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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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lich die Rokoko-Mode wieder los sein werden -- sehr, ja unerträglich
geschmacklos erscheinen dürften. Inzwischen wollen wir darum dem
Baumeister Langhaus das Verdienst nicht schmälern, ein lichtes, freund¬
liches und zugleich reiches, elegantes Haus hergestellt zu haben, dessen
Raume bis zu den Korridors, Treppen und Foyers hinaus mit weiser
Anordnung benützt sind und das nicht, wie das verstorbene Opernhaus,
nur den in den Logen voransitzenden Auserwählten, sondern auch den
Späterkommenden oder Höflichzurücktretenden einen vollen Blick auf
das voll bezahlte Schauspiel gönnt.

Wahrscheinlich werden wir wohl noch zuweilen Gelegenheit haben,
von dem neuen Bau zu sprechen; für jetzt wollen wir uns aber in das
schlesische Feldlager begeben, das uns mitten auf den Schauplatz der
bekannten armen Weber versetzt, jedoch in eine Zeit, wo es noch keine
englische Dampsconcurrenz und noch keine Constitution in Spanien
gab, was damals unser bester Leinwandkunde war. Weit also zu
jener Zeit die armen Weber noch nicht so arm gewesen wie heute, so
waren sie auch, wie Figura zeigt, ungeachtet der Krieg sieben böse
Jahre lang auf ihnen gelastet, ein sehr lustiges Volk, das den großen
Fritz anbetete und sich für ihn rodtschlagen ließ. Diese gute Eigen¬
schaft der Schlesier hat nun Herr Rellstab mitsammt einigen Anekdoten
aus jenem siebenjährigen Krieg zu einem Operntext benutzen wollen,
doch sind ihm unter der Hand Scenen daraus geworden, die keinerlei
dramatisches Interesse darbieten und einen nur sehr losen Zusammen¬
hang haben. Nicht blos Scribe, sondern auch -- und damit wollen
wir dem auf anderem Gebiete ganz schätzenswerthen Talent des Herrn
Rellstab durchaus nicht zu nahe treten -- Karl v. Holtei oder Louis
Schneider wurden aus den gegebenen Elementen gewiß einen viel wirk¬
samern Stoff zusammengefügt haben. Herr R. hat zwar durch eine
von ihm in hiesigen Blättern abgegebene Erklärung angedeutet, daß
auch Ludwig Tieck und vielleicht noch Andere an der Autorschaft des
Textes Theil haben; unmöglich kann ihn jedoch einer der Mitwirkenden
gehindert haben, dem Plane mehr Einheit und Interesse und dem
Dialog eine größere Präcision und Kürze, sowie endlich der langen
poetischen Erklärung der Traumbilder mehr Poesie und Verständlichkeit
zu geben. Meyerbeer hat aus diesem Texte Alles gemacht, was mög¬
licherweise daraus zu machen war; er hat keine Gelegenheit, die der
Dichter ihm zu einer wirksamen Entwicklung seiner Kunst gegeben,
unbenutzt gelassen, und wir müssen gestehen, es ist ihm sogar gelungen,
einem höchst unpoetischen Gegenstand: dem Zopf- und Stock-Soldaten
des vorigen Jahrhunderts, ein musikalisches Gewand umzuhängen,
unter dem er für alle Zeiten poetisch wird. Noch klingen uns die
kriegerischen Melodien in den Ohren, die wir gestern gehört, und wir
sind überzeugt, daß sowohl dasZiethenscheHusarenlicd, als der Marsch-


Grenzbotcn II. 7Z

lich die Rokoko-Mode wieder los sein werden — sehr, ja unerträglich
geschmacklos erscheinen dürften. Inzwischen wollen wir darum dem
Baumeister Langhaus das Verdienst nicht schmälern, ein lichtes, freund¬
liches und zugleich reiches, elegantes Haus hergestellt zu haben, dessen
Raume bis zu den Korridors, Treppen und Foyers hinaus mit weiser
Anordnung benützt sind und das nicht, wie das verstorbene Opernhaus,
nur den in den Logen voransitzenden Auserwählten, sondern auch den
Späterkommenden oder Höflichzurücktretenden einen vollen Blick auf
das voll bezahlte Schauspiel gönnt.

Wahrscheinlich werden wir wohl noch zuweilen Gelegenheit haben,
von dem neuen Bau zu sprechen; für jetzt wollen wir uns aber in das
schlesische Feldlager begeben, das uns mitten auf den Schauplatz der
bekannten armen Weber versetzt, jedoch in eine Zeit, wo es noch keine
englische Dampsconcurrenz und noch keine Constitution in Spanien
gab, was damals unser bester Leinwandkunde war. Weit also zu
jener Zeit die armen Weber noch nicht so arm gewesen wie heute, so
waren sie auch, wie Figura zeigt, ungeachtet der Krieg sieben böse
Jahre lang auf ihnen gelastet, ein sehr lustiges Volk, das den großen
Fritz anbetete und sich für ihn rodtschlagen ließ. Diese gute Eigen¬
schaft der Schlesier hat nun Herr Rellstab mitsammt einigen Anekdoten
aus jenem siebenjährigen Krieg zu einem Operntext benutzen wollen,
doch sind ihm unter der Hand Scenen daraus geworden, die keinerlei
dramatisches Interesse darbieten und einen nur sehr losen Zusammen¬
hang haben. Nicht blos Scribe, sondern auch — und damit wollen
wir dem auf anderem Gebiete ganz schätzenswerthen Talent des Herrn
Rellstab durchaus nicht zu nahe treten — Karl v. Holtei oder Louis
Schneider wurden aus den gegebenen Elementen gewiß einen viel wirk¬
samern Stoff zusammengefügt haben. Herr R. hat zwar durch eine
von ihm in hiesigen Blättern abgegebene Erklärung angedeutet, daß
auch Ludwig Tieck und vielleicht noch Andere an der Autorschaft des
Textes Theil haben; unmöglich kann ihn jedoch einer der Mitwirkenden
gehindert haben, dem Plane mehr Einheit und Interesse und dem
Dialog eine größere Präcision und Kürze, sowie endlich der langen
poetischen Erklärung der Traumbilder mehr Poesie und Verständlichkeit
zu geben. Meyerbeer hat aus diesem Texte Alles gemacht, was mög¬
licherweise daraus zu machen war; er hat keine Gelegenheit, die der
Dichter ihm zu einer wirksamen Entwicklung seiner Kunst gegeben,
unbenutzt gelassen, und wir müssen gestehen, es ist ihm sogar gelungen,
einem höchst unpoetischen Gegenstand: dem Zopf- und Stock-Soldaten
des vorigen Jahrhunderts, ein musikalisches Gewand umzuhängen,
unter dem er für alle Zeiten poetisch wird. Noch klingen uns die
kriegerischen Melodien in den Ohren, die wir gestern gehört, und wir
sind überzeugt, daß sowohl dasZiethenscheHusarenlicd, als der Marsch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/565>, abgerufen am 01.09.2024.