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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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anderen Provinz (die Einen sagen nach Grätz, die Andern nach Trieft)
avanciren und Graf Stadion als Oberstburggraf und zweiter Guber-
nialprasident nach Prag kommen soll. Der vieczehntägige Aufenthalt
des Erzherzogs Stephan in Wien soll damit zusammenhangen. Es
muß binnen Kurzem sich entscheiden, wie viel an diesem Gerüchte
-- * . * -- Wahres ist.


III.
Aus Berlin.

Der Korrespondent der Grenzboten im neuen Operiihause. -- Der Kronleuch¬
ter. -- Gerechtigkeit gegen die Verspäteten und Hoflichen. -- ReUstab als
Operndichter. -- Meyerbeer. -- Die sechs Träume des großen Fritz. --

Das hätten wir also glücklich hinter uns! Ich meine die Eröff¬
nung des neuen Opernhauses und die erste Aufführung der Rellstab-
Meyerbeerschen Festoper. Der König hatte dazu nicht blos einen kleinen
Congreß fremder Fürsten, sondern auch sämmtliche Gesandte und Ge¬
sandtinnen, die Minister und die Großwürdcn des Staates, sowie alle
Notabilitäten der Wissenschaft, der Kunst und der Literatur geladen.
Daß sich unter den Letzteren auch der Correspondent der "Grenzboten"
befand, versteht sich von selbst, und so habe ich es denn Ihnen zu
verdanken, daß ich -- was ich heute vor acht Tagen noch nicht ahnen
konnte -- das neue Haus und ditto neue Schauspiel mit aller Be¬
quemlichkeit übersehen konnte, denn ich saß auf einem der höchsten
Plätze des dritten Ranges. Hier hatte ich vor Allem Gelegenheit, den
großen Kronleuchter zu bewundern. Herr, das ist ein wahres Meister¬
stück des wieder über uns hereinbrechenden Barock- und Perrückenstyls!
Wenn die selige Frau Maintenon oder ihre unselige Nachfolgerin,
Frau von Pompadour, einen solchen Kronleuchter hätte haben können,
so würden sie ihr Königreich dafür gegeben haben. Denken Sie sich
eine ungeheure Kreuzspinne, die an jedem ihrer Beine einen in die
Höhe stehenden Zopf trägt, der einer reichen Garbe von Gasflammen
in der Form von Wachslichtern zum Halter dient, wahrend das Ganze
auch nach unten in einen furchtbaren Zopf zusammenläuft. Es ist
das wirklich die prächtigste Ironie auf den uns nun zum zweitenmal
aus Frankreich zuströmenden Barockgeschmack, denn dieser Leuchter
hängt mitten in einem Saale, der bei allem Rokoko einzelner Ver¬
zierungen doch den Geschmack an dem wahrhaft edlen antiken Baustyl,
von welchem Schinkel und seine Schule durchdrungen waren, noch
nicht ganz zu verläugnen vermag. Besonders das breite imposante
Proscenium, die olympischen Deckengemälde und die mit der Königs¬
krone geschmückte große Mittelloge tragen diesen Charakter, wahrend
die zu den Füßen des ersten Logenranges blasenden, paukenden und
klingelnden Engellein schon in zehn Jahren -- bis wohin wir hoffend-


anderen Provinz (die Einen sagen nach Grätz, die Andern nach Trieft)
avanciren und Graf Stadion als Oberstburggraf und zweiter Guber-
nialprasident nach Prag kommen soll. Der vieczehntägige Aufenthalt
des Erzherzogs Stephan in Wien soll damit zusammenhangen. Es
muß binnen Kurzem sich entscheiden, wie viel an diesem Gerüchte
— * . * — Wahres ist.


III.
Aus Berlin.

Der Korrespondent der Grenzboten im neuen Operiihause. — Der Kronleuch¬
ter. — Gerechtigkeit gegen die Verspäteten und Hoflichen. — ReUstab als
Operndichter. — Meyerbeer. — Die sechs Träume des großen Fritz. —

Das hätten wir also glücklich hinter uns! Ich meine die Eröff¬
nung des neuen Opernhauses und die erste Aufführung der Rellstab-
Meyerbeerschen Festoper. Der König hatte dazu nicht blos einen kleinen
Congreß fremder Fürsten, sondern auch sämmtliche Gesandte und Ge¬
sandtinnen, die Minister und die Großwürdcn des Staates, sowie alle
Notabilitäten der Wissenschaft, der Kunst und der Literatur geladen.
Daß sich unter den Letzteren auch der Correspondent der „Grenzboten"
befand, versteht sich von selbst, und so habe ich es denn Ihnen zu
verdanken, daß ich — was ich heute vor acht Tagen noch nicht ahnen
konnte — das neue Haus und ditto neue Schauspiel mit aller Be¬
quemlichkeit übersehen konnte, denn ich saß auf einem der höchsten
Plätze des dritten Ranges. Hier hatte ich vor Allem Gelegenheit, den
großen Kronleuchter zu bewundern. Herr, das ist ein wahres Meister¬
stück des wieder über uns hereinbrechenden Barock- und Perrückenstyls!
Wenn die selige Frau Maintenon oder ihre unselige Nachfolgerin,
Frau von Pompadour, einen solchen Kronleuchter hätte haben können,
so würden sie ihr Königreich dafür gegeben haben. Denken Sie sich
eine ungeheure Kreuzspinne, die an jedem ihrer Beine einen in die
Höhe stehenden Zopf trägt, der einer reichen Garbe von Gasflammen
in der Form von Wachslichtern zum Halter dient, wahrend das Ganze
auch nach unten in einen furchtbaren Zopf zusammenläuft. Es ist
das wirklich die prächtigste Ironie auf den uns nun zum zweitenmal
aus Frankreich zuströmenden Barockgeschmack, denn dieser Leuchter
hängt mitten in einem Saale, der bei allem Rokoko einzelner Ver¬
zierungen doch den Geschmack an dem wahrhaft edlen antiken Baustyl,
von welchem Schinkel und seine Schule durchdrungen waren, noch
nicht ganz zu verläugnen vermag. Besonders das breite imposante
Proscenium, die olympischen Deckengemälde und die mit der Königs¬
krone geschmückte große Mittelloge tragen diesen Charakter, wahrend
die zu den Füßen des ersten Logenranges blasenden, paukenden und
klingelnden Engellein schon in zehn Jahren — bis wohin wir hoffend-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/564>, abgerufen am 05.12.2024.