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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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befindliches Altarwerk beweisen. Ueberall aber bekundet sich ein für
München charakteristisches strenges Festhalten an der traditionellen
Kirchensymbolik.

Manche Namen altmünchner Künstler sind bis auf uns gekom¬
men. So lesen wir, daß im Jahr 1437 Gabriel Angler als Maler
für die ältere Frauenkirche um sehr ansehnliches Honorar beschäftigt
war und sich die Farben und andere Materialien aus Venedig kom¬
men ließ; ferner malten für München und die Klosterkirchen in der
Umgegend im fünfzehnten Jahrhundert Johann Gleißmyller, Chunrad
Sachs, Ulrich Fütmer, auch als Dichter und Chronist bekannt, Ga-
briel Mächselkircher, der Hofmaler Hans von Olmdorf, Conrad
Zawnhack, eigentlich ein Büchsenmacher, Egidius Trautenwolf, wel¬
cher mehrere noch vorhandene schöne Glasgemälde für die Frauen¬
kirche fertigte, u. A,

Den Domen von Köln, Freiburg, Wien, Ulm, Regensburg,
Worms u. s. w. kann München freilich kein kirchliches Gebäude ent¬
gegenstellen, welches mit jenen concurriren könnte; doch fehlt es un¬
serer Dom- und Metropolitankirche, oder der Kirche zu Unserer Lie¬
ben Frau, deren Bau von 1466 bis 1486 dauerte, weder an ma¬
terieller Große im Aeußeren, noch an Erhabenheit, Würde und Pracht
im Innern. An Dimension, Höhe der Mauern, der Fenster u. s. w.
übertrifft sie sogar die meisten der eben genannten Dome. Man
möchte sagen, daß sich schon in ihrem Aeußeren der Charakter der
Münchner wiederspiegelt: nachhaltige Dauer, Festigkeit, Entschieden¬
heit, Tüchtigkeit und stoffliche Gediegenheit, bei Vermeidring aller
anmuthigen Ornamente, aller sonst bei gothischen Bauten gewöhnli¬
chen Durchbrechungen, Bildhauerarbeiten, Thürmchen, Galerien, kurz
aller Zierrathen, welche dazu dienen, das Mässige in ein leichtes
Spiel mannichfach wechselnder und anmuthiger Formen aufgehen zu
lassen. Die Wände, die Thürme, durch Zeit und Witterung schwärz¬
lich braun gefärbt, steigen schroff und nackt auf wie Felsmassen, und
selbst auf die beiden Thürme, welche sich der ursprünglichen Anlage



*) Wer sich über die ältere und neuere Kunstgeschichte Münchens aus¬
führlicher belehren lassen will, dem dürfte eine neue im Druck befindliche Be¬
schreibung Münchens, von mir und meinem Bruder Rudolph verfaßt, zu em¬
pfehlen sein. Sie enthält das Gewünschte in einem Abschnitt: "Grundzüge
zu einer Kunstgeschichte Münchens" und beruht auf Autopsie und gründlichen
Forschungen, die mein Bruder hier und in der Umgegend angestellt hat.

befindliches Altarwerk beweisen. Ueberall aber bekundet sich ein für
München charakteristisches strenges Festhalten an der traditionellen
Kirchensymbolik.

Manche Namen altmünchner Künstler sind bis auf uns gekom¬
men. So lesen wir, daß im Jahr 1437 Gabriel Angler als Maler
für die ältere Frauenkirche um sehr ansehnliches Honorar beschäftigt
war und sich die Farben und andere Materialien aus Venedig kom¬
men ließ; ferner malten für München und die Klosterkirchen in der
Umgegend im fünfzehnten Jahrhundert Johann Gleißmyller, Chunrad
Sachs, Ulrich Fütmer, auch als Dichter und Chronist bekannt, Ga-
briel Mächselkircher, der Hofmaler Hans von Olmdorf, Conrad
Zawnhack, eigentlich ein Büchsenmacher, Egidius Trautenwolf, wel¬
cher mehrere noch vorhandene schöne Glasgemälde für die Frauen¬
kirche fertigte, u. A,

