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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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aber speculirt auf Meßfremde, die einzige Speculation, die man in
Leipzig kennt. Der Fremde wird nur gegen Eintrittsgeld zugelassen,
was einer Stadt wie Leipzig gar nicht zur Ehre gereicht, aber bei
dem großen Fremdenzuge, der durch Leipzig geht, darin feine Ent¬
schuldigung findet, daß das Museum ohne jenes Eintrittsgeld nicht
wurde bestehen können. Wenig Ehre für eine so reiche Universitäts¬
und Hauptstadt, die noch dazu in dem gebildeten Sachsen liegt --
Aber das liegt an der Lage. Der norddeutsche Particularismus be¬
ginnt hier schon. -- Das Museum wird durch einen von den Ak¬
tieninhabern gewählten Vorstand mit Hilfe der im Ausschuß sitzenden
Jaherren regiert. Die bloßen Abonnenten, das liegt in der Natur der
Sache, sind nicht stimmberechtigt. Doch ist ihnen ein Petitionsrecht
zugestanden. In einem besonderen Wunschbuche kann von diesem
Rechte in weitester Ausdehnung Gebrauch gemacht werden. Das
Recht der Bitte ist hier in der That ein unscheinbares. Denn der
Vorstand kann unmöglich den sich hier breit machenden individuellen
Gelüsten nachkommen. Referent freut sich jedesmal, wenn er das
Wunschbuch ansieht, daß er nicht Mitglied des Vorstandes ist, also
keine Verpflichtung hat, diese Wünsche durchzulesen und zu durchden¬
ken; eine Verpflichtung, die in der That ihre eigene Schwierigkeit
hat, da Wünsche mitmiterlaufen, in denen durchaus nicht ein Fünk-
chen eines klaren Gedankens zu finden, "und that man auch hundert
Laternen anzünden". Einige Abonnenten gehen nämlich von der ir¬
rigen Voraussetzung aus, sie hätten durch ihr Abonnement, acht Tha¬
ler jährlich, das Recht erworben, den Vorstand durch absurde Wünsche
und schlecht stylisirte Bitten zu belästigen, dabei zugleich sich selbst
der allgemeinen Belustigung bloszugcben. Wenn ein Studiosus ein¬
mal eine schlecht schlisirte Bitte vorbringt, so denkt man, der junge
Mann habe zugleich einen Beleg beibringen wollen, daß er zu seiner
weiteren Ausbildung sich in Leipzig aufhalte; wenn aber alte Kna¬
ben ihr unklares Gewäsch immer wieder vorbringen, so ist freilich
alle Hoffnung auf Besserung verloren. -- Wir sind von der schwie¬
rigen Stellung des Vorstandes und von der Unmöglichkeit, jenen ein¬
zelnen Stoßseufzern zu genügen, vollkommen überzeugt und es ist nur
zu bedauern, daß sich der G esammtwille der Abonnenten nie gel¬
tend machen kann. Wenn wir uns einige Bemerkungen erlauben, so
geschieht es nur in "wohlmeinender Absicht", indem wir gegen die


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aber speculirt auf Meßfremde, die einzige Speculation, die man in
Leipzig kennt. Der Fremde wird nur gegen Eintrittsgeld zugelassen,
was einer Stadt wie Leipzig gar nicht zur Ehre gereicht, aber bei
dem großen Fremdenzuge, der durch Leipzig geht, darin feine Ent¬
schuldigung findet, daß das Museum ohne jenes Eintrittsgeld nicht
wurde bestehen können. Wenig Ehre für eine so reiche Universitäts¬
und Hauptstadt, die noch dazu in dem gebildeten Sachsen liegt —
Aber das liegt an der Lage. Der norddeutsche Particularismus be¬
ginnt hier schon. — Das Museum wird durch einen von den Ak¬
tieninhabern gewählten Vorstand mit Hilfe der im Ausschuß sitzenden
Jaherren regiert. Die bloßen Abonnenten, das liegt in der Natur der
Sache, sind nicht stimmberechtigt. Doch ist ihnen ein Petitionsrecht
zugestanden. In einem besonderen Wunschbuche kann von diesem
Rechte in weitester Ausdehnung Gebrauch gemacht werden. Das
Recht der Bitte ist hier in der That ein unscheinbares. Denn der
Vorstand kann unmöglich den sich hier breit machenden individuellen
Gelüsten nachkommen. Referent freut sich jedesmal, wenn er das
Wunschbuch ansieht, daß er nicht Mitglied des Vorstandes ist, also
