Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

An dem der Aufführung des deutschen Kriegers folgenden Tage
erschien in der Wohnung des Herrn Bauernfcld ein Beamter, welcher
ihn um Herausgabe des Manuscripts ersuchte, um einige Stellen nach¬
träglich zu streichen, an welchen sich der Censor anfänglich nicht gesto¬
ßen hatte und welche erst bei der Darstellung selbst durch das Beneh¬
men des Publicums Relief bekamen. Darauf erklärte aber der Dichter,
daß er sich niemals dazu verstehen werde; das Manuscript hat einmal
die Billigung der Theatercensur erhalten, sagte Baucrnfeld, und ich
dulde keine späteren Verstümmelungen. Halt man das Stück für ge¬
fährlich, glaubt man einen Mißgriff begangen zu haben, so mache man
ihn dadurch gut, daß man das Stück verbietet. Verbot oder unge¬
schmälerte Darstellung verlange ich für mein Drama. -- Da ein Ver¬
bot üble Sensation gemacht haben würde, die die Behörde nicht auf
sich nehmen wollte, so gab man nach wie vor das Stück und die
Sache war abgethan.

Im Hofoperntheater machte Fraulein von Marra als Königin
der Nacht in Mozart's Jauberflvte, die Staudigl als Benesice wählte,
vollständig Fiasco. Sie wollte nämlich denen, welche ihre Befähigung
für den deutschen Styl bezweifeln, den Beweis liefern, daß sie auch
hierin mit Frau Hasselt-Barth in die Schranken treten könne, und
übernahm von dieser den schwierigen Part der Königin der Nacht,
während letztere die Pamina sang. Da die Marra noch nie in einer
deutschen Oper aufgetreten war, so sah daS Kunstpublicum der ganzen
Stadt diesem Abende mit Spannung entgegen und es gab nicht We¬
nige, welche eine Beschämung ihrer älteren Rivalin, die in dieser Art
wirklich ausgezeichnet ist, erwarteten. Das Schicksal verfügte anders
und Marra mißfiel. Sie hatte dazu noch die Zuversicht gehabt, den
Part nach den ursprünglichen Noten zu singen, was ganz unmöglich
sein dürfte, weil Mozart diesen Part vollkommen der Individualität
seiner Schwägerin, der Madame Hofer, angepaßt, die eben Nichts
weiter, als eine ungewöhnlich hohe Stimmlage besaß und blos damit
glänzen konnte. Zudem ist die Stimmung des ganzen Orchesters seit
sechzig Jahren um einen ganzen Ton gestiegen, weshalb man auch
beim Einstudiren älterer Musikwerke stets die entsprechende Transpo-
nirung vornehmen muß, indem sonst Vieles gar nicht mehr gesungen
werden könnte. Fräulein Marra leistet als Bravoursängerin so Vor¬
treffliches, daß sie die abgegangene Lutzer bald vollkommen ersetzen
wird und damit sollte sie zufrieden sein und sich in keine Wettkämpfe
einlassen, in welchen sie nothwendig unterliegen muß, und zu denen
sie mehr von Eitelkeit, als Beruf geleitet wird.

Der unter dem Namen Halm bekannte Baron Münch-Belling-
hausen, bisher Regierungsrath bei dem hiesigen Gubernium, ist an
die Stelle des verstorbenen Slavisten Kopitar zum Hofrath und Bib¬
liothekar bei der k. k. Hofbibliothek mit fünftausend Gulden Gehalt


An dem der Aufführung des deutschen Kriegers folgenden Tage
erschien in der Wohnung des Herrn Bauernfcld ein Beamter, welcher
ihn um Herausgabe des Manuscripts ersuchte, um einige Stellen nach¬
träglich zu streichen, an welchen sich der Censor anfänglich nicht gesto¬
ßen hatte und welche erst bei der Darstellung selbst durch das Beneh¬
men des Publicums Relief bekamen. Darauf erklärte aber der Dichter,
daß er sich niemals dazu verstehen werde; das Manuscript hat einmal
die Billigung der Theatercensur erhalten, sagte Baucrnfeld, und ich
dulde keine späteren Verstümmelungen. Halt man das Stück für ge¬
fährlich, glaubt man einen Mißgriff begangen zu haben, so mache man
ihn dadurch gut, daß man das Stück verbietet. Verbot oder unge¬
schmälerte Darstellung verlange ich für mein Drama. — Da ein Ver¬
bot üble Sensation gemacht haben würde, die die Behörde nicht auf
sich nehmen wollte, so gab man nach wie vor das Stück und die
Sache war abgethan.

