Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.glauben pflegt, was man wünscht, so wünscht man oft zuletzt das -- Herr Minister Eichhorn hat in Königsberg mit wahrhaft -- Noch immer scheint die Idee einer deutschen Flotte Vielen -- Offenbar ward Weitling der Hcimathsrechte beraubt, indem Verlag von Ar. Lndw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich AndrS. glauben pflegt, was man wünscht, so wünscht man oft zuletzt das — Herr Minister Eichhorn hat in Königsberg mit wahrhaft — Noch immer scheint die Idee einer deutschen Flotte Vielen — Offenbar ward Weitling der Hcimathsrechte beraubt, indem Verlag von Ar. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich AndrS. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181236"/> <p xml:id="ID_93" prev="#ID_92"> glauben pflegt, was man wünscht, so wünscht man oft zuletzt das<lb/> Unangenehmste, nur um nicht zum falschen Propheten zu werden,</p><lb/> <p xml:id="ID_94"> — Herr Minister Eichhorn hat in Königsberg mit wahrhaft<lb/> dankenswerther Offenheit seine Ansichten über Lehrfreiheit ausgespro¬<lb/> chen. Er meinte, die Naturwissenschaften bedürften allerdings einer<lb/> unbeschränkten Lehrfreiheit — das ist doch ein Schritt weiter, als<lb/> Rom zu Galilei's Zeiten that, obwohl nicht zu verkennen, daß da¬<lb/> mals Physik und Astronomie von ähnlichen Einfluß auf den Kir¬<lb/> chenglauben waren, wie heut zu Tage die uneracten Wissenschaften<lb/> — allein was Philosophie, Geschichte u. s. w. betreffe, so habe der<lb/> Staat „bestimmte Formen", innerhalb deren allein sich diese<lb/> Wissenschaften entwickeln dürften. Was will man mehr? Phi¬<lb/> losophie und Geschichte, innerhalb der bestimmten Formen des preu¬<lb/> ßischen ^ nein des Eichhorn'schen Staats! — Ferner soll Herr Eich¬<lb/> horn — doch das ist nur Gerücht unter den berühmten Namen<lb/> Königsbergs manche Irrsterne entdeckt haben, darunter einen, der frei¬<lb/> lich dieses ganze Jahrhundert verführt hat: Kant!</p><lb/> <p xml:id="ID_95"> — Noch immer scheint die Idee einer deutschen Flotte Vielen<lb/> so chimärisch und lächerlich, daß sie sich scheuen, ein Wort darüber<lb/> zu verlieren. Das ist der rechte deutsche Unstern, der wahre Schle-<lb/> miehl. Man kann sich selbst gar nicht als einen ordentlichen Kerl<lb/> denken. Die Schwierigkeiten, die an eine deutsche Seemacht nicht<lb/> denken lassen, sind auch mehr moralisch, als materiell. Die Kölni¬<lb/> sche Zeitung hat das Verdienst, über diese Frage fortwährend die<lb/> interessantesten Details zu sammeln. Deutschland könnte wenigstens<lb/> eine größere Kriegsmarine haben, als Dänemark, oder Schweden<lb/> oder Nußland, — wenn es nur etwas einiger wäre. Deutschland hat,<lb/> nach England und Amerika, die größte Kaussartheischifffahrt; achttau¬<lb/> send deutsche Handelsschiffe müssen Englands Protektorat anrufen, um<lb/> vor Beleidigungen auf der See sicher zu sein!</p><lb/> <p xml:id="ID_96"> — Offenbar ward Weitling der Hcimathsrechte beraubt, indem<lb/> man ein 1842 erlassenes Gesetz auf den zehn Jahre vorher Ausge¬<lb/> wanderten anwandte. Ein Berüchtiger in der Deutschen Allgemeinen<lb/> hat es unwillkürlich erst recht in's Licht gestellt. Aber Niemand em¬<lb/> pört es; war's doch nur ein Schneidergesell, ein Communist. Das ist<lb/> „Ansehen der Person" und nicht deutsches Rechtsgefühl.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von Ar. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.<lb/> Druck von Friedrich AndrS.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0052]
glauben pflegt, was man wünscht, so wünscht man oft zuletzt das
Unangenehmste, nur um nicht zum falschen Propheten zu werden,
— Herr Minister Eichhorn hat in Königsberg mit wahrhaft
dankenswerther Offenheit seine Ansichten über Lehrfreiheit ausgespro¬
chen. Er meinte, die Naturwissenschaften bedürften allerdings einer
unbeschränkten Lehrfreiheit — das ist doch ein Schritt weiter, als
Rom zu Galilei's Zeiten that, obwohl nicht zu verkennen, daß da¬
mals Physik und Astronomie von ähnlichen Einfluß auf den Kir¬
chenglauben waren, wie heut zu Tage die uneracten Wissenschaften
— allein was Philosophie, Geschichte u. s. w. betreffe, so habe der
Staat „bestimmte Formen", innerhalb deren allein sich diese
Wissenschaften entwickeln dürften. Was will man mehr? Phi¬
losophie und Geschichte, innerhalb der bestimmten Formen des preu¬
ßischen ^ nein des Eichhorn'schen Staats! — Ferner soll Herr Eich¬
horn — doch das ist nur Gerücht unter den berühmten Namen
Königsbergs manche Irrsterne entdeckt haben, darunter einen, der frei¬
lich dieses ganze Jahrhundert verführt hat: Kant!
— Noch immer scheint die Idee einer deutschen Flotte Vielen
so chimärisch und lächerlich, daß sie sich scheuen, ein Wort darüber
zu verlieren. Das ist der rechte deutsche Unstern, der wahre Schle-
miehl. Man kann sich selbst gar nicht als einen ordentlichen Kerl
denken. Die Schwierigkeiten, die an eine deutsche Seemacht nicht
denken lassen, sind auch mehr moralisch, als materiell. Die Kölni¬
sche Zeitung hat das Verdienst, über diese Frage fortwährend die
interessantesten Details zu sammeln. Deutschland könnte wenigstens
eine größere Kriegsmarine haben, als Dänemark, oder Schweden
oder Nußland, — wenn es nur etwas einiger wäre. Deutschland hat,
nach England und Amerika, die größte Kaussartheischifffahrt; achttau¬
send deutsche Handelsschiffe müssen Englands Protektorat anrufen, um
vor Beleidigungen auf der See sicher zu sein!
— Offenbar ward Weitling der Hcimathsrechte beraubt, indem
man ein 1842 erlassenes Gesetz auf den zehn Jahre vorher Ausge¬
wanderten anwandte. Ein Berüchtiger in der Deutschen Allgemeinen
hat es unwillkürlich erst recht in's Licht gestellt. Aber Niemand em¬
pört es; war's doch nur ein Schneidergesell, ein Communist. Das ist
„Ansehen der Person" und nicht deutsches Rechtsgefühl.
Verlag von Ar. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
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