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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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selben berücksichtigten altfranzösischen "Coutumes" germanisches Recht,
altgermanische, durch römisches Recht nicht getrübte Rechtsanschauun¬
gen enthielten. Als man in Magdeburg, in der Altmark erfuhr, was
"deutsche Freiheit" eigentlich bedeute, sah man sich bestürzt und ver¬
blüfft an. Verdutzt durch so unerwartete Ereignisse, fragte man sich:
ob man denn für die Wiederkehr des Alten, Abgelebten in's Feld ge¬
zogen, ob man Leib und Leben deswegen eingesetzt, damit ein kleiner
Theil des Volks durch privilegirten Gerichtsstand vor den andern
bevorrechtet, damit die alten Spaltungen des Volks wiederkehren und
der Gemeinsinn durch Trennung in bevorrechtete und nichtbevorrech-
tigte Stände untergraben würde; ob man deswegen "sich selbst
equipirt," ob man deswegen "seinen Sohn equipirt," damit die
Junkerherrschaft wiederkehre, damit ein Stand privilegirter Schollen-
besitzer wiedergeschaffen werde.

Demnächst wurde das "gutsherrlich-bäuerliche Verhältniß" in
den ehemals westfälischen Landestheilen besonders in Betracht ge¬
zogen, indem durch die westphälische Gesetzgebung die alten Zustände
wesentlich verändert waren. Der cou'v ^uj><"Jo"w betrachtete die dauer.'
liehen Prästationen als bloße, durch Vorrang eines adligen Guts über
bäuerliche erzeugte, mißverstandene, durch gutsherrliche Gewalt er¬
zwungene Personal-servitutem. Diese Erzeugnisse früherer Knecht¬
schaft wollte er durchaus abgeschafft wissen. Er kennt kein Ober¬
eigenthum, keinen Vorzug eines Guts vor dem andern, weshalb aus
einem gutsherrlichen Verhältnisse keine Rechte abgeleitet werden. Er
betrachtet die aus jenem Verhältniß entsprungenen Frohnden und
Dienste als aufgehoben. "Die sogenannten s".>könnt">8 iuris Uol--
mimici, Frohnen, Bannrechte, Grundzinsen können, sagt Zachariä,
nach französischem Rechte nicht erworben werden. Die Verfassung
der deutschen Staaten steht in dieser Beziehung in. einem auffallenden
Kontrast mildem besseren Geist, der in dem co"is it-^oloon lebt."

Die Lösung dieser Verhältnisse hatte eine Menge von Streitig¬
keiten und Prozessen hervorgerufen, die mehrentheils für die angeblich
'.wohlerworbenen Rechte" der Rittergutsbesitzer ungünstig ausfielen.
Die Ritter erwirkten also das Gesetz, die glitsherrlich-bäuerlichen Ver¬
hältnisse in den ehemals westphälischen Landestheilen betreffend, vom
2i>. September 1820. Indeß da die Gutsherrn nach wie vor ihre
Prozesse verloren, so gab dies bald zu "mehrern Zweifeln und Be-


selben berücksichtigten altfranzösischen „Coutumes" germanisches Recht,
altgermanische, durch römisches Recht nicht getrübte Rechtsanschauun¬
gen enthielten. Als man in Magdeburg, in der Altmark erfuhr, was
„deutsche Freiheit" eigentlich bedeute, sah man sich bestürzt und ver¬
blüfft an. Verdutzt durch so unerwartete Ereignisse, fragte man sich:
ob man denn für die Wiederkehr des Alten, Abgelebten in's Feld ge¬
zogen, ob man Leib und Leben deswegen eingesetzt, damit ein kleiner
Theil des Volks durch privilegirten Gerichtsstand vor den andern
bevorrechtet, damit die alten Spaltungen des Volks wiederkehren und
der Gemeinsinn durch Trennung in bevorrechtete und nichtbevorrech-
tigte Stände untergraben würde; ob man deswegen „sich selbst
equipirt," ob man deswegen „seinen Sohn equipirt," damit die
Junkerherrschaft wiederkehre, damit ein Stand privilegirter Schollen-
besitzer wiedergeschaffen werde.

