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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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sein; nicht den Janko, nicht den Saul, für deren Erschei.im keine
bestimmte Zeit festgestellt Mir, eben nur die "Nächte," die "stillen Lie¬
der" und den "fahrenden Poeten," die im Laufe eines Jahres contract-
lich erscheinen sollten, aber nicht erschienen waren, übergab Reck nun
einem andern Verlage, der Vossischen Buchhandlung in Berlin. Die
Vossische Buchhandlung übernahm den Verlag der Gedichte, nachdem
sie Alles wohlerwogen und alle Processe vorausgesehen hatte, die kom¬
men konnten und kommen würden. Uebwdics verdient es noch eine
besondere Frage, ob, bei dem besonderen Charakter des literarischen
Eigenthums, es gestattet sein kann, daß das Manuscript eines Schrift¬
stellers, ohne sein Wissen und ohne seinen Willen, einem anderen
Buchhändler verkauft werden darf. Der neue Eigenthümer hatte durch
ein solches sehr zweifelhaftes Recht nicht blos Gewalt über das Ma¬
nuscript, als eine Sache betrachtet, sondern er wäre dadurch auch
gleicher Zeit zum Herren und Tyrannen aller geistigen Functionen des
Schriftstellers geworden; angenommen, ein Buchhändler wäre der
Erbfeind eines Schriftstellers, so könnte er diesen durch Ankauf seiner
Manuscripte wider dessen Willen vollkommen zum Sklaven machen.
Er konnte sie jahrelang liegen lassen, ehe sie erschienen, er brauchte
sie gar nicht erscheinen zu lassen, wenn er, wie im vorliegenden Falle,
nur die Rechte, und nicht auch die Pflichten des Contractes an sich
bekommen hatte, er ließe sie erscheinen, nachdem die Ansichten des
Schriftstellers, unter deren Bedingung er sie schrieb, sich ganz geändert
hätten, und er durch das Erscheinen eines solchen Buches nicht
nur nicht erfreut, sondern sogar tief gekränkt werden könnte. Zudem
wissen wir, daß nicht einmal ein selbständiger Buchhändler, sondern
nur ein Commis ein Besitzer des Beck'schenManuscriptes gewesenist;
dieser mag sich nun freilich in neuster Zeit auf irgend eine Art und
Weise mit dem Herrn Kollmann geeinigt haben, da der Letztere selbst
in diesem interessanten Preßprocesse gegen die Vossische Buchhandlung
in Berlin als Kläger auftritt.'

Die Entfernung Püttmanns von der Feuilletonredaction der Köl¬
nischen Zeitung und seine schnelle Uebersiedlung nach Belgien hat in
hiesigen literärischen Kreisen viel Redens gemacht. Die Herausgabe
des "deutschen Bürgcrbuches," welches interessante Artikel von Heß,
Heinzen, Grün, Wolfs u. ni. bringt, scheint von Einfluß auf diese
Vorgänge gewesen zu sein. Als der Besitzer der Kölnischen Zeitung,
Herr Dumont Schauberg, sich im vorigen Sommer in Ber¬
lin aufhielt, äußerte er schon mehrere Male Bedenklichkeiten über
die neuere Richtung Püttmann's, allein auf ein so schnelles Aus¬
scheiden desselben ist man hier doch keineswegs gefaßt gewesen. --
Wie man sagt, hat die große Oper in Paris große Lust, uns
Jenny Lind zu entführen; eine Pariser Privatmittheilung in der
Vossischen Zeitung spricht davon, in Erwägung mancher Umstände?


sein; nicht den Janko, nicht den Saul, für deren Erschei.im keine
bestimmte Zeit festgestellt Mir, eben nur die „Nächte," die „stillen Lie¬
der" und den „fahrenden Poeten," die im Laufe eines Jahres contract-
lich erscheinen sollten, aber nicht erschienen waren, übergab Reck nun
einem andern Verlage, der Vossischen Buchhandlung in Berlin. Die
Vossische Buchhandlung übernahm den Verlag der Gedichte, nachdem
sie Alles wohlerwogen und alle Processe vorausgesehen hatte, die kom¬
men konnten und kommen würden. Uebwdics verdient es noch eine
besondere Frage, ob, bei dem besonderen Charakter des literarischen
Eigenthums, es gestattet sein kann, daß das Manuscript eines Schrift¬
stellers, ohne sein Wissen und ohne seinen Willen, einem anderen
Buchhändler verkauft werden darf. Der neue Eigenthümer hatte durch
ein solches sehr zweifelhaftes Recht nicht blos Gewalt über das Ma¬
nuscript, als eine Sache betrachtet, sondern er wäre dadurch auch
gleicher Zeit zum Herren und Tyrannen aller geistigen Functionen des
Schriftstellers geworden; angenommen, ein Buchhändler wäre der
Erbfeind eines Schriftstellers, so könnte er diesen durch Ankauf seiner
Manuscripte wider dessen Willen vollkommen zum Sklaven machen.
Er konnte sie jahrelang liegen lassen, ehe sie erschienen, er brauchte
sie gar nicht erscheinen zu lassen, wenn er, wie im vorliegenden Falle,
nur die Rechte, und nicht auch die Pflichten des Contractes an sich
bekommen hatte, er ließe sie erscheinen, nachdem die Ansichten des
Schriftstellers, unter deren Bedingung er sie schrieb, sich ganz geändert
hätten, und er durch das Erscheinen eines solchen Buches nicht
nur nicht erfreut, sondern sogar tief gekränkt werden könnte. Zudem
wissen wir, daß nicht einmal ein selbständiger Buchhändler, sondern
nur ein Commis ein Besitzer des Beck'schenManuscriptes gewesenist;
dieser mag sich nun freilich in neuster Zeit auf irgend eine Art und
Weise mit dem Herrn Kollmann geeinigt haben, da der Letztere selbst
in diesem interessanten Preßprocesse gegen die Vossische Buchhandlung
in Berlin als Kläger auftritt.'

Die Entfernung Püttmanns von der Feuilletonredaction der Köl¬
nischen Zeitung und seine schnelle Uebersiedlung nach Belgien hat in
hiesigen literärischen Kreisen viel Redens gemacht. Die Herausgabe
des „deutschen Bürgcrbuches," welches interessante Artikel von Heß,
Heinzen, Grün, Wolfs u. ni. bringt, scheint von Einfluß auf diese
Vorgänge gewesen zu sein. Als der Besitzer der Kölnischen Zeitung,
Herr Dumont Schauberg, sich im vorigen Sommer in Ber¬
lin aufhielt, äußerte er schon mehrere Male Bedenklichkeiten über
die neuere Richtung Püttmann's, allein auf ein so schnelles Aus¬
scheiden desselben ist man hier doch keineswegs gefaßt gewesen. —
Wie man sagt, hat die große Oper in Paris große Lust, uns
Jenny Lind zu entführen; eine Pariser Privatmittheilung in der
Vossischen Zeitung spricht davon, in Erwägung mancher Umstände?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/151>, abgerufen am 22.07.2024.