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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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zu retten?" Statt Euere Beredsamkeit der Vischer's entgegenzusetzen,
möchtet Ihr ihm das Reden überhaupt verbieten lassen! -- Die Re¬
gierung von Würtemberg, namentlich der König, wird aber wohl
schwerlich von den Zeloten sich zu unnützen Maßregelungen hinreißen
lassen.

-- Ein Privatbrief aus Jassy bringt uns einige charakteristische
Details über die Zustande der Moldau, wo der russische Einfluß so
wohlthätig für Humanität und Civilisation wirkt. -- Das Volk selbst
ist jeder Verbesserung noch sehr abhold. Die Kuhpockenimpfung stößt
auf große Schwierigkeiten. Das Volk glaubt nämlich, die Knaben
würden dadurch blos zum künftigen Militärdienst gestempelt, die Mäd¬
chen aber gar dem Teufel verschrieben, -- Mit vieler Weisheit wußte
sich der Präsident des Divans (des obersten Gerichtshofes) aus einer
Verlegenheit zu ziehen, in welche ihn zwei Pcoceßführende brachten,
indem ihm der Eine zweihundert, der Andere dreihundertDukaten für seine
Stimme gab. Um Keinen zu kränken, nahm der Präsident beide Summen
und versprach Jedem seine Stimme. Vor der Abstimmung aber be¬
spricht er sich mit den Divansmitgliedcrn und schärft ihnen ein, sich
nicht nach seiner Stimme zu richten, sondern in Masse gegen ihn zu
stimmen. In der Sitzung wird sein Befehl befolgt und er, indem
er sich für den Dreihundertdukatigen zu "'reifern scheint, überschrien,
was er mit größtem Leidwesen seinem Clienten berichtet -- Unsere
Militärmusik ist nicht übel organisirt. Ein neuer, sehr strenger Oberst,
fragte neulich den Kapellmeister, warum die Oboisten so oft während
des Stückes ausruhen. Als Jener erwiederte, daß sie Pausen hätten,
rief der Obrist zornig: Was Pausen! Die Hunde sollen blasen, ich
brauche keine Pausen beim Regiment. -- Unlängst wurde das Fest
Sr. Heiligkeit, des Kaisers Nikolaus, wie gewöhnlich, auf das Pom¬
pöseste gefeiert. Se. Durchlaucht der Hospodar wurde von Herrn
v. Kotzebue sehr herablassend aufgenommen und sammt den Bojaren
und Staatsbeamten -- zum Handkuß gelassen. Abends war Illu¬
mination auf Befehl. Ein Gewürzkrämer hing sein Lichtlein an einer
aufgeblähten Schweinsblase vor seine Bude, Andere stellten, wie in
den Romanen Walter Scott's die Lehensleute, lebendige Leuchter dar,
indem sie mit brennenden Holzspähnen vor die Hausthür traten und
stehen blieben, bis sie verglimmt waren. Als die Gemahlin des Hos¬
podars entbunden wurde, befahl dieser sämmtlichen Juden von Jassy,
ordentlich zu illuminiren, sonst - - !




Verlag von Fr. Llldw. Heri'ig. -- Redacteur I. Kuranda,
Druck von Friedrich Andrä.

zu retten?" Statt Euere Beredsamkeit der Vischer's entgegenzusetzen,
möchtet Ihr ihm das Reden überhaupt verbieten lassen! — Die Re¬
gierung von Würtemberg, namentlich der König, wird aber wohl
schwerlich von den Zeloten sich zu unnützen Maßregelungen hinreißen
lassen.

