Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

heit setzt, hingewirkt. Der Geist der Stadibürger, durch Wall, Gra¬
ben und Mauern vom Lande abgesperrt, durch die Städteordnung
bevorzugt, durch unsere öffentlichen Zustände auf die Behandlung städti¬
scher Angelegenheiten kasernirt, kann sich nur schwer von dem Beson¬
deren zu dem Allgemeinen erheben. Da es unseren Bürgern über¬
haupt schwer gemacht wird, über allgemeine Angelegenheiten sich zu
unterrichten, sich Gemeinsinn und Patriotismus anzuschaffen, so denkt
man vorzugsweise nur an Localangelegmheitcn. Wir dürfen daher
Anträge auf Vermehrung der städtischen Deputirten, auf Oeffentlich-
keit der Stadtverordnetenversammlungen erwarten; aber die Oeffent-
lichkeit der LandtagSverhandlungen liegt den meisten Städten schon
zu fern. Man wird um Aufhebung der Klassensteuer petitioniren,
die Sehnsucht nach Monopol wird Beschränkung der bürgerlichen
Freiheit durch eine Gewerbeordnung beantragen, aber wenige Petitio¬
nen werden sich mit allgemeinen Angelegenheiten, mit der Entwicke¬
lung freier Staatsformen befassen; Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der
Rechtspflege, Schwurgerichte, Preßfreiheit, gleiche Besteuerung (durch
Revision der Grundsteuer), Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche Berech¬
tigung Aller, das sind Dinge, die über dem Horizont der Pfahl-
bürger und der Bauern liegen.

Wie groß oder wie gering die Anregung sein mag, die den
Landtagen aus dem Volke kommt, immer mögen die LandtagSdepu-
tirten bedenken, daß man wenigstens eine freie, männliche und unum¬
wundene Sprache von ihnen erwartet; daß man erwartet, daß jeder
den Muth haben wird, zu sagen, was er denkt; daß es die Pflicht
eines jeden Abgeordneten, Nichts zu verhüllen, sondern seiner Com-
mittenten Gesinnung auszusprechen.




Gr-nzbotcn Isis. I.2>

heit setzt, hingewirkt. Der Geist der Stadibürger, durch Wall, Gra¬
ben und Mauern vom Lande abgesperrt, durch die Städteordnung
bevorzugt, durch unsere öffentlichen Zustände auf die Behandlung städti¬
scher Angelegenheiten kasernirt, kann sich nur schwer von dem Beson¬
deren zu dem Allgemeinen erheben. Da es unseren Bürgern über¬
haupt schwer gemacht wird, über allgemeine Angelegenheiten sich zu
unterrichten, sich Gemeinsinn und Patriotismus anzuschaffen, so denkt
man vorzugsweise nur an Localangelegmheitcn. Wir dürfen daher
Anträge auf Vermehrung der städtischen Deputirten, auf Oeffentlich-
keit der Stadtverordnetenversammlungen erwarten; aber die Oeffent-
lichkeit der LandtagSverhandlungen liegt den meisten Städten schon
zu fern. Man wird um Aufhebung der Klassensteuer petitioniren,
die Sehnsucht nach Monopol wird Beschränkung der bürgerlichen
Freiheit durch eine Gewerbeordnung beantragen, aber wenige Petitio¬
nen werden sich mit allgemeinen Angelegenheiten, mit der Entwicke¬
lung freier Staatsformen befassen; Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der
Rechtspflege, Schwurgerichte, Preßfreiheit, gleiche Besteuerung (durch
Revision der Grundsteuer), Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche Berech¬
tigung Aller, das sind Dinge, die über dem Horizont der Pfahl-
bürger und der Bauern liegen.

Wie groß oder wie gering die Anregung sein mag, die den
Landtagen aus dem Volke kommt, immer mögen die LandtagSdepu-
tirten bedenken, daß man wenigstens eine freie, männliche und unum¬
wundene Sprache von ihnen erwartet; daß man erwartet, daß jeder
den Muth haben wird, zu sagen, was er denkt; daß es die Pflicht
eines jeden Abgeordneten, Nichts zu verhüllen, sondern seiner Com-
mittenten Gesinnung auszusprechen.




