Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.ten sie nicht daran gedacht haben, daß alle finsteren Tyrannen, alle Das mögen sie allerdings gewußt haben; aber der Gedanke Man that überhaupt im 19. Jahrhundert gar Vieles aus Furcht ten sie nicht daran gedacht haben, daß alle finsteren Tyrannen, alle Das mögen sie allerdings gewußt haben; aber der Gedanke Man that überhaupt im 19. Jahrhundert gar Vieles aus Furcht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181712"/> <p xml:id="ID_1499" prev="#ID_1498"> ten sie nicht daran gedacht haben, daß alle finsteren Tyrannen, alle<lb/> Lichtfeinde und Sklavenseelen geborene Freunde und Gönner, der<lb/> ganze Schwarm der Jesuiten, Fanatiker und Ketzerrichter die stets<lb/> gerüsteten Vertheidiger der Censur, — dagegen die besten Fürsten und<lb/> Staatsmänner die entschiedensten Freunde der Publicität gewesen<lb/> find, und daß also die Censur niemals die öffentliche Meinung für<lb/> sich haben wird"? —</p><lb/> <p xml:id="ID_1500"> Das mögen sie allerdings gewußt haben; aber der Gedanke<lb/> überwog, durch Präventivmaßregeln das Unheil zu hindern, welches<lb/> in Folge einer freien Presse möglicher Weise wohl eintreten könnte.<lb/> Diese Absicht war allerdings sehr löblich; aber man bedachte nicht,<lb/> daß es Mittel gibt, die schlimmer sind, als die Krankheit, und daß<lb/> es ein bedenkliches Verfahren ist, die muthwilligen Seitensprünge der<lb/> Literatur dadurch unmöglich zu machen, daß man ihr die Sehnen<lb/> verschneidet. Daß übrigens die Censur in Deutschland nicht von so<lb/> traurigen Resultaten begleitet war, als in anderen Ländern, verdankte<lb/> man seiner Verfassung. Der Mangel an Einheit und Centralisation<lb/> hatte wenigstens das Gute, daß die Schreibefreiheit immer irgend ei¬<lb/> nen Schlupfwinkel gegen die Verfolgungen der Censur und Polizei<lb/> finden konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1501" next="#ID_1502"> Man that überhaupt im 19. Jahrhundert gar Vieles aus Furcht<lb/> vor einer revolutionären Volksherrschaft, was wohl revolutionäre Ge¬<lb/> lüste hätte erregen können, wenn die Deutschen die geringste Anlage<lb/> dazu gehabt hatten. Die konstitutionellen Verfassungen, welche bald<lb/> nach dem Wiener Kongresse hier und da eingeführt wurden, waren<lb/> den Liebhabern des Absolutismus ein Dorn im Auge, und die Ge¬<lb/> walthaber thaten ihr Möglichstes, um sie zu einer leeren Form herab¬<lb/> zuwürdigen. Die ehrwürdigen Amphiktionen zu Frankfurt schienen<lb/> selbst gegen diese Verfassungen eingenommen zu sein und ließen es<lb/> geschehen, wenn von Seiten der Fürsten Angriffe auf dieselben erfolg¬<lb/> ten, die, von einer Privatperson unternommen, als Hochverrath be¬<lb/> straft worden wären. Die Begründer und Vertheidiger dieser Palla¬<lb/> dien der politischen Freiheit, wurden häufig verfolgt, in Anklagestand<lb/> versetzt und als politische Verbrecher zum Kerker verurtheilt. Sieben<lb/> Professoren zu Göttingen, die ihre patriotische Ueberzeugung nicht un-<lb/> terthänigst abschwören wollten, wurden aus ihrer Stellung vertrieben,<lb/> und ein preußischer Minister machte es der Stadt Elbing zum Vor-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0528]
ten sie nicht daran gedacht haben, daß alle finsteren Tyrannen, alle
Lichtfeinde und Sklavenseelen geborene Freunde und Gönner, der
ganze Schwarm der Jesuiten, Fanatiker und Ketzerrichter die stets
gerüsteten Vertheidiger der Censur, — dagegen die besten Fürsten und
Staatsmänner die entschiedensten Freunde der Publicität gewesen
find, und daß also die Censur niemals die öffentliche Meinung für
sich haben wird"? —
Das mögen sie allerdings gewußt haben; aber der Gedanke
überwog, durch Präventivmaßregeln das Unheil zu hindern, welches
in Folge einer freien Presse möglicher Weise wohl eintreten könnte.
Diese Absicht war allerdings sehr löblich; aber man bedachte nicht,
daß es Mittel gibt, die schlimmer sind, als die Krankheit, und daß
es ein bedenkliches Verfahren ist, die muthwilligen Seitensprünge der
Literatur dadurch unmöglich zu machen, daß man ihr die Sehnen
verschneidet. Daß übrigens die Censur in Deutschland nicht von so
traurigen Resultaten begleitet war, als in anderen Ländern, verdankte
man seiner Verfassung. Der Mangel an Einheit und Centralisation
hatte wenigstens das Gute, daß die Schreibefreiheit immer irgend ei¬
nen Schlupfwinkel gegen die Verfolgungen der Censur und Polizei
finden konnte.
Man that überhaupt im 19. Jahrhundert gar Vieles aus Furcht
vor einer revolutionären Volksherrschaft, was wohl revolutionäre Ge¬
lüste hätte erregen können, wenn die Deutschen die geringste Anlage
dazu gehabt hatten. Die konstitutionellen Verfassungen, welche bald
nach dem Wiener Kongresse hier und da eingeführt wurden, waren
den Liebhabern des Absolutismus ein Dorn im Auge, und die Ge¬
walthaber thaten ihr Möglichstes, um sie zu einer leeren Form herab¬
zuwürdigen. Die ehrwürdigen Amphiktionen zu Frankfurt schienen
selbst gegen diese Verfassungen eingenommen zu sein und ließen es
geschehen, wenn von Seiten der Fürsten Angriffe auf dieselben erfolg¬
ten, die, von einer Privatperson unternommen, als Hochverrath be¬
straft worden wären. Die Begründer und Vertheidiger dieser Palla¬
dien der politischen Freiheit, wurden häufig verfolgt, in Anklagestand
versetzt und als politische Verbrecher zum Kerker verurtheilt. Sieben
Professoren zu Göttingen, die ihre patriotische Ueberzeugung nicht un-
terthänigst abschwören wollten, wurden aus ihrer Stellung vertrieben,
und ein preußischer Minister machte es der Stadt Elbing zum Vor-
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