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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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die andern Sachen oben daraus, und sobald Sie sich ein wenig er¬
holt haben, schaffe ich Sie sorgfältig hinauf. Johanna, die Magd,
ist schon beschäftigt, das Bett aus dem Cabinet darin aufzuschlagen.
-- Mir lief's eiskalt über den Rücken. -- Das "Bretterwerk und
die andern Sachen" war mein Bild mit der Staffelei, mein kostbarer,
fast vollendeter Phaeton, an dem ich so lange schon gearbeitet und
meine ganze Kunst daran verwendet hatte. Er lag mit den Farben,
Pinseln und andern Geräthschaften auf dem Vorplatz! O! wahrlich,
Phaeton that keinen schrecklichem Fall aus dem Himmel, wie ich!
-- Und in meiner Stube waren Betten, die wahren Staubgiftbeutel,
aufgeschlagen? -- Ich mußte mich auf einen Stuhl setzen. -- Wir
werden gleich alle Stühle hier nöthig haben, sagte die Wartfrau
mit einem sehr deutlichen Blick, daß ich hier ganz überflüssig und
nur im Wege sei. -- So? sagte ich und ging zu Thür hinaus. -

-- Mit diesem Augenblick, so fuhr der Schachtelmann, der sich
etwas gesammelt hatte, fort, war meine Ruhe, mein Glück dahin.
Vier Wochen ging ich in meinem Hause umher, wie ein Fremder,
ein Miethling, und mit jedem Tage wurde es ärger. Ich verschanzte
mich endlich in einem Winkel auf dem obersten Boden, wie ein Maul¬
wurf, umgab mich mit doppelten Wänden, verstopfte meine Ohren
mit Baumwolle, aber mit dem Malen war es dennoch ans. Ent¬
weder ich hörte das Schreien des Kindes, oder das Beschwichtigen
seiner Wärterinnen und eine Unruhe, eine Stockung war in alle Ge¬
schäfte getreten, daß ich nicht wußte, wo aus, wo ein. -- Und ich
schwor es: Niemand solle meinen Zufluchtsort entdecken, Niemand
ihn betreten; keine menschliche Hand außer der meinigen je etwas
darin berühren! -- Da kam der finstere Dämon, der mich bis heute
noch verfolgt, über mich, erst leise und ferne, dann näher und stärker.
Staubgeborner! so flüsterte es hinter mir, wenn ich allein war; alle
Menschen müssen mich ertragen und dulden, nur Du allein willst
mich von Dir weisen! Hüte Dich, daß ich Dich nicht ärger züchtige,
denn die andern. -- Ich lachte anfangs ob der drohenden Worte
und hielt sie für eine Täuschung meiner Sinne, aber bald
mußte ich einsehen, daß es mehr war, als dies, und daß ich wohl
Ursache hatte, davor zu zittern.

Weil in meinem nunmehrigen Atelier niemals gekehrt wurde,
so bedeckte bald ein dicker Staub alle Gegenstände. Und erschrack ich


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die andern Sachen oben daraus, und sobald Sie sich ein wenig er¬
holt haben, schaffe ich Sie sorgfältig hinauf. Johanna, die Magd,
ist schon beschäftigt, das Bett aus dem Cabinet darin aufzuschlagen.
— Mir lief's eiskalt über den Rücken. — Das „Bretterwerk und
die andern Sachen" war mein Bild mit der Staffelei, mein kostbarer,
fast vollendeter Phaeton, an dem ich so lange schon gearbeitet und
meine ganze Kunst daran verwendet hatte. Er lag mit den Farben,
Pinseln und andern Geräthschaften auf dem Vorplatz! O! wahrlich,
Phaeton that keinen schrecklichem Fall aus dem Himmel, wie ich!
— Und in meiner Stube waren Betten, die wahren Staubgiftbeutel,
aufgeschlagen? — Ich mußte mich auf einen Stuhl setzen. — Wir
werden gleich alle Stühle hier nöthig haben, sagte die Wartfrau
mit einem sehr deutlichen Blick, daß ich hier ganz überflüssig und
nur im Wege sei. — So? sagte ich und ging zu Thür hinaus. -

