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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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der erste Mittwoch eines jeden Monats angesetzt. Man lernt da
gewöhnlich die zahlreichen fremden Musiker kennen, die Leipzig durch¬
streifen. Heinrich Laube öffnet sein gastfreundliches Haus jeden Don¬
nerstag Abend. Man ist dort immer sicher, gute Gesellschaft zu fin¬
den: Gelehrte, Schriftsteller und Künstler; die Liebenswürdigkeit der
geistvollen Hausfrau versteht es, Leben und Behaglichkeit unter den
Gästen zu verbreiten. -- Das "Museum" und der Literatenverein
bieten gleichfalls einen Vereinigungspunkt für literarische und wissen¬
schaftliche Welt. Das Museum kann als schlagender Beleg dienen,
wie lächerlich abgeschmackt die gesellschaftliche Absonderungslust der
ängstlichen Leipziger ist. Das Museum ist bekanntlich für Jedermann
zugänglich, ohne Unterschied des Standes und des Alters. Gegen
diesen liberalen -- gegen diesen vernünftigen Grundsatz hatten
Anfangs einige porzelanene Bedächtigkeitsmenschen Einwendungen ge¬
macht; sie fürchteten, aus ihrer gebrechlichen Vornehmheit könnten
durch das Zusammenstoßen mit der Jugend einige Scherben heraus¬
fallen. Allein bisher ist meines Wissens im Museum, wo doch die
vollblutigste Studentenjugend im langen wallenden Haare sich ein¬
findet, noch nicht Einmal ein Conflict vorgefallen, der jenen Grundsatz
bereuen ließe. -- Was den Literatenverein betrifft, so hat er aller¬
dings nicht jene Erwartungen befriedigt, die man Anfangs von ihm hatte.
Indessen hat er manches Gute zur Folge gehabt. Von der Unter¬
stützung armer Schriftsteller abgesehen, hat er auch noch manche jener
widerlichen Standale verhütet, die früher namentlich einige kleine
Journale schürten. Er hat einen gewissen Esprit de Corps ange¬
regt, der die herabwürdigende Personalpolemik bedeutend gemindert
hat; wenigstens in den Leipziger Zeitschriften. In Bezug auf Prin¬
zipienfragen hat die Thätigkeit des Literaten-Vereins sich unfrucht¬
barer gezeigt. Es schwebt in diesem Augenblicke in Leipzig ein Proceß,
der eine der wichtigsten Fragen des literarischen Eigenthums berührt
und wohl werth wäre, daß der Literatenverein seine Meinung dar¬
über abgebe. Es Handelt sich um Karl Beck's so eben erschienene
Gedichtsammlung. (Neue durchaus umgearbeitete und ver¬
mehrte Ausgabe). Karl Beck hat früher seine einzeln erschienenen
Dichtungen: "Nächte", "fahrender Poet" u. f. w. in einem Verlage
herausgegeben, der inzwischen aufgehört hat; der Dichter sah
'"ehe nur die Verbreitung seiner Werke plötzlich gehemmt, son-


der erste Mittwoch eines jeden Monats angesetzt. Man lernt da
gewöhnlich die zahlreichen fremden Musiker kennen, die Leipzig durch¬
streifen. Heinrich Laube öffnet sein gastfreundliches Haus jeden Don¬
nerstag Abend. Man ist dort immer sicher, gute Gesellschaft zu fin¬
den: Gelehrte, Schriftsteller und Künstler; die Liebenswürdigkeit der
geistvollen Hausfrau versteht es, Leben und Behaglichkeit unter den
Gästen zu verbreiten. — Das „Museum" und der Literatenverein
bieten gleichfalls einen Vereinigungspunkt für literarische und wissen¬
schaftliche Welt. Das Museum kann als schlagender Beleg dienen,
wie lächerlich abgeschmackt die gesellschaftliche Absonderungslust der
ängstlichen Leipziger ist. Das Museum ist bekanntlich für Jedermann
zugänglich, ohne Unterschied des Standes und des Alters. Gegen
diesen liberalen — gegen diesen vernünftigen Grundsatz hatten
Anfangs einige porzelanene Bedächtigkeitsmenschen Einwendungen ge¬
macht; sie fürchteten, aus ihrer gebrechlichen Vornehmheit könnten
durch das Zusammenstoßen mit der Jugend einige Scherben heraus¬
fallen. Allein bisher ist meines Wissens im Museum, wo doch die
vollblutigste Studentenjugend im langen wallenden Haare sich ein¬
findet, noch nicht Einmal ein Conflict vorgefallen, der jenen Grundsatz
bereuen ließe. — Was den Literatenverein betrifft, so hat er aller¬
dings nicht jene Erwartungen befriedigt, die man Anfangs von ihm hatte.