Den Domen von Köln, Freiburg, Wien, Ulm, Regensburg,
Worms u. s. w. kann München freilich kein kirchliches Gebäude ent¬
gegenstellen, welches mit jenen concurriren könnte; doch fehlt es un¬
serer Dom- und Metropolitankirche, oder der Kirche zu Unserer Lie¬
ben Frau, deren Bau von 1466 bis 1486 dauerte, weder an ma¬
terieller Große im Aeußeren, noch an Erhabenheit, Würde und Pracht
im Innern. An Dimension, Höhe der Mauern, der Fenster u. s. w.
übertrifft sie sogar die meisten der eben genannten Dome. Man
möchte sagen, daß sich schon in ihrem Aeußeren der Charakter der
Münchner wiederspiegelt: nachhaltige Dauer, Festigkeit, Entschieden¬
heit, Tüchtigkeit und stoffliche Gediegenheit, bei Vermeidring aller
anmuthigen Ornamente, aller sonst bei gothischen Bauten gewöhnli¬
chen Durchbrechungen, Bildhauerarbeiten, Thürmchen, Galerien, kurz
aller Zierrathen, welche dazu dienen, das Mässige in ein leichtes
Spiel mannichfach wechselnder und anmuthiger Formen aufgehen zu
lassen. Die Wände, die Thürme, durch Zeit und Witterung schwärz¬
lich braun gefärbt, steigen schroff und nackt auf wie Felsmassen, und
selbst auf die beiden Thürme, welche sich der ursprünglichen Anlage



*) Wer sich über die ältere und neuere Kunstgeschichte Münchens aus¬
führlicher belehren lassen will, dem dürfte eine neue im Druck befindliche Be¬
schreibung Münchens, von mir und meinem Bruder Rudolph verfaßt, zu em¬
pfehlen sein. Sie enthält das Gewünschte in einem Abschnitt: „Grundzüge
zu einer Kunstgeschichte Münchens" und beruht auf Autopsie und gründlichen
Forschungen, die mein Bruder hier und in der Umgegend angestellt hat.
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[0208] befindliches Altarwerk beweisen. Ueberall aber bekundet sich ein für München charakteristisches strenges Festhalten an der traditionellen Kirchensymbolik. Manche Namen altmünchner Künstler sind bis auf uns gekom¬ men. So lesen wir, daß im Jahr 1437 Gabriel Angler als Maler für die ältere Frauenkirche um sehr ansehnliches Honorar beschäftigt war und sich die Farben und andere Materialien aus Venedig kom¬ men ließ; ferner malten für München und die Klosterkirchen in der Umgegend im fünfzehnten Jahrhundert Johann Gleißmyller, Chunrad Sachs, Ulrich Fütmer, auch als Dichter und Chronist bekannt, Ga- briel Mächselkircher, der Hofmaler Hans von Olmdorf, Conrad Zawnhack, eigentlich ein Büchsenmacher, Egidius Trautenwolf, wel¬ cher mehrere noch vorhandene schöne Glasgemälde für die Frauen¬ kirche fertigte, u. A, Den Domen von Köln, Freiburg, Wien, Ulm, Regensburg, Worms u. s. w. kann München freilich kein kirchliches Gebäude ent¬ gegenstellen, welches mit jenen concurriren könnte; doch fehlt es un¬ serer Dom- und Metropolitankirche, oder der Kirche zu Unserer Lie¬ ben Frau, deren Bau von 1466 bis 1486 dauerte, weder an ma¬ terieller Große im Aeußeren, noch an Erhabenheit, Würde und Pracht im Innern. An Dimension, Höhe der Mauern, der Fenster u. s. w. übertrifft sie sogar die meisten der eben genannten Dome. Man möchte sagen, daß sich schon in ihrem Aeußeren der Charakter der Münchner wiederspiegelt: nachhaltige Dauer, Festigkeit, Entschieden¬ heit, Tüchtigkeit und stoffliche Gediegenheit, bei Vermeidring aller anmuthigen Ornamente, aller sonst bei gothischen Bauten gewöhnli¬ chen Durchbrechungen, Bildhauerarbeiten, Thürmchen, Galerien, kurz aller Zierrathen, welche dazu dienen, das Mässige in ein leichtes Spiel mannichfach wechselnder und anmuthiger Formen aufgehen zu lassen. Die Wände, die Thürme, durch Zeit und Witterung schwärz¬ lich braun gefärbt, steigen schroff und nackt auf wie Felsmassen, und selbst auf die beiden Thürme, welche sich der ursprünglichen Anlage *) Wer sich über die ältere und neuere Kunstgeschichte Münchens aus¬ führlicher belehren lassen will, dem dürfte eine neue im Druck befindliche Be¬ schreibung Münchens, von mir und meinem Bruder Rudolph verfaßt, zu em¬ pfehlen sein. Sie enthält das Gewünschte in einem Abschnitt: „Grundzüge zu einer Kunstgeschichte Münchens" und beruht auf Autopsie und gründlichen Forschungen, die mein Bruder hier und in der Umgegend angestellt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/208>, abgerufen am 23.07.2024.