— Mit diesem Augenblick, so fuhr der Schachtelmann, der sich
etwas gesammelt hatte, fort, war meine Ruhe, mein Glück dahin.
Vier Wochen ging ich in meinem Hause umher, wie ein Fremder,
ein Miethling, und mit jedem Tage wurde es ärger. Ich verschanzte
mich endlich in einem Winkel auf dem obersten Boden, wie ein Maul¬
wurf, umgab mich mit doppelten Wänden, verstopfte meine Ohren
mit Baumwolle, aber mit dem Malen war es dennoch ans. Ent¬
weder ich hörte das Schreien des Kindes, oder das Beschwichtigen
seiner Wärterinnen und eine Unruhe, eine Stockung war in alle Ge¬
schäfte getreten, daß ich nicht wußte, wo aus, wo ein. — Und ich
schwor es: Niemand solle meinen Zufluchtsort entdecken, Niemand
ihn betreten; keine menschliche Hand außer der meinigen je etwas
darin berühren! — Da kam der finstere Dämon, der mich bis heute
noch verfolgt, über mich, erst leise und ferne, dann näher und stärker.
Staubgeborner! so flüsterte es hinter mir, wenn ich allein war; alle
Menschen müssen mich ertragen und dulden, nur Du allein willst
mich von Dir weisen! Hüte Dich, daß ich Dich nicht ärger züchtige,
denn die andern. — Ich lachte anfangs ob der drohenden Worte
und hielt sie für eine Täuschung meiner Sinne, aber bald
mußte ich einsehen, daß es mehr war, als dies, und daß ich wohl
Ursache hatte, davor zu zittern.

Weil in meinem nunmehrigen Atelier niemals gekehrt wurde,
so bedeckte bald ein dicker Staub alle Gegenstände. Und erschrack ich


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[0077] die andern Sachen oben daraus, und sobald Sie sich ein wenig er¬ holt haben, schaffe ich Sie sorgfältig hinauf. Johanna, die Magd, ist schon beschäftigt, das Bett aus dem Cabinet darin aufzuschlagen. — Mir lief's eiskalt über den Rücken. — Das „Bretterwerk und die andern Sachen" war mein Bild mit der Staffelei, mein kostbarer, fast vollendeter Phaeton, an dem ich so lange schon gearbeitet und meine ganze Kunst daran verwendet hatte. Er lag mit den Farben, Pinseln und andern Geräthschaften auf dem Vorplatz! O! wahrlich, Phaeton that keinen schrecklichem Fall aus dem Himmel, wie ich! — Und in meiner Stube waren Betten, die wahren Staubgiftbeutel, aufgeschlagen? — Ich mußte mich auf einen Stuhl setzen. — Wir werden gleich alle Stühle hier nöthig haben, sagte die Wartfrau mit einem sehr deutlichen Blick, daß ich hier ganz überflüssig und nur im Wege sei. — So? sagte ich und ging zu Thür hinaus. - — Mit diesem Augenblick, so fuhr der Schachtelmann, der sich etwas gesammelt hatte, fort, war meine Ruhe, mein Glück dahin. Vier Wochen ging ich in meinem Hause umher, wie ein Fremder, ein Miethling, und mit jedem Tage wurde es ärger. Ich verschanzte mich endlich in einem Winkel auf dem obersten Boden, wie ein Maul¬ wurf, umgab mich mit doppelten Wänden, verstopfte meine Ohren mit Baumwolle, aber mit dem Malen war es dennoch ans. Ent¬ weder ich hörte das Schreien des Kindes, oder das Beschwichtigen seiner Wärterinnen und eine Unruhe, eine Stockung war in alle Ge¬ schäfte getreten, daß ich nicht wußte, wo aus, wo ein. — Und ich schwor es: Niemand solle meinen Zufluchtsort entdecken, Niemand ihn betreten; keine menschliche Hand außer der meinigen je etwas darin berühren! — Da kam der finstere Dämon, der mich bis heute noch verfolgt, über mich, erst leise und ferne, dann näher und stärker. Staubgeborner! so flüsterte es hinter mir, wenn ich allein war; alle Menschen müssen mich ertragen und dulden, nur Du allein willst mich von Dir weisen! Hüte Dich, daß ich Dich nicht ärger züchtige, denn die andern. — Ich lachte anfangs ob der drohenden Worte und hielt sie für eine Täuschung meiner Sinne, aber bald mußte ich einsehen, daß es mehr war, als dies, und daß ich wohl Ursache hatte, davor zu zittern. Weil in meinem nunmehrigen Atelier niemals gekehrt wurde, so bedeckte bald ein dicker Staub alle Gegenstände. Und erschrack ich Wttnzbotcn 18i-i. ,l. /

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/77>, abgerufen am 01.09.2024.