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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ein sichres Unterkommen finden und darum setzt sich allmälig im Pu-
blicum der Glaube fest, man speculire dabei lediglich auf eine niedere
Frequenz der Staatseisenbahn, damit die Staatsverwaltung von die¬
sen Ergebnissen, welche als Anhaltspunkte für die Zukunft dienen sol¬
len, zurückgeschreckt, ja niemals den Gedanken fassen solle, die Regie
seiner Eisenwege selbst zu übernehmen. Es steht zu hoffen, daß die
Staatsverwaltung die bestehenden Mißlichkeiten bei Zeiten heben und
die Bedeutung ihres herrlichsten Werkes nicht durch persönliche Gelüste
entstellen lassen wird.

-- Wenn man dem bösen Leumund glauben darf, so war das
Debüt der königlich preußischen Corvette, Fraulein Amazone, auf der
Bühne des Weltmeers, kein sehr rühmliches. Das Wunderkind pro-
ducirte sich in allen Ecken der Windrose, tänzelte harmlos über die
Wellen zum Takte deutscher Flotten-Gedichte und seine niedliche Figur
ward von den bemoosten Leviathans im Norden und Westen mit auf¬
munternder Freundlichkeit begrüßt und beklatscht: aber als es einmal
zum Ernst kam, wo war da unsere tapfere Amazone? Sie hat, sagt
man, eine spanische Brigg, welche Nothsignale gab, im Stich gelassen;
das war kein Meisterstück. Ein dummer Streich ist aber die Entschul¬
digung, welche die Amazone jetzt für sich anführen laßt: sie habe das
spanische Schiff für einen Korsaren und die Nothsignale für eine List
gehalten. Und warum griff sie dann nicht frisch an? Gewiß nur aus
übel angebrachter Großmuth gegen den schwächeren Piraten (eine Brigg
ist bedeutend kleiner als eine Corvette); oder aus jungfräulicher Schüch¬
ternheit, -- selbst eine deutsche Amazone nämlich kann die Tugenden
der Weiblichkeit nicht ganz verläugnen.

-- Die Hoppofrage ist ohne einen Kanonenschuß glücklich gelöst
worden; rein auf diplomatischem Wege, in dem friedliebenden Sinn
unserer vorgeschrittenen Zeit. Der Schauspieler Hoppu hatte bekannt¬
lich seinen Contract mit dem Hoftheater von Braunschweig gebrochen,
war nach Berlin gekommen und dort von der k. Bühne engagirt wor¬
den. Darüber erhob das Herzogthum gegen das Königreich große Be¬
schwerde, wünschte dem Flüchtling einen permanenten Schnupfen,
drohte mit der öffentlichen Meinung und machte einen ernsthaften
Proceß anhängig. Wir standen wieder einmal am Vorabend großer
Ereignisse, denn man glaubte schon, der braunschweigische Gesandte in
Berlin werde seine Pässe verlangen. Es kam jedoch besser. Eine er¬
lauchte und hohe Person wandte sich in einer versöhnenden Privatnote
unmittelbar an den Herzog von Braunschweig, der sogleich den Proceß
niederschlagen ließ. Hopp>! ist für Berlin gerettet, ohne daß der innere
Friede Deutschlands getrübt oder der Bundestag aus seiner Ruhe ge¬
stört und zu einer Compctcnzerklärung gedrängt worden wäre.


ein sichres Unterkommen finden und darum setzt sich allmälig im Pu-
blicum der Glaube fest, man speculire dabei lediglich auf eine niedere
Frequenz der Staatseisenbahn, damit die Staatsverwaltung von die¬
sen Ergebnissen, welche als Anhaltspunkte für die Zukunft dienen sol¬
len, zurückgeschreckt, ja niemals den Gedanken fassen solle, die Regie
seiner Eisenwege selbst zu übernehmen. Es steht zu hoffen, daß die
Staatsverwaltung die bestehenden Mißlichkeiten bei Zeiten heben und
die Bedeutung ihres herrlichsten Werkes nicht durch persönliche Gelüste
entstellen lassen wird.

— Wenn man dem bösen Leumund glauben darf, so war das
Debüt der königlich preußischen Corvette, Fraulein Amazone, auf der
Bühne des Weltmeers, kein sehr rühmliches. Das Wunderkind pro-
ducirte sich in allen Ecken der Windrose, tänzelte harmlos über die
Wellen zum Takte deutscher Flotten-Gedichte und seine niedliche Figur
ward von den bemoosten Leviathans im Norden und Westen mit auf¬
munternder Freundlichkeit begrüßt und beklatscht: aber als es einmal
zum Ernst kam, wo war da unsere tapfere Amazone? Sie hat, sagt
man, eine spanische Brigg, welche Nothsignale gab, im Stich gelassen;
das war kein Meisterstück. Ein dummer Streich ist aber die Entschul¬
digung, welche die Amazone jetzt für sich anführen laßt: sie habe das
spanische Schiff für einen Korsaren und die Nothsignale für eine List
gehalten. Und warum griff sie dann nicht frisch an? Gewiß nur aus
übel angebrachter Großmuth gegen den schwächeren Piraten (eine Brigg
ist bedeutend kleiner als eine Corvette); oder aus jungfräulicher Schüch¬
ternheit, — selbst eine deutsche Amazone nämlich kann die Tugenden
der Weiblichkeit nicht ganz verläugnen.

— Die Hoppofrage ist ohne einen Kanonenschuß glücklich gelöst
worden; rein auf diplomatischem Wege, in dem friedliebenden Sinn
unserer vorgeschrittenen Zeit. Der Schauspieler Hoppu hatte bekannt¬
lich seinen Contract mit dem Hoftheater von Braunschweig gebrochen,
war nach Berlin gekommen und dort von der k. Bühne engagirt wor¬
den. Darüber erhob das Herzogthum gegen das Königreich große Be¬
schwerde, wünschte dem Flüchtling einen permanenten Schnupfen,
drohte mit der öffentlichen Meinung und machte einen ernsthaften
Proceß anhängig. Wir standen wieder einmal am Vorabend großer
Ereignisse, denn man glaubte schon, der braunschweigische Gesandte in
Berlin werde seine Pässe verlangen. Es kam jedoch besser. Eine er¬
lauchte und hohe Person wandte sich in einer versöhnenden Privatnote
unmittelbar an den Herzog von Braunschweig, der sogleich den Proceß
niederschlagen ließ. Hopp>! ist für Berlin gerettet, ohne daß der innere
Friede Deutschlands getrübt oder der Bundestag aus seiner Ruhe ge¬
stört und zu einer Compctcnzerklärung gedrängt worden wäre.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/198>, abgerufen am 22.07.2024.