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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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dernswerther, dem es doch gelungen ist, in einer Zeit von drei, vier
Jahren eine Reihe von Bänden zusammenzuschreiben, die wie sein
"Oesterreich und seine Staatsmänner, zwei Bände", "Oesterreichs Fort¬
schritt seit dem Jahre 1840", "Böhmen und seine Zukunft" ,c. le., eine
barocke Mischung von Lobhudeleien und anstößigen Privatanekdoten
sind, wo die eine Seite immer der Tendenz und dem Inhalte der an¬
deren widerspricht und der krause Styl dieses Alles wie eine große
Wassersuppe die eingeschnittenen Brocken umschließt. -- Graf * * *
macht kein Hehl daraus, daß er die Schriftstellerei blos als Industrie,
als Mittel zum Lebensunterhalte treibt. "Nach einem Jahre" sagte
er vor Kurzem -- "bin ich mit allem Stosse zu Ende, ich kann dann
gar Nichts mehr schreiben und bin ein Bettler." Die Lage dieses
Mannes ist wirklich eine bemitleidenswerthe, da er überdies stets krän¬
kelt und mit seiner dürren bleichen Gestalt einen wahrhaft rührenden
Eindruck macht. Sollten unsere Stände nicht ein kleines Aemtchen,
oder ein Paar hundert Gulden jährlicher Pension übrig haben zur
Unterstützung eines armen Standesgenossen, der-, wenn sie ihn auch
nicht als den ihrigen betrachten, doch immer durch seinen Titel ein
zweideutiges Licht auf die Gesammtheit wirft und durch Hunger ge¬
nöthigt ist, Skandal zu machen? An dem großen Unglück des Grafen
* * * gehört nämlich auch der Umstand, daß er persönlich ein
sogenannter "herzensguter Kerl" ist und nur um pikant zu sein und
seiner Waare guten Abgang zu verschaffen, Privatanekdoten seinen
Pamphleten einstreuen muß, welche die Ehre und das Lebensglück der
achtbarsten Personen untergraben würden, wenn man ihm Glauben
schenken möchte.

Daß unser Theater Herrn Stöger nach Ablauf seines Contracts
definitiv entzogen werden wird, erleidet keinen Zweifel mehr. Unser
Theater, welches vor zwei Decennien noch zu den ersten Bühnen
Deutschlands gehörte, ist in den letzten Jahren zu dem Range einer
weniger als gewöhnlichen Provinzialbühne herabgesunken. Namentlich
was das Schauspiel betrifft. Allerdings ist Stöger nicht alle Schuld
beizumessen, da der Umstand, daß kein Schauspieler, der zehn Jahre
an der hiesigen Bühne ist, verabschiedet werden kann, ihn zwingt, man¬
chen Veteranen, der sich längst überlebte, beizubehalten. Diese Ent¬
schuldigung reicht jedoch nicht aus, um die großen Mängel alle ins¬
gesammt zu decken. Die Stände wollen daher die Bühne selbst über¬
nehmen und durch einen eigenen Ausschuß aus ihrer Mitte verwalten
lassen. Im Falle dieser Plan nicht reussiren sollte, werden die Ge¬
brüder Haase (die bekannten Buchhändler, Druckerei-Inhaber und
Pächter der "Prager Zeitung") als diejenigen genannt, denen das Thea¬
ter übergeben werden soll.

Wir leben nun in voller Ungewißheit., ob der Bahnhof in di-
Stadtvder außerhalb der .Stadt.kommt, und haben diese leider der über-


dernswerther, dem es doch gelungen ist, in einer Zeit von drei, vier
Jahren eine Reihe von Bänden zusammenzuschreiben, die wie sein
„Oesterreich und seine Staatsmänner, zwei Bände", „Oesterreichs Fort¬
schritt seit dem Jahre 1840", „Böhmen und seine Zukunft" ,c. le., eine
barocke Mischung von Lobhudeleien und anstößigen Privatanekdoten
sind, wo die eine Seite immer der Tendenz und dem Inhalte der an¬
deren widerspricht und der krause Styl dieses Alles wie eine große
Wassersuppe die eingeschnittenen Brocken umschließt. — Graf * * *
macht kein Hehl daraus, daß er die Schriftstellerei blos als Industrie,
als Mittel zum Lebensunterhalte treibt. „Nach einem Jahre" sagte
er vor Kurzem — „bin ich mit allem Stosse zu Ende, ich kann dann
gar Nichts mehr schreiben und bin ein Bettler." Die Lage dieses
Mannes ist wirklich eine bemitleidenswerthe, da er überdies stets krän¬
kelt und mit seiner dürren bleichen Gestalt einen wahrhaft rührenden
Eindruck macht. Sollten unsere Stände nicht ein kleines Aemtchen,
oder ein Paar hundert Gulden jährlicher Pension übrig haben zur
Unterstützung eines armen Standesgenossen, der-, wenn sie ihn auch
nicht als den ihrigen betrachten, doch immer durch seinen Titel ein
zweideutiges Licht auf die Gesammtheit wirft und durch Hunger ge¬
nöthigt ist, Skandal zu machen? An dem großen Unglück des Grafen
* * * gehört nämlich auch der Umstand, daß er persönlich ein
sogenannter „herzensguter Kerl" ist und nur um pikant zu sein und
seiner Waare guten Abgang zu verschaffen, Privatanekdoten seinen
Pamphleten einstreuen muß, welche die Ehre und das Lebensglück der
achtbarsten Personen untergraben würden, wenn man ihm Glauben
schenken möchte.