Indessen hat er manches Gute zur Folge gehabt. Von der Unter¬
stützung armer Schriftsteller abgesehen, hat er auch noch manche jener
widerlichen Standale verhütet, die früher namentlich einige kleine
Journale schürten. Er hat einen gewissen Esprit de Corps ange¬
regt, der die herabwürdigende Personalpolemik bedeutend gemindert
hat; wenigstens in den Leipziger Zeitschriften. In Bezug auf Prin¬
zipienfragen hat die Thätigkeit des Literaten-Vereins sich unfrucht¬
barer gezeigt. Es schwebt in diesem Augenblicke in Leipzig ein Proceß,
der eine der wichtigsten Fragen des literarischen Eigenthums berührt
und wohl werth wäre, daß der Literatenverein seine Meinung dar¬
über abgebe. Es Handelt sich um Karl Beck's so eben erschienene
Gedichtsammlung. (Neue durchaus umgearbeitete und ver¬
mehrte Ausgabe). Karl Beck hat früher seine einzeln erschienenen
Dichtungen: „Nächte", „fahrender Poet" u. f. w. in einem Verlage
herausgegeben, der inzwischen aufgehört hat; der Dichter sah
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[0601] der erste Mittwoch eines jeden Monats angesetzt. Man lernt da gewöhnlich die zahlreichen fremden Musiker kennen, die Leipzig durch¬ streifen. Heinrich Laube öffnet sein gastfreundliches Haus jeden Don¬ nerstag Abend. Man ist dort immer sicher, gute Gesellschaft zu fin¬ den: Gelehrte, Schriftsteller und Künstler; die Liebenswürdigkeit der geistvollen Hausfrau versteht es, Leben und Behaglichkeit unter den Gästen zu verbreiten. — Das „Museum" und der Literatenverein bieten gleichfalls einen Vereinigungspunkt für literarische und wissen¬ schaftliche Welt. Das Museum kann als schlagender Beleg dienen, wie lächerlich abgeschmackt die gesellschaftliche Absonderungslust der ängstlichen Leipziger ist. Das Museum ist bekanntlich für Jedermann zugänglich, ohne Unterschied des Standes und des Alters. Gegen diesen liberalen — gegen diesen vernünftigen Grundsatz hatten Anfangs einige porzelanene Bedächtigkeitsmenschen Einwendungen ge¬ macht; sie fürchteten, aus ihrer gebrechlichen Vornehmheit könnten durch das Zusammenstoßen mit der Jugend einige Scherben heraus¬ fallen. Allein bisher ist meines Wissens im Museum, wo doch die vollblutigste Studentenjugend im langen wallenden Haare sich ein¬ findet, noch nicht Einmal ein Conflict vorgefallen, der jenen Grundsatz bereuen ließe. — Was den Literatenverein betrifft, so hat er aller¬ dings nicht jene Erwartungen befriedigt, die man Anfangs von ihm hatte. Indessen hat er manches Gute zur Folge gehabt. Von der Unter¬ stützung armer Schriftsteller abgesehen, hat er auch noch manche jener widerlichen Standale verhütet, die früher namentlich einige kleine Journale schürten. Er hat einen gewissen Esprit de Corps ange¬ regt, der die herabwürdigende Personalpolemik bedeutend gemindert hat; wenigstens in den Leipziger Zeitschriften. In Bezug auf Prin¬ zipienfragen hat die Thätigkeit des Literaten-Vereins sich unfrucht¬ barer gezeigt. Es schwebt in diesem Augenblicke in Leipzig ein Proceß, der eine der wichtigsten Fragen des literarischen Eigenthums berührt und wohl werth wäre, daß der Literatenverein seine Meinung dar¬ über abgebe. Es Handelt sich um Karl Beck's so eben erschienene Gedichtsammlung. (Neue durchaus umgearbeitete und ver¬ mehrte Ausgabe). Karl Beck hat früher seine einzeln erschienenen Dichtungen: „Nächte", „fahrender Poet" u. f. w. in einem Verlage herausgegeben, der inzwischen aufgehört hat; der Dichter sah '"ehe nur die Verbreitung seiner Werke plötzlich gehemmt, son-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/601>, abgerufen am 27.07.2024.