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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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gerben Abend stattfinden werde. Manchen schien dieser Zeitraum für
individuelle Prüfung sehr spärlich gemessen, aber der Wunsch, endlich
zu einem thatsächlichen Resultate zu gelangen, überwog im Ganzen
die erhobenen Bedenken, und so fand denn gestern die Berathung
statt.

Das Local war ^ -rh^'l. um.in! -- ein Gesellschaststheater, das
man dazu gewählt hatte, weil die Börse vielleicht weder die Menge
fassen, noch auch solche Bequemlichkeit bieten konnte. Das Bild, wel¬
ches sich dem Eintretenden hier darbot, machte nothwendig einen ei¬
genthümlichen Eindruck. Auf der Bühne befand sich, deren ganze
Breite einnehmend, der grüne Tisch, an welchem das Comirv mit sei¬
nem Präsidenten Platz nahm; die Klingel des letzteren wurde durch
einen hölzernen Hammer vertreten, wie ihn hier gewöhnlich die Haus¬
frauen zum Auckerklopscn benutzen. In dem Orchester, den Logen,
dem Parquet und rings aus der Tribüne zerstreut saßen die Mitglie¬
der, meist in ihre Mäntel gehüllt und die Hüte in den Kopf gedrückt.
Handwecker habe ich unter ihnen wenig deine.le, die meisten waren
Literaten, Bürger, Beamte. Manche waren auch ohne alles Interesse,
oder nur aus dem der Neugierde da, sie affectirter wohl nur eine
Theilnahme für eine Sache, die sie als Mode betrachten und von der
sie kein Verständniß besitzen. In meiner Nähe befanden sich Leute,
die bei den heftigsten und wichtigsten Debatten gähnten oder gar schlie¬
fen. Ich bemerke dies keineswegs so obenhin zur oberflächlichen Skiz-
zicung, man wird sehen, welchen Einfluß die Schlafmützen auf die
Entwickelung des Dramas ausübten. Nachdem der Präsident die
Sitzung eröffnet hatte und das Protokoll der ersten Generalversamm¬
lung verlesen war, legte das Comitu den Statutenentwurf als das¬
jenige Resultat ihres Nachdenkens vor, welches von ihm treu dem
Auftrage der Gesellschaft verfaßt sei. Der Präsident stellte hierauf der
Versammlung die Frage, ob sie diesen Entwurf für denjenigen aner¬
kenne, über den die Debatte eröffnet werden solle. Fünf oder sechs
Redner erhoben sich sogleich dagegen, die theils den ganzen Entwurf
als seinem Wesen nach unzweckmäßig verworfen, theils andererseits
ihn unbedingt angenommen wissen wollten; die Versammlung entschied
sich für Annahme des Entwurfs zur Prüfung. Die nun folgenden
stürmischen Debatten über jeden einzelnen Paragraphen mitzutheilen,
wird weitläufig und zwecklos erscheinen. Die Versammlung war leb¬
haft und im Ganzen tief von den verhandelten Gegenständen durch¬
drungen, einzelne Vorträge wurden oft von donnernden Zeichen des
Beifalls und ebenso der Mißbilligung unterbrochen. Die Redner selbst
schienen sich gern zu hören, sie sprachen oft weitschweifig über schon
"erhandeltes und anscheinend in früher ausgearbeiteten Phrasen, es
wurde überhaupt mehr geredet als gesprochen. Ein Mitglied des Co-
mitvs, ?in "Schriftsteller", begann mehrmals seine Thätigkeit für die


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gerben Abend stattfinden werde. Manchen schien dieser Zeitraum für
individuelle Prüfung sehr spärlich gemessen, aber der Wunsch, endlich
zu einem thatsächlichen Resultate zu gelangen, überwog im Ganzen
die erhobenen Bedenken, und so fand denn gestern die Berathung
statt.

