichen Anspruch erwarb München durch Karl Theodor
auch auf die Galerie von Zweibrücken und die von ihm selbst be¬
gründete Mannheimer Galerie. Der kunstliebende Karl Theodor,
der schon in der Pfalz fünfundzwanzig Millionen Gulden für Ver¬
schönerungen, Künste und Wissenschaften verwendet hatte, trug seine
Kunstpflege nun auf München über, vermehrte die Münchner und
Schleißheimer Kunstschätze, lichtete und erweiterte die Stadt, legte den
für München unschätzbaren englischen Garten an und verpflanzte die be¬
rühmte Marschand'sche Schauspielergesellschaft nach München, so daß
die bairische Hauptstadt nun ein Theater besaß, welches unter Babo'ö
Leitung mit jeder andern deutschen Bühne den Vergleich aushalten
konnte.

Sein Nachfolger, Maximilian IV- Joseph, seit I8V6 König
Marimilian Joseph I., jetzt noch seiner väterlichen und aufgeklärten
Regierung wegen ein Muster für alle Regenten, wandte zwar seinen
Schutz vor Allem der Pflege und Förderung der Humanität und
Toleranz und solchen praktischen und gemeinnützigen Anstalten zu,
welche, wie die von ihm gestifteten Kranken- und Waisenhäuser, der
botanische Garten, die Baugewerksschule, die polytechnische Sammlung,


in diesem Sinn, die Deutschen experimentiren freilich noch hin und
her und suchen erst nach dem richtigen Wege, der sie in das gelobte
Land führen könne. Daß sie mit Muth und unermüdlicher Ausdauer
nach dem richtigen Wege suchen und in diesem Zickzack ihrer Thä¬
tigkeit einzelnes Außerordentliche geleistet haben, wird ihnen Niemand
bestreikn wollen noch können.

Haben so die alten Schyren-Wittelsbacher, die directen Kaiser¬
sprossen, der Kunst stets ein pflegevätcrliches Auge zugewendet, so
war dies noch mehr der Fall, als im Jahre 1777 mit Karl Theo¬
dor das pfälzische Haus Birkenfcld-Zweibrücken, das seinen Ursprung
auf Kaiser Ludwigs Bruder Rudolph zurückführt, zur kurfürstlichen
Würde in Baiern gelangte. Hierdurch erhielt München seinen An¬
spruch auf die berühmte düsseldorfer Galerie, welche von dem Kur¬
fürsten Johann Wilhelm von der Pfalz gestiftet worden war. Später
wurde auch dieser Anspruch durchgesetzt und so die Münchner Galerie
mit einer großen Zahl unschätzbarer Rubens vermehrt, denen durch
Heinse's feurige Beschreibungen auch eine luerarische Glorie zu Theil
geworden ist. Gleichen Anspruch erwarb München durch Karl Theodor
auch auf die Galerie von Zweibrücken und die von ihm selbst be¬
gründete Mannheimer Galerie. Der kunstliebende Karl Theodor,
der schon in der Pfalz fünfundzwanzig Millionen Gulden für Ver¬
schönerungen, Künste und Wissenschaften verwendet hatte, trug seine
Kunstpflege nun auf München über, vermehrte die Münchner und
Schleißheimer Kunstschätze, lichtete und erweiterte die Stadt, legte den
für München unschätzbaren englischen Garten an und verpflanzte die be¬
rühmte Marschand'sche Schauspielergesellschaft nach München, so daß
die bairische Hauptstadt nun ein Theater besaß, welches unter Babo'ö
Leitung mit jeder andern deutschen Bühne den Vergleich aushalten
konnte.

Sein Nachfolger, Maximilian IV- Joseph, seit I8V6 König
Marimilian Joseph I., jetzt noch seiner väterlichen und aufgeklärten
Regierung wegen ein Muster für alle Regenten, wandte zwar seinen
Schutz vor Allem der Pflege und Förderung der Humanität und
Toleranz und solchen praktischen und gemeinnützigen Anstalten zu,
welche, wie die von ihm gestifteten Kranken- und Waisenhäuser, der
botanische Garten, die Baugewerksschule, die polytechnische Sammlung,


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[0218] in diesem Sinn, die Deutschen experimentiren freilich noch hin und her und suchen erst nach dem richtigen Wege, der sie in das gelobte Land führen könne. Daß sie mit Muth und unermüdlicher Ausdauer nach dem richtigen Wege suchen und in diesem Zickzack ihrer Thä¬ tigkeit einzelnes Außerordentliche geleistet haben, wird ihnen Niemand bestreikn wollen noch können. Haben so die alten Schyren-Wittelsbacher, die directen Kaiser¬ sprossen, der Kunst stets ein pflegevätcrliches Auge zugewendet, so war dies noch mehr der Fall, als im Jahre 1777 mit Karl Theo¬ dor das pfälzische Haus Birkenfcld-Zweibrücken, das seinen Ursprung auf Kaiser Ludwigs Bruder Rudolph zurückführt, zur kurfürstlichen Würde in Baiern gelangte. Hierdurch erhielt München seinen An¬ spruch auf die berühmte düsseldorfer Galerie, welche von dem Kur¬ fürsten Johann Wilhelm von der Pfalz gestiftet worden war. Später wurde auch dieser Anspruch durchgesetzt und so die Münchner Galerie mit einer großen Zahl unschätzbarer Rubens vermehrt, denen durch Heinse's feurige Beschreibungen auch eine luerarische Glorie zu Theil geworden ist. Gleichen Anspruch erwarb München durch Karl Theodor auch auf die Galerie von Zweibrücken und die von ihm selbst be¬ gründete Mannheimer Galerie. Der kunstliebende Karl Theodor, der schon in der Pfalz fünfundzwanzig Millionen Gulden für Ver¬ schönerungen, Künste und Wissenschaften verwendet hatte, trug seine Kunstpflege nun auf München über, vermehrte die Münchner und Schleißheimer Kunstschätze, lichtete und erweiterte die Stadt, legte den für München unschätzbaren englischen Garten an und verpflanzte die be¬ rühmte Marschand'sche Schauspielergesellschaft nach München, so daß die bairische Hauptstadt nun ein Theater besaß, welches unter Babo'ö Leitung mit jeder andern deutschen Bühne den Vergleich aushalten konnte. Sein Nachfolger, Maximilian IV- Joseph, seit I8V6 König Marimilian Joseph I., jetzt noch seiner väterlichen und aufgeklärten Regierung wegen ein Muster für alle Regenten, wandte zwar seinen Schutz vor Allem der Pflege und Förderung der Humanität und Toleranz und solchen praktischen und gemeinnützigen Anstalten zu, welche, wie die von ihm gestifteten Kranken- und Waisenhäuser, der botanische Garten, die Baugewerksschule, die polytechnische Sammlung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/218>, abgerufen am 26.06.2024.