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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Veränderung an der Zeichnung vorgenommen. -- Robert wurde im¬
mer aufmerksamer.

-- Auch steht uns ja, begann ich wieder, der ganze Kreis der
Götter und Helden aus der Fabelwelt, die Kräfte der Natur und
noch manches Andere zu Gebote, um dem Verzweifelnden beizusprin-
gen. Lassen Sie mich nur in der Ferne die Sonne, diesen Hoff¬
nungsstrahl jedes Gebeugten, mit einigen Strichen andeuten; dadurch
wird die scheußliche Klumpengestalt Heller, durchsichtiger, schwächer.
Hier, einige Reflexe des aufgehenden Lichtes über dem Rücken des
Koboldes machen sich recht artig. -- Nun geschwind, rief ich und
sprang vom Stuhl auf, geschwind, Herr Robert, lassen Sie noch
einige Göttinnen, Juno, Pallas oder Venus am Himmel erscheinen,
senden Sie den Götterboten ab, daß er den Aeolus mit seinen tüch¬
tigen Pausbacken herbeihole, oder den Vulkan mit einigen Blitzen
in schnelleren Trab setze und ich wette, wir wollen diesem Beelze¬
bub schon heiß machen.

-- Ja, das wollen wir! lachte der Schachtelmann und nahm
eilig an der Staffelet Platz, während der Diener voll Verwunder¬
ung in die Hände schlug und dankend zum Himmel blickte.

-- Hier bringe ich Minerva an, daß sie schützend die Aegide
über den Ermatteten halte und vor ihrem Spiegelglanze der Unhold
erzittere; dort kommt Frau Juno, sie hat dem Herrn Gemahl ein
Donnerkeilchen entwendet, das wird treffliche Dienste thun! -- Da¬
bei pinselte er eifrig an seinem Bilde herum, holte bald diese, bald
jene Farbe und ich hatte meine Herzenslust an dem gelungenen Ge¬
mälde und an dem Fortschritte meiner Kur.

-- Das Ungethüm ist bezwungen! -- Sieh, lieber Wendelin,
wie ist es zum winzigen Schatten zusammengeschrumpft! rief mir der
Kranke jetzt zu und betrachtete wohlgefällig die Skizze. -- Aber --
mein Gott -- wie ist mir denn --? wir sind nicht mehr in dem
schönen Antwerpen! Und Wendelin und Schneegas? -- Ach, das ist
lange her! --

Er.legte langsam den Pinsel hin, faßte sich an die Stirn und
sagte, wie aus einem Traume erwachend: Haben Sie denn das Bild
gemalt, Herr Doctor? und wie kommt es, Friedrich, daß Alles so
unordentlich hier ist? --

-- Sie haben das Beste daran gemacht, Herr Robert, und ich


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Veränderung an der Zeichnung vorgenommen. — Robert wurde im¬
mer aufmerksamer.

— Auch steht uns ja, begann ich wieder, der ganze Kreis der
Götter und Helden aus der Fabelwelt, die Kräfte der Natur und
noch manches Andere zu Gebote, um dem Verzweifelnden beizusprin-
gen. Lassen Sie mich nur in der Ferne die Sonne, diesen Hoff¬
nungsstrahl jedes Gebeugten, mit einigen Strichen andeuten; dadurch
wird die scheußliche Klumpengestalt Heller, durchsichtiger, schwächer.
Hier, einige Reflexe des aufgehenden Lichtes über dem Rücken des
Koboldes machen sich recht artig. — Nun geschwind, rief ich und
sprang vom Stuhl auf, geschwind, Herr Robert, lassen Sie noch
einige Göttinnen, Juno, Pallas oder Venus am Himmel erscheinen,
senden Sie den Götterboten ab, daß er den Aeolus mit seinen tüch¬
tigen Pausbacken herbeihole, oder den Vulkan mit einigen Blitzen
in schnelleren Trab setze und ich wette, wir wollen diesem Beelze¬
bub schon heiß machen.

— Ja, das wollen wir! lachte der Schachtelmann und nahm
eilig an der Staffelet Platz, während der Diener voll Verwunder¬
ung in die Hände schlug und dankend zum Himmel blickte.

