Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band. So war er lang gewandert unerhellt, Des Innern rastlos Suchen trieb ihn weiter, Bis hier im Thal, so süß und friedensheiter, Ein Strahl in seine dunkle Seele fallt! Denn hier denkt Lenz die duftig'sten Gedanken, Die schnell, als Rosen sprießend, ihn umranken, Und segnend gießt er aus in reicher Fluth Der Mandel Schnee und der Granate Blut. ' Hier scheint ein Gott zu rudn, noch heiß und trunken Von einem Glück, Unsterblichen geweiht, Indeß der Schlüssel solcher Seligkeit Im Schlummer seiner müden Hand entsunken. Und Abdul spricht: "Was ich gedacht, gewollt, Vergeh' mit dieser Abendsonne Gold! Zufrieden ist der Baum mit seinen Blüthen, Das Meer mit seiner Wogen wildem Wüthen, Der Demant, wie der Stern mit seinem Schein; Das All, in sich beglückt und ohne Klage, Will aus der Menschheit schmerzentpreßte Frage Die unverstand'ne sel'ge Antwort sein. "Mir sagt sie, Wunsch und Thränen hinzugeben, Ich konnt' das Glück nicht nennen, nicht erstreben, Doch decke dieses Thales tiefe Ruh Die Seele mir mit seiner Stille zu. Ein Gletscher will ich steh'n, vom Lenz vergessen, Doch auch von keinem Wintersturm gebeugt, Bis sterbend einst mein stilles Herz bezeugt: Ich habe Nichts entbehrt und Nichts besessen! An seiner Brust den unerprobten Schild, Die Hand auf Waffen, die sein Gürtel hielt, Kehrt Abdul heim, als schon die breiten Schatten Der Nacht das schöne Thal umdüstert hatten, Das er zu einer Heimath sich ersehn. Schon sieht er seine Hütte, roh gezimmert, Doch jetzt vom Scheidekuß des Lichts umschimmert, Gleich einem gold'nen Friedenstempel stehn. So war er lang gewandert unerhellt, Des Innern rastlos Suchen trieb ihn weiter, Bis hier im Thal, so süß und friedensheiter, Ein Strahl in seine dunkle Seele fallt! Denn hier denkt Lenz die duftig'sten Gedanken, Die schnell, als Rosen sprießend, ihn umranken, Und segnend gießt er aus in reicher Fluth Der Mandel Schnee und der Granate Blut. ' Hier scheint ein Gott zu rudn, noch heiß und trunken Von einem Glück, Unsterblichen geweiht, Indeß der Schlüssel solcher Seligkeit Im Schlummer seiner müden Hand entsunken. Und Abdul spricht: „Was ich gedacht, gewollt, Vergeh' mit dieser Abendsonne Gold! Zufrieden ist der Baum mit seinen Blüthen, Das Meer mit seiner Wogen wildem Wüthen, Der Demant, wie der Stern mit seinem Schein; Das All, in sich beglückt und ohne Klage, Will aus der Menschheit schmerzentpreßte Frage Die unverstand'ne sel'ge Antwort sein. „Mir sagt sie, Wunsch und Thränen hinzugeben, Ich konnt' das Glück nicht nennen, nicht erstreben, Doch decke dieses Thales tiefe Ruh Die Seele mir mit seiner Stille zu. Ein Gletscher will ich steh'n, vom Lenz vergessen, Doch auch von keinem Wintersturm gebeugt, Bis sterbend einst mein stilles Herz bezeugt: Ich habe Nichts entbehrt und Nichts besessen! An seiner Brust den unerprobten Schild, Die Hand auf Waffen, die sein Gürtel hielt, Kehrt Abdul heim, als schon die breiten Schatten Der Nacht das schöne Thal umdüstert hatten, Das er zu einer Heimath sich ersehn. Schon sieht er seine Hütte, roh gezimmert, Doch jetzt vom Scheidekuß des Lichts umschimmert, Gleich einem gold'nen Friedenstempel stehn. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0594" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181778"/> <lg xml:id="POEMID_40" type="poem"> <l> So war er lang gewandert unerhellt,<lb/> Des Innern rastlos Suchen trieb ihn weiter,<lb/> Bis hier im Thal, so süß und friedensheiter,<lb/> Ein Strahl in seine dunkle Seele fallt!