keine Verpflichtung hat, diese Wünsche durchzulesen und zu durchden¬
ken; eine Verpflichtung, die in der That ihre eigene Schwierigkeit
hat, da Wünsche mitmiterlaufen, in denen durchaus nicht ein Fünk-
chen eines klaren Gedankens zu finden, „und that man auch hundert
Laternen anzünden". Einige Abonnenten gehen nämlich von der ir¬
rigen Voraussetzung aus, sie hätten durch ihr Abonnement, acht Tha¬
ler jährlich, das Recht erworben, den Vorstand durch absurde Wünsche
und schlecht stylisirte Bitten zu belästigen, dabei zugleich sich selbst
der allgemeinen Belustigung bloszugcben. Wenn ein Studiosus ein¬
mal eine schlecht schlisirte Bitte vorbringt, so denkt man, der junge
Mann habe zugleich einen Beleg beibringen wollen, daß er zu seiner
weiteren Ausbildung sich in Leipzig aufhalte; wenn aber alte Kna¬
ben ihr unklares Gewäsch immer wieder vorbringen, so ist freilich
alle Hoffnung auf Besserung verloren. — Wir sind von der schwie¬
rigen Stellung des Vorstandes und von der Unmöglichkeit, jenen ein¬
zelnen Stoßseufzern zu genügen, vollkommen überzeugt und es ist nur
zu bedauern, daß sich der G esammtwille der Abonnenten nie gel¬
tend machen kann. Wenn wir uns einige Bemerkungen erlauben, so
geschieht es nur in „wohlmeinender Absicht", indem wir gegen die


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[0131] aber speculirt auf Meßfremde, die einzige Speculation, die man in Leipzig kennt. Der Fremde wird nur gegen Eintrittsgeld zugelassen, was einer Stadt wie Leipzig gar nicht zur Ehre gereicht, aber bei dem großen Fremdenzuge, der durch Leipzig geht, darin feine Ent¬ schuldigung findet, daß das Museum ohne jenes Eintrittsgeld nicht wurde bestehen können. Wenig Ehre für eine so reiche Universitäts¬ und Hauptstadt, die noch dazu in dem gebildeten Sachsen liegt — Aber das liegt an der Lage. Der norddeutsche Particularismus be¬ ginnt hier schon. — Das Museum wird durch einen von den Ak¬ tieninhabern gewählten Vorstand mit Hilfe der im Ausschuß sitzenden Jaherren regiert. Die bloßen Abonnenten, das liegt in der Natur der Sache, sind nicht stimmberechtigt. Doch ist ihnen ein Petitionsrecht zugestanden. In einem besonderen Wunschbuche kann von diesem Rechte in weitester Ausdehnung Gebrauch gemacht werden. Das Recht der Bitte ist hier in der That ein unscheinbares. Denn der Vorstand kann unmöglich den sich hier breit machenden individuellen Gelüsten nachkommen. Referent freut sich jedesmal, wenn er das Wunschbuch ansieht, daß er nicht Mitglied des Vorstandes ist, also keine Verpflichtung hat, diese Wünsche durchzulesen und zu durchden¬ ken; eine Verpflichtung, die in der That ihre eigene Schwierigkeit hat, da Wünsche mitmiterlaufen, in denen durchaus nicht ein Fünk- chen eines klaren Gedankens zu finden, „und that man auch hundert Laternen anzünden". Einige Abonnenten gehen nämlich von der ir¬ rigen Voraussetzung aus, sie hätten durch ihr Abonnement, acht Tha¬ ler jährlich, das Recht erworben, den Vorstand durch absurde Wünsche und schlecht stylisirte Bitten zu belästigen, dabei zugleich sich selbst der allgemeinen Belustigung bloszugcben. Wenn ein Studiosus ein¬ mal eine schlecht schlisirte Bitte vorbringt, so denkt man, der junge Mann habe zugleich einen Beleg beibringen wollen, daß er zu seiner weiteren Ausbildung sich in Leipzig aufhalte; wenn aber alte Kna¬ ben ihr unklares Gewäsch immer wieder vorbringen, so ist freilich alle Hoffnung auf Besserung verloren. — Wir sind von der schwie¬ rigen Stellung des Vorstandes und von der Unmöglichkeit, jenen ein¬ zelnen Stoßseufzern zu genügen, vollkommen überzeugt und es ist nur zu bedauern, daß sich der G esammtwille der Abonnenten nie gel¬ tend machen kann. Wenn wir uns einige Bemerkungen erlauben, so geschieht es nur in „wohlmeinender Absicht", indem wir gegen die Grcnzl'oder l«/.i>. >>. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/131>, abgerufen am 22.07.2024.