— Hier bringe ich Minerva an, daß sie schützend die Aegide
über den Ermatteten halte und vor ihrem Spiegelglanze der Unhold
erzittere; dort kommt Frau Juno, sie hat dem Herrn Gemahl ein
Donnerkeilchen entwendet, das wird treffliche Dienste thun! — Da¬
bei pinselte er eifrig an seinem Bilde herum, holte bald diese, bald
jene Farbe und ich hatte meine Herzenslust an dem gelungenen Ge¬
mälde und an dem Fortschritte meiner Kur.

— Das Ungethüm ist bezwungen! — Sieh, lieber Wendelin,
wie ist es zum winzigen Schatten zusammengeschrumpft! rief mir der
Kranke jetzt zu und betrachtete wohlgefällig die Skizze. — Aber —
mein Gott — wie ist mir denn —? wir sind nicht mehr in dem
schönen Antwerpen! Und Wendelin und Schneegas? — Ach, das ist
lange her! —

Er.legte langsam den Pinsel hin, faßte sich an die Stirn und
sagte, wie aus einem Traume erwachend: Haben Sie denn das Bild
gemalt, Herr Doctor? und wie kommt es, Friedrich, daß Alles so
unordentlich hier ist? —

— Sie haben das Beste daran gemacht, Herr Robert, und ich


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[0071] Veränderung an der Zeichnung vorgenommen. — Robert wurde im¬ mer aufmerksamer. — Auch steht uns ja, begann ich wieder, der ganze Kreis der Götter und Helden aus der Fabelwelt, die Kräfte der Natur und noch manches Andere zu Gebote, um dem Verzweifelnden beizusprin- gen. Lassen Sie mich nur in der Ferne die Sonne, diesen Hoff¬ nungsstrahl jedes Gebeugten, mit einigen Strichen andeuten; dadurch wird die scheußliche Klumpengestalt Heller, durchsichtiger, schwächer. Hier, einige Reflexe des aufgehenden Lichtes über dem Rücken des Koboldes machen sich recht artig. — Nun geschwind, rief ich und sprang vom Stuhl auf, geschwind, Herr Robert, lassen Sie noch einige Göttinnen, Juno, Pallas oder Venus am Himmel erscheinen, senden Sie den Götterboten ab, daß er den Aeolus mit seinen tüch¬ tigen Pausbacken herbeihole, oder den Vulkan mit einigen Blitzen in schnelleren Trab setze und ich wette, wir wollen diesem Beelze¬ bub schon heiß machen. — Ja, das wollen wir! lachte der Schachtelmann und nahm eilig an der Staffelet Platz, während der Diener voll Verwunder¬ ung in die Hände schlug und dankend zum Himmel blickte. — Hier bringe ich Minerva an, daß sie schützend die Aegide über den Ermatteten halte und vor ihrem Spiegelglanze der Unhold erzittere; dort kommt Frau Juno, sie hat dem Herrn Gemahl ein Donnerkeilchen entwendet, das wird treffliche Dienste thun! — Da¬ bei pinselte er eifrig an seinem Bilde herum, holte bald diese, bald jene Farbe und ich hatte meine Herzenslust an dem gelungenen Ge¬ mälde und an dem Fortschritte meiner Kur. — Das Ungethüm ist bezwungen! — Sieh, lieber Wendelin, wie ist es zum winzigen Schatten zusammengeschrumpft! rief mir der Kranke jetzt zu und betrachtete wohlgefällig die Skizze. — Aber — mein Gott — wie ist mir denn —? wir sind nicht mehr in dem schönen Antwerpen! Und Wendelin und Schneegas? — Ach, das ist lange her! — Er.legte langsam den Pinsel hin, faßte sich an die Stirn und sagte, wie aus einem Traume erwachend: Haben Sie denn das Bild gemalt, Herr Doctor? und wie kommt es, Friedrich, daß Alles so unordentlich hier ist? — — Sie haben das Beste daran gemacht, Herr Robert, und ich 9-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/71>, abgerufen am 01.09.2024.