Im Hofoperntheater machte Fraulein von Marra als Königin
der Nacht in Mozart's Jauberflvte, die Staudigl als Benesice wählte,
vollständig Fiasco. Sie wollte nämlich denen, welche ihre Befähigung
für den deutschen Styl bezweifeln, den Beweis liefern, daß sie auch
hierin mit Frau Hasselt-Barth in die Schranken treten könne, und
übernahm von dieser den schwierigen Part der Königin der Nacht,
während letztere die Pamina sang. Da die Marra noch nie in einer
deutschen Oper aufgetreten war, so sah daS Kunstpublicum der ganzen
Stadt diesem Abende mit Spannung entgegen und es gab nicht We¬
nige, welche eine Beschämung ihrer älteren Rivalin, die in dieser Art
wirklich ausgezeichnet ist, erwarteten. Das Schicksal verfügte anders
und Marra mißfiel. Sie hatte dazu noch die Zuversicht gehabt, den
Part nach den ursprünglichen Noten zu singen, was ganz unmöglich
sein dürfte, weil Mozart diesen Part vollkommen der Individualität
seiner Schwägerin, der Madame Hofer, angepaßt, die eben Nichts
weiter, als eine ungewöhnlich hohe Stimmlage besaß und blos damit
glänzen konnte. Zudem ist die Stimmung des ganzen Orchesters seit
sechzig Jahren um einen ganzen Ton gestiegen, weshalb man auch
beim Einstudiren älterer Musikwerke stets die entsprechende Transpo-
nirung vornehmen muß, indem sonst Vieles gar nicht mehr gesungen
werden könnte. Fräulein Marra leistet als Bravoursängerin so Vor¬
treffliches, daß sie die abgegangene Lutzer bald vollkommen ersetzen
wird und damit sollte sie zufrieden sein und sich in keine Wettkämpfe
einlassen, in welchen sie nothwendig unterliegen muß, und zu denen
sie mehr von Eitelkeit, als Beruf geleitet wird.

