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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Ein Schrei, der bebend ihrer Brust entweicht,
Als ob sich Tod und Liebe um ihn stritten,
Ein letzter Blick, -- und sie hat ausgelitten,
Doch ihm des Leidens vollsten Kelch gereicht.
Er steht vom Ungeheuren starr betroffen,
'
Als wärs ein Spuk, deß Schwinden noch zu hoffen,
Vor ihm der Mann, der einer Schwester Schmach
Zu rächen, ihr erblühend Leben brach.
Der Mörder flieht, er fühlt sein Herz versteinen
Vor des Verzweifelnden Medusenblick,
'
Der Unglückselge bleibt allein zurück,
Um einsam in den Schooß der Nacht zu weinen.
Er weint -- doch eines Mannes Thränen sind
Die Thränen nicht, in die der Gram zerrinnt:
'
Die unerschöpften suos, die glühend tropfen
'
Aufs wunde Herz, so langs bestimmt zu klopfen.
Er fühlt, in seiner Seele klafft der Riß,
Der aller Menschen Sehnen trennt vom Glücke,
Der Glaube spannt, halb zweifelnd drob die Brücke,
Und nur der Tod versöhnt die Kluft gewiß!
Sein Schmerz hat sich an Thränen satt getrunken
Und ist ihm voll und schwer aufs Herz gesunken.
Er hält's umklammert, wie ein Raubthier, fest,
Das keinem Aweiten seine Beute läßt.
Doch Abdul fühlt, daß diese ernste Stunde,
Mehr als die Freude, die noch kaum verblüht,
Mit Gottes Odem drang in sein Gemüth,
Und daß der Schmerz mit Ewigen im Bunde.
Ihn überkommt der wunderbare Trost,
Der traurig lächelnd mit dem Unglück kost:
Daß für die Blume, die ihm ward genommen,
Ein Stern in seiner Seele aufgeglommen;
Für das Verlorne, schöne Erd engut,
Ein Himmels licht, das nimmer wird erbleichen,
Dem trüben Geist ein lodernd Flammenzeichen,
Daß seine Sendung nicht im Glücke ruht.
Doch plötzlich ein Gedanke ihn durchzittert,
Der seines Lebens tiefsten Kern erschüttert:
Das Wunder Gottes, das er sich gewann:
Vermag's zu brechen nicht des Todes Bann?

Ein Schrei, der bebend ihrer Brust entweicht,
Als ob sich Tod und Liebe um ihn stritten,
Ein letzter Blick, — und sie hat ausgelitten,
Doch ihm des Leidens vollsten Kelch gereicht.
Er steht vom Ungeheuren starr betroffen,
'
Als wärs ein Spuk, deß Schwinden noch zu hoffen,
Vor ihm der Mann, der einer Schwester Schmach
Zu rächen, ihr erblühend Leben brach.
Der Mörder flieht, er fühlt sein Herz versteinen
Vor des Verzweifelnden Medusenblick,
'
Der Unglückselge bleibt allein zurück,
Um einsam in den Schooß der Nacht zu weinen.
Er weint — doch eines Mannes Thränen sind
Die Thränen nicht, in die der Gram zerrinnt:
'
Die unerschöpften suos, die glühend tropfen
'
Aufs wunde Herz, so langs bestimmt zu klopfen.
Er fühlt, in seiner Seele klafft der Riß,
Der aller Menschen Sehnen trennt vom Glücke,
Der Glaube spannt, halb zweifelnd drob die Brücke,
Und nur der Tod versöhnt die Kluft gewiß!
Sein Schmerz hat sich an Thränen satt getrunken
Und ist ihm voll und schwer aufs Herz gesunken.
Er hält's umklammert, wie ein Raubthier, fest,
Das keinem Aweiten seine Beute läßt.
Doch Abdul fühlt, daß diese ernste Stunde,
Mehr als die Freude, die noch kaum verblüht,
Mit Gottes Odem drang in sein Gemüth,
Und daß der Schmerz mit Ewigen im Bunde.
Ihn überkommt der wunderbare Trost,
Der traurig lächelnd mit dem Unglück kost:
Daß für die Blume, die ihm ward genommen,
Ein Stern in seiner Seele aufgeglommen;
Für das Verlorne, schöne Erd engut,
Ein Himmels licht, das nimmer wird erbleichen,
Dem trüben Geist ein lodernd Flammenzeichen,
Daß seine Sendung nicht im Glücke ruht.
Doch plötzlich ein Gedanke ihn durchzittert,
Der seines Lebens tiefsten Kern erschüttert:
Das Wunder Gottes, das er sich gewann:
Vermag's zu brechen nicht des Todes Bann?

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[0587] Ein Schrei, der bebend ihrer Brust entweicht, Als ob sich Tod und Liebe um ihn stritten, Ein letzter Blick, — und sie hat ausgelitten, Doch ihm des Leidens vollsten Kelch gereicht. Er steht vom Ungeheuren starr betroffen, ' Als wärs ein Spuk, deß Schwinden noch zu hoffen, Vor ihm der Mann, der einer Schwester Schmach Zu rächen, ihr erblühend Leben brach. Der Mörder flieht, er fühlt sein Herz versteinen Vor des Verzweifelnden Medusenblick, ' Der Unglückselge bleibt allein zurück, Um einsam in den Schooß der Nacht zu weinen. Er weint — doch eines Mannes Thränen sind Die Thränen nicht, in die der Gram zerrinnt: ' Die unerschöpften suos, die glühend tropfen ' Aufs wunde Herz, so langs bestimmt zu klopfen. Er fühlt, in seiner Seele klafft der Riß, Der aller Menschen Sehnen trennt vom Glücke, Der Glaube spannt, halb zweifelnd drob die Brücke, Und nur der Tod versöhnt die Kluft gewiß! Sein Schmerz hat sich an Thränen satt getrunken Und ist ihm voll und schwer aufs Herz gesunken. Er hält's umklammert, wie ein Raubthier, fest, Das keinem Aweiten seine Beute läßt. Doch Abdul fühlt, daß diese ernste Stunde, Mehr als die Freude, die noch kaum verblüht, Mit Gottes Odem drang in sein Gemüth, Und daß der Schmerz mit Ewigen im Bunde. Ihn überkommt der wunderbare Trost, Der traurig lächelnd mit dem Unglück kost: Daß für die Blume, die ihm ward genommen, Ein Stern in seiner Seele aufgeglommen; Für das Verlorne, schöne Erd engut, Ein Himmels licht, das nimmer wird erbleichen, Dem trüben Geist ein lodernd Flammenzeichen, Daß seine Sendung nicht im Glücke ruht. Doch plötzlich ein Gedanke ihn durchzittert, Der seines Lebens tiefsten Kern erschüttert: Das Wunder Gottes, das er sich gewann: Vermag's zu brechen nicht des Todes Bann?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/587>, abgerufen am 28.07.2024.