Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.wohl die Organisation unserer Gymnasien im Auge haben, in denen wohl die Organisation unserer Gymnasien im Auge haben, in denen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181264"/> <p xml:id="ID_227" prev="#ID_226" next="#ID_228"> wohl die Organisation unserer Gymnasien im Auge haben, in denen<lb/> man, trotz aller gegebenen, verworfenen und wieder aufgenommenen<lb/> Schulpläne, wenig zu einer freien Entwickelung deS Geistes geleitet<lb/> wird. Wenn aber ein Gebrechen aus einem Institute in ein anderes<lb/> hinübergreife, so kann zwar kein Theil desselben einem einzelnen Mann<lb/> zur Last gelegt werden, vorzüglich, wenn er, wie Erhard, dasselbe zu<lb/> vermitteln sucht, statt im Uebersehen desselben ein Unmögliches mög¬<lb/> lich machen zu wollen;— allein bei einer allgemeinen Würdigung des<lb/> Institutes muß es nothwendig in Betracht gezogen werden. Der<lb/> Name Schubert's, „des berühmten Pilgers", hat einen zu guten<lb/> Klang, als daß es mir in den Sinn käme, die allgerühmten Leistun¬<lb/> gen des herrlichen Mannes untersuchen zu wollen. Ob aber seine<lb/> mystisch tiefen Vorlesungen von Jünglingen erfaßt werden mögen, die<lb/> eben aus baierischen Gymnasien kommen, ist eine andere Frage, deren<lb/> Bejahung mir unmöglich erscheint. Religionsphilosophie darf bei uns<lb/> nur von einem Professor der theologischen Facultät docirt werden,<lb/> wenigstens soll einem Lehrer der philosophischen Facultät, der noch dazu<lb/> geistlicher Rath ist, als er Vorlesungen über diese Materie ankündigte,<lb/> ein solcher Bescheid geworden sein. Aus dieser hier zu Lande gelten¬<lb/> den, ziemlich hierarchisch mittelalterlichen Marime läßt sich der Stand¬<lb/> punkt leicht erringen, auf dem eine Beurtheilung der Sache an und<lb/> für sich möglich wird. Unsere Religionsphilosophie ist wirklich echt<lb/> theologisch, und hier vermisse ich zumeist zu nothwendiger Ergänzung<lb/> ein Collegium, das für eine philosophische Facultät, die das wirklich<lb/> nur Halbweg sein will, das unerläßlichste ist, nämlich jenes über die<lb/> Geschichte der Philosophie. Unsere angehenden Candidaten<lb/> bringen über diesen Gegenstand gewöhnlich Nichts mit auf die Hoch¬<lb/> schule, als dunkle Ahnungen von der sokratischen Philosophie, geschöpft<lb/> aus einem platonischen Dialoge, und die Kenntniß der bedeutenderen<lb/> Philosophen der Neuzeit — dem Namen nach! Wird ihnen nun<lb/> hierüber Nichts geboten, als was bei der Darstellung der oben an¬<lb/> geführten Fächer gelegcnheitlich bemerkt wird, so muß ihr Wissen<lb/> hierin Stückwerk im eigentlichen Sinne des Wortes bleiben; und von<lb/> einer wirklich praktischen Philosophie, von einer Philosophie, die durch<lb/> historische Entwickelung, durch den bis auf unsere Zeit herab fort¬<lb/> währenden Kampf zu ihrer gegenwärtigen Stellung gelangt ist und<lb/> aus dieser mit all ihren Lebenskräften sich der jungen Geister benach-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
wohl die Organisation unserer Gymnasien im Auge haben, in denen
man, trotz aller gegebenen, verworfenen und wieder aufgenommenen
Schulpläne, wenig zu einer freien Entwickelung deS Geistes geleitet
wird. Wenn aber ein Gebrechen aus einem Institute in ein anderes
hinübergreife, so kann zwar kein Theil desselben einem einzelnen Mann
zur Last gelegt werden, vorzüglich, wenn er, wie Erhard, dasselbe zu
vermitteln sucht, statt im Uebersehen desselben ein Unmögliches mög¬
lich machen zu wollen;— allein bei einer allgemeinen Würdigung des
Institutes muß es nothwendig in Betracht gezogen werden. Der
Name Schubert's, „des berühmten Pilgers", hat einen zu guten
Klang, als daß es mir in den Sinn käme, die allgerühmten Leistun¬
gen des herrlichen Mannes untersuchen zu wollen. Ob aber seine
mystisch tiefen Vorlesungen von Jünglingen erfaßt werden mögen, die
eben aus baierischen Gymnasien kommen, ist eine andere Frage, deren
Bejahung mir unmöglich erscheint. Religionsphilosophie darf bei uns
nur von einem Professor der theologischen Facultät docirt werden,
wenigstens soll einem Lehrer der philosophischen Facultät, der noch dazu
geistlicher Rath ist, als er Vorlesungen über diese Materie ankündigte,
ein solcher Bescheid geworden sein. Aus dieser hier zu Lande gelten¬
den, ziemlich hierarchisch mittelalterlichen Marime läßt sich der Stand¬
punkt leicht erringen, auf dem eine Beurtheilung der Sache an und
für sich möglich wird. Unsere Religionsphilosophie ist wirklich echt
theologisch, und hier vermisse ich zumeist zu nothwendiger Ergänzung
ein Collegium, das für eine philosophische Facultät, die das wirklich
nur Halbweg sein will, das unerläßlichste ist, nämlich jenes über die
Geschichte der Philosophie. Unsere angehenden Candidaten
bringen über diesen Gegenstand gewöhnlich Nichts mit auf die Hoch¬
schule, als dunkle Ahnungen von der sokratischen Philosophie, geschöpft
aus einem platonischen Dialoge, und die Kenntniß der bedeutenderen
Philosophen der Neuzeit — dem Namen nach! Wird ihnen nun
hierüber Nichts geboten, als was bei der Darstellung der oben an¬
geführten Fächer gelegcnheitlich bemerkt wird, so muß ihr Wissen
hierin Stückwerk im eigentlichen Sinne des Wortes bleiben; und von
einer wirklich praktischen Philosophie, von einer Philosophie, die durch
historische Entwickelung, durch den bis auf unsere Zeit herab fort¬
währenden Kampf zu ihrer gegenwärtigen Stellung gelangt ist und
aus dieser mit all ihren Lebenskräften sich der jungen Geister benach-
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