Der unter dem Namen Halm bekannte Baron Münch-Belling-
hausen, bisher Regierungsrath bei dem hiesigen Gubernium, ist an
die Stelle des verstorbenen Slavisten Kopitar zum Hofrath und Bib¬
liothekar bei der k. k. Hofbibliothek mit fünftausend Gulden Gehalt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269565"/>
              <p xml:id="ID_440"> An dem der Aufführung des deutschen Kriegers folgenden Tage<lb/>
erschien in der Wohnung des Herrn Bauernfcld ein Beamter, welcher<lb/>
ihn um Herausgabe des Manuscripts ersuchte, um einige Stellen nach¬<lb/>
träglich zu streichen, an welchen sich der Censor anfänglich nicht gesto¬<lb/>
ßen hatte und welche erst bei der Darstellung selbst durch das Beneh¬<lb/>
men des Publicums Relief bekamen. Darauf erklärte aber der Dichter,<lb/>
daß er sich niemals dazu verstehen werde; das Manuscript hat einmal<lb/>
die Billigung der Theatercensur erhalten, sagte Baucrnfeld, und ich<lb/>
dulde keine späteren Verstümmelungen. Halt man das Stück für ge¬<lb/>
fährlich, glaubt man einen Mißgriff begangen zu haben, so mache man<lb/>
ihn dadurch gut, daß man das Stück verbietet. Verbot oder unge¬<lb/>
schmälerte Darstellung verlange ich für mein Drama. &#x2014; Da ein Ver¬<lb/>
bot üble Sensation gemacht haben würde, die die Behörde nicht auf<lb/>
sich nehmen wollte, so gab man nach wie vor das Stück und die<lb/>
Sache war abgethan.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_441"> Im Hofoperntheater machte Fraulein von Marra als Königin<lb/>
der Nacht in Mozart's Jauberflvte, die Staudigl als Benesice wählte,<lb/>
vollständig Fiasco. Sie wollte nämlich denen, welche ihre Befähigung<lb/>
für den deutschen Styl bezweifeln, den Beweis liefern, daß sie auch<lb/>
hierin mit Frau Hasselt-Barth in die Schranken treten könne, und<lb/>
übernahm von dieser den schwierigen Part der Königin der Nacht,<lb/>
während letztere die Pamina sang. Da die Marra noch nie in einer<lb/>
deutschen Oper aufgetreten war, so sah daS Kunstpublicum der ganzen<lb/>
Stadt diesem Abende mit Spannung entgegen und es gab nicht We¬<lb/>
nige, welche eine Beschämung ihrer älteren Rivalin, die in dieser Art<lb/>
wirklich ausgezeichnet ist, erwarteten. Das Schicksal verfügte anders<lb/>
und Marra mißfiel. Sie hatte dazu noch die Zuversicht gehabt, den<lb/>
Part nach den ursprünglichen Noten zu singen, was ganz unmöglich<lb/>
sein dürfte, weil Mozart diesen Part vollkommen der Individualität<lb/>
seiner Schwägerin, der Madame Hofer, angepaßt, die eben Nichts<lb/>
weiter, als eine ungewöhnlich hohe Stimmlage besaß und blos damit<lb/>
glänzen konnte. Zudem ist die Stimmung des ganzen Orchesters seit<lb/>
sechzig Jahren um einen ganzen Ton gestiegen, weshalb man auch<lb/>
beim Einstudiren älterer Musikwerke stets die entsprechende Transpo-<lb/>
nirung vornehmen muß, indem sonst Vieles gar nicht mehr gesungen<lb/>
werden könnte. Fräulein Marra leistet als Bravoursängerin so Vor¬<lb/>
treffliches, daß sie die abgegangene Lutzer bald vollkommen ersetzen<lb/>
wird und damit sollte sie zufrieden sein und sich in keine Wettkämpfe<lb/>
einlassen, in welchen sie nothwendig unterliegen muß, und zu denen<lb/>
sie mehr von Eitelkeit, als Beruf geleitet wird.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_442" next="#ID_443"> Der unter dem Namen Halm bekannte Baron Münch-Belling-<lb/>
hausen, bisher Regierungsrath bei dem hiesigen Gubernium, ist an<lb/>
die Stelle des verstorbenen Slavisten Kopitar zum Hofrath und Bib¬<lb/>
liothekar bei der k. k. Hofbibliothek mit fünftausend Gulden Gehalt</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0148] An dem der Aufführung des deutschen Kriegers folgenden Tage erschien in der Wohnung des Herrn Bauernfcld ein Beamter, welcher ihn um Herausgabe des Manuscripts ersuchte, um einige Stellen nach¬ träglich zu streichen, an welchen sich der Censor anfänglich nicht gesto¬ ßen hatte und welche erst bei der Darstellung selbst durch das Beneh¬ men des Publicums Relief bekamen. Darauf erklärte aber der Dichter, daß er sich niemals dazu verstehen werde; das Manuscript hat einmal die Billigung der Theatercensur erhalten, sagte Baucrnfeld, und ich dulde keine späteren Verstümmelungen. Halt man das Stück für ge¬ fährlich, glaubt man einen Mißgriff begangen zu haben, so mache man ihn dadurch gut, daß man das Stück verbietet. Verbot oder unge¬ schmälerte Darstellung verlange ich für mein Drama. — Da ein Ver¬ bot üble Sensation gemacht haben würde, die die Behörde nicht auf sich nehmen wollte, so gab man nach wie vor das Stück und die Sache war abgethan. Im Hofoperntheater machte Fraulein von Marra als Königin der Nacht in Mozart's Jauberflvte, die Staudigl als Benesice wählte, vollständig Fiasco. Sie wollte nämlich denen, welche ihre Befähigung für den deutschen Styl bezweifeln, den Beweis liefern, daß sie auch hierin mit Frau Hasselt-Barth in die Schranken treten könne, und übernahm von dieser den schwierigen Part der Königin der Nacht, während letztere die Pamina sang. Da die Marra noch nie in einer deutschen Oper aufgetreten war, so sah daS Kunstpublicum der ganzen Stadt diesem Abende mit Spannung entgegen und es gab nicht We¬ nige, welche eine Beschämung ihrer älteren Rivalin, die in dieser Art wirklich ausgezeichnet ist, erwarteten. Das Schicksal verfügte anders und Marra mißfiel. Sie hatte dazu noch die Zuversicht gehabt, den Part nach den ursprünglichen Noten zu singen, was ganz unmöglich sein dürfte, weil Mozart diesen Part vollkommen der Individualität seiner Schwägerin, der Madame Hofer, angepaßt, die eben Nichts weiter, als eine ungewöhnlich hohe Stimmlage besaß und blos damit glänzen konnte. Zudem ist die Stimmung des ganzen Orchesters seit sechzig Jahren um einen ganzen Ton gestiegen, weshalb man auch beim Einstudiren älterer Musikwerke stets die entsprechende Transpo- nirung vornehmen muß, indem sonst Vieles gar nicht mehr gesungen werden könnte. Fräulein Marra leistet als Bravoursängerin so Vor¬ treffliches, daß sie die abgegangene Lutzer bald vollkommen ersetzen wird und damit sollte sie zufrieden sein und sich in keine Wettkämpfe einlassen, in welchen sie nothwendig unterliegen muß, und zu denen sie mehr von Eitelkeit, als Beruf geleitet wird. Der unter dem Namen Halm bekannte Baron Münch-Belling- hausen, bisher Regierungsrath bei dem hiesigen Gubernium, ist an die Stelle des verstorbenen Slavisten Kopitar zum Hofrath und Bib¬ liothekar bei der k. k. Hofbibliothek mit fünftausend Gulden Gehalt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/148
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/148>, abgerufen am 22.07.2024.