Gr-nzbotcn Isis. I.2>
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269580"/>
          <p xml:id="ID_477" prev="#ID_476"> heit setzt, hingewirkt. Der Geist der Stadibürger, durch Wall, Gra¬<lb/>
ben und Mauern vom Lande abgesperrt, durch die Städteordnung<lb/>
bevorzugt, durch unsere öffentlichen Zustände auf die Behandlung städti¬<lb/>
scher Angelegenheiten kasernirt, kann sich nur schwer von dem Beson¬<lb/>
deren zu dem Allgemeinen erheben. Da es unseren Bürgern über¬<lb/>
haupt schwer gemacht wird, über allgemeine Angelegenheiten sich zu<lb/>
unterrichten, sich Gemeinsinn und Patriotismus anzuschaffen, so denkt<lb/>
man vorzugsweise nur an Localangelegmheitcn. Wir dürfen daher<lb/>
Anträge auf Vermehrung der städtischen Deputirten, auf Oeffentlich-<lb/>
keit der Stadtverordnetenversammlungen erwarten; aber die Oeffent-<lb/>
lichkeit der LandtagSverhandlungen liegt den meisten Städten schon<lb/>
zu fern. Man wird um Aufhebung der Klassensteuer petitioniren,<lb/>
die Sehnsucht nach Monopol wird Beschränkung der bürgerlichen<lb/>
Freiheit durch eine Gewerbeordnung beantragen, aber wenige Petitio¬<lb/>
nen werden sich mit allgemeinen Angelegenheiten, mit der Entwicke¬<lb/>
lung freier Staatsformen befassen; Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der<lb/>
Rechtspflege, Schwurgerichte, Preßfreiheit, gleiche Besteuerung (durch<lb/>
Revision der Grundsteuer), Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche Berech¬<lb/>
tigung Aller, das sind Dinge, die über dem Horizont der Pfahl-<lb/>
bürger und der Bauern liegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_478"> Wie groß oder wie gering die Anregung sein mag, die den<lb/>
Landtagen aus dem Volke kommt, immer mögen die LandtagSdepu-<lb/>
tirten bedenken, daß man wenigstens eine freie, männliche und unum¬<lb/>
wundene Sprache von ihnen erwartet; daß man erwartet, daß jeder<lb/>
den Muth haben wird, zu sagen, was er denkt; daß es die Pflicht<lb/>
eines jeden Abgeordneten, Nichts zu verhüllen, sondern seiner Com-<lb/>
mittenten Gesinnung auszusprechen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Gr-nzbotcn Isis. I.2&gt;</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0163] heit setzt, hingewirkt. Der Geist der Stadibürger, durch Wall, Gra¬ ben und Mauern vom Lande abgesperrt, durch die Städteordnung bevorzugt, durch unsere öffentlichen Zustände auf die Behandlung städti¬ scher Angelegenheiten kasernirt, kann sich nur schwer von dem Beson¬ deren zu dem Allgemeinen erheben. Da es unseren Bürgern über¬ haupt schwer gemacht wird, über allgemeine Angelegenheiten sich zu unterrichten, sich Gemeinsinn und Patriotismus anzuschaffen, so denkt man vorzugsweise nur an Localangelegmheitcn. Wir dürfen daher Anträge auf Vermehrung der städtischen Deputirten, auf Oeffentlich- keit der Stadtverordnetenversammlungen erwarten; aber die Oeffent- lichkeit der LandtagSverhandlungen liegt den meisten Städten schon zu fern. Man wird um Aufhebung der Klassensteuer petitioniren, die Sehnsucht nach Monopol wird Beschränkung der bürgerlichen Freiheit durch eine Gewerbeordnung beantragen, aber wenige Petitio¬ nen werden sich mit allgemeinen Angelegenheiten, mit der Entwicke¬ lung freier Staatsformen befassen; Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege, Schwurgerichte, Preßfreiheit, gleiche Besteuerung (durch Revision der Grundsteuer), Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche Berech¬ tigung Aller, das sind Dinge, die über dem Horizont der Pfahl- bürger und der Bauern liegen. Wie groß oder wie gering die Anregung sein mag, die den Landtagen aus dem Volke kommt, immer mögen die LandtagSdepu- tirten bedenken, daß man wenigstens eine freie, männliche und unum¬ wundene Sprache von ihnen erwartet; daß man erwartet, daß jeder den Muth haben wird, zu sagen, was er denkt; daß es die Pflicht eines jeden Abgeordneten, Nichts zu verhüllen, sondern seiner Com- mittenten Gesinnung auszusprechen. Gr-nzbotcn Isis. I.2>

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/163
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/163>, abgerufen am 22.07.2024.