Das Local war ^ -rh^'l. um.in! — ein Gesellschaststheater, das
man dazu gewählt hatte, weil die Börse vielleicht weder die Menge
fassen, noch auch solche Bequemlichkeit bieten konnte. Das Bild, wel¬
ches sich dem Eintretenden hier darbot, machte nothwendig einen ei¬
genthümlichen Eindruck. Auf der Bühne befand sich, deren ganze
Breite einnehmend, der grüne Tisch, an welchem das Comirv mit sei¬
nem Präsidenten Platz nahm; die Klingel des letzteren wurde durch
einen hölzernen Hammer vertreten, wie ihn hier gewöhnlich die Haus¬
frauen zum Auckerklopscn benutzen. In dem Orchester, den Logen,
dem Parquet und rings aus der Tribüne zerstreut saßen die Mitglie¬
der, meist in ihre Mäntel gehüllt und die Hüte in den Kopf gedrückt.
Handwecker habe ich unter ihnen wenig deine.le, die meisten waren
Literaten, Bürger, Beamte. Manche waren auch ohne alles Interesse,
oder nur aus dem der Neugierde da, sie affectirter wohl nur eine
Theilnahme für eine Sache, die sie als Mode betrachten und von der
sie kein Verständniß besitzen. In meiner Nähe befanden sich Leute,
die bei den heftigsten und wichtigsten Debatten gähnten oder gar schlie¬
fen. Ich bemerke dies keineswegs so obenhin zur oberflächlichen Skiz-
zicung, man wird sehen, welchen Einfluß die Schlafmützen auf die
Entwickelung des Dramas ausübten. Nachdem der Präsident die
Sitzung eröffnet hatte und das Protokoll der ersten Generalversamm¬
lung verlesen war, legte das Comitu den Statutenentwurf als das¬
jenige Resultat ihres Nachdenkens vor, welches von ihm treu dem
Auftrage der Gesellschaft verfaßt sei. Der Präsident stellte hierauf der
Versammlung die Frage, ob sie diesen Entwurf für denjenigen aner¬
kenne, über den die Debatte eröffnet werden solle. Fünf oder sechs
Redner erhoben sich sogleich dagegen, die theils den ganzen Entwurf
als seinem Wesen nach unzweckmäßig verworfen, theils andererseits
ihn unbedingt angenommen wissen wollten; die Versammlung entschied
sich für Annahme des Entwurfs zur Prüfung. Die nun folgenden
stürmischen Debatten über jeden einzelnen Paragraphen mitzutheilen,
wird weitläufig und zwecklos erscheinen. Die Versammlung war leb¬
haft und im Ganzen tief von den verhandelten Gegenständen durch¬
drungen, einzelne Vorträge wurden oft von donnernden Zeichen des
Beifalls und ebenso der Mißbilligung unterbrochen. Die Redner selbst
schienen sich gern zu hören, sie sprachen oft weitschweifig über schon
"erhandeltes und anscheinend in früher ausgearbeiteten Phrasen, es
wurde überhaupt mehr geredet als gesprochen. Ein Mitglied des Co-
mitvs, ?in „Schriftsteller", begann mehrmals seine Thätigkeit für die


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[0189] gerben Abend stattfinden werde. Manchen schien dieser Zeitraum für individuelle Prüfung sehr spärlich gemessen, aber der Wunsch, endlich zu einem thatsächlichen Resultate zu gelangen, überwog im Ganzen die erhobenen Bedenken, und so fand denn gestern die Berathung statt. Das Local war ^ -rh^'l. um.in! — ein Gesellschaststheater, das man dazu gewählt hatte, weil die Börse vielleicht weder die Menge fassen, noch auch solche Bequemlichkeit bieten konnte. Das Bild, wel¬ ches sich dem Eintretenden hier darbot, machte nothwendig einen ei¬ genthümlichen Eindruck. Auf der Bühne befand sich, deren ganze Breite einnehmend, der grüne Tisch, an welchem das Comirv mit sei¬ nem Präsidenten Platz nahm; die Klingel des letzteren wurde durch einen hölzernen Hammer vertreten, wie ihn hier gewöhnlich die Haus¬ frauen zum Auckerklopscn benutzen. In dem Orchester, den Logen, dem Parquet und rings aus der Tribüne zerstreut saßen die Mitglie¬ der, meist in ihre Mäntel gehüllt und die Hüte in den Kopf gedrückt. Handwecker habe ich unter ihnen wenig deine.le, die meisten waren Literaten, Bürger, Beamte. Manche waren auch ohne alles Interesse, oder nur aus dem der Neugierde da, sie affectirter wohl nur eine Theilnahme für eine Sache, die sie als Mode betrachten und von der sie kein Verständniß besitzen. In meiner Nähe befanden sich Leute, die bei den heftigsten und wichtigsten Debatten gähnten oder gar schlie¬ fen. Ich bemerke dies keineswegs so obenhin zur oberflächlichen Skiz- zicung, man wird sehen, welchen Einfluß die Schlafmützen auf die Entwickelung des Dramas ausübten. Nachdem der Präsident die Sitzung eröffnet hatte und das Protokoll der ersten Generalversamm¬ lung verlesen war, legte das Comitu den Statutenentwurf als das¬ jenige Resultat ihres Nachdenkens vor, welches von ihm treu dem Auftrage der Gesellschaft verfaßt sei. Der Präsident stellte hierauf der Versammlung die Frage, ob sie diesen Entwurf für denjenigen aner¬ kenne, über den die Debatte eröffnet werden solle. Fünf oder sechs Redner erhoben sich sogleich dagegen, die theils den ganzen Entwurf als seinem Wesen nach unzweckmäßig verworfen, theils andererseits ihn unbedingt angenommen wissen wollten; die Versammlung entschied sich für Annahme des Entwurfs zur Prüfung. Die nun folgenden stürmischen Debatten über jeden einzelnen Paragraphen mitzutheilen, wird weitläufig und zwecklos erscheinen. Die Versammlung war leb¬ haft und im Ganzen tief von den verhandelten Gegenständen durch¬ drungen, einzelne Vorträge wurden oft von donnernden Zeichen des Beifalls und ebenso der Mißbilligung unterbrochen. Die Redner selbst schienen sich gern zu hören, sie sprachen oft weitschweifig über schon "erhandeltes und anscheinend in früher ausgearbeiteten Phrasen, es wurde überhaupt mehr geredet als gesprochen. Ein Mitglied des Co- mitvs, ?in „Schriftsteller", begann mehrmals seine Thätigkeit für die 24-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/189>, abgerufen am 22.07.2024.