Daß unser Theater Herrn Stöger nach Ablauf seines Contracts
definitiv entzogen werden wird, erleidet keinen Zweifel mehr. Unser
Theater, welches vor zwei Decennien noch zu den ersten Bühnen
Deutschlands gehörte, ist in den letzten Jahren zu dem Range einer
weniger als gewöhnlichen Provinzialbühne herabgesunken. Namentlich
was das Schauspiel betrifft. Allerdings ist Stöger nicht alle Schuld
beizumessen, da der Umstand, daß kein Schauspieler, der zehn Jahre
an der hiesigen Bühne ist, verabschiedet werden kann, ihn zwingt, man¬
chen Veteranen, der sich längst überlebte, beizubehalten. Diese Ent¬
schuldigung reicht jedoch nicht aus, um die großen Mängel alle ins¬
gesammt zu decken. Die Stände wollen daher die Bühne selbst über¬
nehmen und durch einen eigenen Ausschuß aus ihrer Mitte verwalten
lassen. Im Falle dieser Plan nicht reussiren sollte, werden die Ge¬
brüder Haase (die bekannten Buchhändler, Druckerei-Inhaber und
Pächter der „Prager Zeitung") als diejenigen genannt, denen das Thea¬
ter übergeben werden soll.

Wir leben nun in voller Ungewißheit., ob der Bahnhof in di-
Stadtvder außerhalb der .Stadt.kommt, und haben diese leider der über-


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[0562] dernswerther, dem es doch gelungen ist, in einer Zeit von drei, vier Jahren eine Reihe von Bänden zusammenzuschreiben, die wie sein „Oesterreich und seine Staatsmänner, zwei Bände", „Oesterreichs Fort¬ schritt seit dem Jahre 1840", „Böhmen und seine Zukunft" ,c. le., eine barocke Mischung von Lobhudeleien und anstößigen Privatanekdoten sind, wo die eine Seite immer der Tendenz und dem Inhalte der an¬ deren widerspricht und der krause Styl dieses Alles wie eine große Wassersuppe die eingeschnittenen Brocken umschließt. — Graf * * * macht kein Hehl daraus, daß er die Schriftstellerei blos als Industrie, als Mittel zum Lebensunterhalte treibt. „Nach einem Jahre" sagte er vor Kurzem — „bin ich mit allem Stosse zu Ende, ich kann dann gar Nichts mehr schreiben und bin ein Bettler." Die Lage dieses Mannes ist wirklich eine bemitleidenswerthe, da er überdies stets krän¬ kelt und mit seiner dürren bleichen Gestalt einen wahrhaft rührenden Eindruck macht. Sollten unsere Stände nicht ein kleines Aemtchen, oder ein Paar hundert Gulden jährlicher Pension übrig haben zur Unterstützung eines armen Standesgenossen, der-, wenn sie ihn auch nicht als den ihrigen betrachten, doch immer durch seinen Titel ein zweideutiges Licht auf die Gesammtheit wirft und durch Hunger ge¬ nöthigt ist, Skandal zu machen? An dem großen Unglück des Grafen * * * gehört nämlich auch der Umstand, daß er persönlich ein sogenannter „herzensguter Kerl" ist und nur um pikant zu sein und seiner Waare guten Abgang zu verschaffen, Privatanekdoten seinen Pamphleten einstreuen muß, welche die Ehre und das Lebensglück der achtbarsten Personen untergraben würden, wenn man ihm Glauben schenken möchte. Daß unser Theater Herrn Stöger nach Ablauf seines Contracts definitiv entzogen werden wird, erleidet keinen Zweifel mehr. Unser Theater, welches vor zwei Decennien noch zu den ersten Bühnen Deutschlands gehörte, ist in den letzten Jahren zu dem Range einer weniger als gewöhnlichen Provinzialbühne herabgesunken. Namentlich was das Schauspiel betrifft. Allerdings ist Stöger nicht alle Schuld beizumessen, da der Umstand, daß kein Schauspieler, der zehn Jahre an der hiesigen Bühne ist, verabschiedet werden kann, ihn zwingt, man¬ chen Veteranen, der sich längst überlebte, beizubehalten. Diese Ent¬ schuldigung reicht jedoch nicht aus, um die großen Mängel alle ins¬ gesammt zu decken. Die Stände wollen daher die Bühne selbst über¬ nehmen und durch einen eigenen Ausschuß aus ihrer Mitte verwalten lassen. Im Falle dieser Plan nicht reussiren sollte, werden die Ge¬ brüder Haase (die bekannten Buchhändler, Druckerei-Inhaber und Pächter der „Prager Zeitung") als diejenigen genannt, denen das Thea¬ ter übergeben werden soll. Wir leben nun in voller Ungewißheit., ob der Bahnhof in di- Stadtvder außerhalb der .Stadt.kommt, und haben diese leider der über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/562>, abgerufen am 28.07.2024.