</l> <l> Denn hier denkt Lenz die duftig'sten Gedanken,<lb/> Die schnell, als Rosen sprießend, ihn umranken,<lb/> Und segnend gießt er aus in reicher Fluth<lb/> Der Mandel Schnee und der Granate Blut.<lb/> '<lb/> Hier scheint ein Gott zu rudn, noch heiß und trunken<lb/> Von einem Glück, Unsterblichen geweiht,<lb/> Indeß der Schlüssel solcher Seligkeit<lb/> Im Schlummer seiner müden Hand entsunken.<lb/></l> <l> Und Abdul spricht: „Was ich gedacht, gewollt,<lb/> Vergeh' mit dieser Abendsonne Gold!<lb/> Zufrieden ist der Baum mit seinen Blüthen,<lb/> Das Meer mit seiner Wogen wildem Wüthen,<lb/> Der Demant, wie der Stern mit seinem Schein;<lb/> Das All, in sich beglückt und ohne Klage,<lb/> Will aus der Menschheit schmerzentpreßte Frage<lb/> Die unverstand'ne sel'ge Antwort sein.</l> <l> „Mir sagt sie, Wunsch und Thränen hinzugeben,<lb/> Ich konnt' das Glück nicht nennen, nicht erstreben,<lb/> Doch decke dieses Thales tiefe Ruh<lb/> Die Seele mir mit seiner Stille zu.<lb/> Ein Gletscher will ich steh'n, vom Lenz vergessen,<lb/> Doch auch von keinem Wintersturm gebeugt,<lb/> Bis sterbend einst mein stilles Herz bezeugt:<lb/> Ich habe Nichts entbehrt und Nichts besessen!</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg xml:id="POEMID_41" type="poem"> <l> An seiner Brust den unerprobten Schild,<lb/> Die Hand auf Waffen, die sein Gürtel hielt,<lb/> Kehrt Abdul heim, als schon die breiten Schatten<lb/> Der Nacht das schöne Thal umdüstert hatten,<lb/> Das er zu einer Heimath sich ersehn.<lb/> Schon sieht er seine Hütte, roh gezimmert,<lb/> Doch jetzt vom Scheidekuß des Lichts umschimmert,<lb/> Gleich einem gold'nen Friedenstempel stehn.</l> </lg><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0594]
So war er lang gewandert unerhellt,
Des Innern rastlos Suchen trieb ihn weiter,
Bis hier im Thal, so süß und friedensheiter,
Ein Strahl in seine dunkle Seele fallt! Denn hier denkt Lenz die duftig'sten Gedanken,
Die schnell, als Rosen sprießend, ihn umranken,
Und segnend gießt er aus in reicher Fluth
Der Mandel Schnee und der Granate Blut.
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Hier scheint ein Gott zu rudn, noch heiß und trunken
Von einem Glück, Unsterblichen geweiht,
Indeß der Schlüssel solcher Seligkeit
Im Schlummer seiner müden Hand entsunken.
Und Abdul spricht: „Was ich gedacht, gewollt,
Vergeh' mit dieser Abendsonne Gold!
Zufrieden ist der Baum mit seinen Blüthen,
Das Meer mit seiner Wogen wildem Wüthen,
Der Demant, wie der Stern mit seinem Schein;
Das All, in sich beglückt und ohne Klage,
Will aus der Menschheit schmerzentpreßte Frage
Die unverstand'ne sel'ge Antwort sein. „Mir sagt sie, Wunsch und Thränen hinzugeben,
Ich konnt' das Glück nicht nennen, nicht erstreben,
Doch decke dieses Thales tiefe Ruh
Die Seele mir mit seiner Stille zu.
Ein Gletscher will ich steh'n, vom Lenz vergessen,
Doch auch von keinem Wintersturm gebeugt,
Bis sterbend einst mein stilles Herz bezeugt:
Ich habe Nichts entbehrt und Nichts besessen!
An seiner Brust den unerprobten Schild,
Die Hand auf Waffen, die sein Gürtel hielt,
Kehrt Abdul heim, als schon die breiten Schatten
Der Nacht das schöne Thal umdüstert hatten,
Das er zu einer Heimath sich ersehn.
Schon sieht er seine Hütte, roh gezimmert,
Doch jetzt vom Scheidekuß des Lichts umschimmert,
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