Demnächst wurde das „gutsherrlich-bäuerliche Verhältniß" in
den ehemals westfälischen Landestheilen besonders in Betracht ge¬
zogen, indem durch die westphälische Gesetzgebung die alten Zustände
wesentlich verändert waren. Der cou'v ^uj><»Jo«w betrachtete die dauer.'
liehen Prästationen als bloße, durch Vorrang eines adligen Guts über
bäuerliche erzeugte, mißverstandene, durch gutsherrliche Gewalt er¬
zwungene Personal-servitutem. Diese Erzeugnisse früherer Knecht¬
schaft wollte er durchaus abgeschafft wissen. Er kennt kein Ober¬
eigenthum, keinen Vorzug eines Guts vor dem andern, weshalb aus
einem gutsherrlichen Verhältnisse keine Rechte abgeleitet werden. Er
betrachtet die aus jenem Verhältniß entsprungenen Frohnden und
Dienste als aufgehoben. „Die sogenannten s«.>könnt«>8 iuris Uol--
mimici, Frohnen, Bannrechte, Grundzinsen können, sagt Zachariä,
nach französischem Rechte nicht erworben werden. Die Verfassung
der deutschen Staaten steht in dieser Beziehung in. einem auffallenden
Kontrast mildem besseren Geist, der in dem co«is it-^oloon lebt."

Die Lösung dieser Verhältnisse hatte eine Menge von Streitig¬
keiten und Prozessen hervorgerufen, die mehrentheils für die angeblich
'.wohlerworbenen Rechte" der Rittergutsbesitzer ungünstig ausfielen.
Die Ritter erwirkten also das Gesetz, die glitsherrlich-bäuerlichen Ver¬
hältnisse in den ehemals westphälischen Landestheilen betreffend, vom
2i>. September 1820. Indeß da die Gutsherrn nach wie vor ihre
Prozesse verloren, so gab dies bald zu „mehrern Zweifeln und Be-


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[0579] selben berücksichtigten altfranzösischen „Coutumes" germanisches Recht, altgermanische, durch römisches Recht nicht getrübte Rechtsanschauun¬ gen enthielten. Als man in Magdeburg, in der Altmark erfuhr, was „deutsche Freiheit" eigentlich bedeute, sah man sich bestürzt und ver¬ blüfft an. Verdutzt durch so unerwartete Ereignisse, fragte man sich: ob man denn für die Wiederkehr des Alten, Abgelebten in's Feld ge¬ zogen, ob man Leib und Leben deswegen eingesetzt, damit ein kleiner Theil des Volks durch privilegirten Gerichtsstand vor den andern bevorrechtet, damit die alten Spaltungen des Volks wiederkehren und der Gemeinsinn durch Trennung in bevorrechtete und nichtbevorrech- tigte Stände untergraben würde; ob man deswegen „sich selbst equipirt," ob man deswegen „seinen Sohn equipirt," damit die Junkerherrschaft wiederkehre, damit ein Stand privilegirter Schollen- besitzer wiedergeschaffen werde. Demnächst wurde das „gutsherrlich-bäuerliche Verhältniß" in den ehemals westfälischen Landestheilen besonders in Betracht ge¬ zogen, indem durch die westphälische Gesetzgebung die alten Zustände wesentlich verändert waren. Der cou'v ^uj><»Jo«w betrachtete die dauer.' liehen Prästationen als bloße, durch Vorrang eines adligen Guts über bäuerliche erzeugte, mißverstandene, durch gutsherrliche Gewalt er¬ zwungene Personal-servitutem. Diese Erzeugnisse früherer Knecht¬ schaft wollte er durchaus abgeschafft wissen. Er kennt kein Ober¬ eigenthum, keinen Vorzug eines Guts vor dem andern, weshalb aus einem gutsherrlichen Verhältnisse keine Rechte abgeleitet werden. Er betrachtet die aus jenem Verhältniß entsprungenen Frohnden und Dienste als aufgehoben. „Die sogenannten s«.>könnt«>8 iuris Uol-- mimici, Frohnen, Bannrechte, Grundzinsen können, sagt Zachariä, nach französischem Rechte nicht erworben werden. Die Verfassung der deutschen Staaten steht in dieser Beziehung in. einem auffallenden Kontrast mildem besseren Geist, der in dem co«is it-^oloon lebt." Die Lösung dieser Verhältnisse hatte eine Menge von Streitig¬ keiten und Prozessen hervorgerufen, die mehrentheils für die angeblich '.wohlerworbenen Rechte" der Rittergutsbesitzer ungünstig ausfielen. Die Ritter erwirkten also das Gesetz, die glitsherrlich-bäuerlichen Ver¬ hältnisse in den ehemals westphälischen Landestheilen betreffend, vom 2i>. September 1820. Indeß da die Gutsherrn nach wie vor ihre Prozesse verloren, so gab dies bald zu „mehrern Zweifeln und Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/579>, abgerufen am 01.09.2024.