— Ein Privatbrief aus Jassy bringt uns einige charakteristische
Details über die Zustande der Moldau, wo der russische Einfluß so
wohlthätig für Humanität und Civilisation wirkt. — Das Volk selbst
ist jeder Verbesserung noch sehr abhold. Die Kuhpockenimpfung stößt
auf große Schwierigkeiten. Das Volk glaubt nämlich, die Knaben
würden dadurch blos zum künftigen Militärdienst gestempelt, die Mäd¬
chen aber gar dem Teufel verschrieben, — Mit vieler Weisheit wußte
sich der Präsident des Divans (des obersten Gerichtshofes) aus einer
Verlegenheit zu ziehen, in welche ihn zwei Pcoceßführende brachten,
indem ihm der Eine zweihundert, der Andere dreihundertDukaten für seine
Stimme gab. Um Keinen zu kränken, nahm der Präsident beide Summen
und versprach Jedem seine Stimme. Vor der Abstimmung aber be¬
spricht er sich mit den Divansmitgliedcrn und schärft ihnen ein, sich
nicht nach seiner Stimme zu richten, sondern in Masse gegen ihn zu
stimmen. In der Sitzung wird sein Befehl befolgt und er, indem
er sich für den Dreihundertdukatigen zu »'reifern scheint, überschrien,
was er mit größtem Leidwesen seinem Clienten berichtet — Unsere
Militärmusik ist nicht übel organisirt. Ein neuer, sehr strenger Oberst,
fragte neulich den Kapellmeister, warum die Oboisten so oft während
des Stückes ausruhen. Als Jener erwiederte, daß sie Pausen hätten,
rief der Obrist zornig: Was Pausen! Die Hunde sollen blasen, ich
brauche keine Pausen beim Regiment. — Unlängst wurde das Fest
Sr. Heiligkeit, des Kaisers Nikolaus, wie gewöhnlich, auf das Pom¬
pöseste gefeiert. Se. Durchlaucht der Hospodar wurde von Herrn
v. Kotzebue sehr herablassend aufgenommen und sammt den Bojaren
und Staatsbeamten — zum Handkuß gelassen. Abends war Illu¬
mination auf Befehl. Ein Gewürzkrämer hing sein Lichtlein an einer
aufgeblähten Schweinsblase vor seine Bude, Andere stellten, wie in
den Romanen Walter Scott's die Lehensleute, lebendige Leuchter dar,
indem sie mit brennenden Holzspähnen vor die Hausthür traten und
stehen blieben, bis sie verglimmt waren. Als die Gemahlin des Hos¬
podars entbunden wurde, befahl dieser sämmtlichen Juden von Jassy,
ordentlich zu illuminiren, sonst - - !




Verlag von Fr. Llldw. Heri'ig. — Redacteur I. Kuranda,
Druck von Friedrich Andrä.
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[0202] zu retten?" Statt Euere Beredsamkeit der Vischer's entgegenzusetzen, möchtet Ihr ihm das Reden überhaupt verbieten lassen! — Die Re¬ gierung von Würtemberg, namentlich der König, wird aber wohl schwerlich von den Zeloten sich zu unnützen Maßregelungen hinreißen lassen. — Ein Privatbrief aus Jassy bringt uns einige charakteristische Details über die Zustande der Moldau, wo der russische Einfluß so wohlthätig für Humanität und Civilisation wirkt. — Das Volk selbst ist jeder Verbesserung noch sehr abhold. Die Kuhpockenimpfung stößt auf große Schwierigkeiten. Das Volk glaubt nämlich, die Knaben würden dadurch blos zum künftigen Militärdienst gestempelt, die Mäd¬ chen aber gar dem Teufel verschrieben, — Mit vieler Weisheit wußte sich der Präsident des Divans (des obersten Gerichtshofes) aus einer Verlegenheit zu ziehen, in welche ihn zwei Pcoceßführende brachten, indem ihm der Eine zweihundert, der Andere dreihundertDukaten für seine Stimme gab. Um Keinen zu kränken, nahm der Präsident beide Summen und versprach Jedem seine Stimme. Vor der Abstimmung aber be¬ spricht er sich mit den Divansmitgliedcrn und schärft ihnen ein, sich nicht nach seiner Stimme zu richten, sondern in Masse gegen ihn zu stimmen. In der Sitzung wird sein Befehl befolgt und er, indem er sich für den Dreihundertdukatigen zu »'reifern scheint, überschrien, was er mit größtem Leidwesen seinem Clienten berichtet — Unsere Militärmusik ist nicht übel organisirt. Ein neuer, sehr strenger Oberst, fragte neulich den Kapellmeister, warum die Oboisten so oft während des Stückes ausruhen. Als Jener erwiederte, daß sie Pausen hätten, rief der Obrist zornig: Was Pausen! Die Hunde sollen blasen, ich brauche keine Pausen beim Regiment. — Unlängst wurde das Fest Sr. Heiligkeit, des Kaisers Nikolaus, wie gewöhnlich, auf das Pom¬ pöseste gefeiert. Se. Durchlaucht der Hospodar wurde von Herrn v. Kotzebue sehr herablassend aufgenommen und sammt den Bojaren und Staatsbeamten — zum Handkuß gelassen. Abends war Illu¬ mination auf Befehl. Ein Gewürzkrämer hing sein Lichtlein an einer aufgeblähten Schweinsblase vor seine Bude, Andere stellten, wie in den Romanen Walter Scott's die Lehensleute, lebendige Leuchter dar, indem sie mit brennenden Holzspähnen vor die Hausthür traten und stehen blieben, bis sie verglimmt waren. Als die Gemahlin des Hos¬ podars entbunden wurde, befahl dieser sämmtlichen Juden von Jassy, ordentlich zu illuminiren, sonst - - ! Verlag von Fr. Llldw. Heri'ig. — Redacteur I. Kuranda, Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/202>, abgerufen am 22.07.2024.