Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.bei einander und die Göttin Concordia lächelt ironisch zu dieser ge¬ Fern von diesem Kreise träumt Adalbert Stifter in seiner ein¬ Wir lassen Adalbert Stifter selbst den Standpunkt bezeichnen, Und er hat recht! Ein späteres Geschlecht wird auf die großen bei einander und die Göttin Concordia lächelt ironisch zu dieser ge¬ Fern von diesem Kreise träumt Adalbert Stifter in seiner ein¬ Wir lassen Adalbert Stifter selbst den Standpunkt bezeichnen, Und er hat recht! Ein späteres Geschlecht wird auf die großen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181689"/> <p xml:id="ID_1447" prev="#ID_1446"> bei einander und die Göttin Concordia lächelt ironisch zu dieser ge¬<lb/> zwungenen Eintracht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1448"> Fern von diesem Kreise träumt Adalbert Stifter in seiner ein¬<lb/> samen Zelle; auch er wird bewacht, aber er sieht es nicht, auch er<lb/> trägt Ketten, aber seine Bewegungen waren nie so wild, daß er sie<lb/> hätte rasseln hören können. Nie drängte es ihn, die melodische<lb/> Stimme seiner Poesie in das Gewirr der Zeitkämpfe tönen zu lassen,<lb/> drum ward ihm auch nie der Schmerz, daß ihm wäre Schweigen<lb/> geboten worden. Die Kerkerstäbe, an welchen die Einen rütteln und<lb/> die Andern lecken, wie treue Hunde oder gefangene Schafe, kam<lb/> er nie in die Lage kennen zu lernen oder in die Versuchung weg¬<lb/> zuwünschen. Seine Muse ging stets einsame, hohe Gebirgswege,<lb/> auf denen man den Lärm der Erde wie ein fernes Gewitter verrol¬<lb/> len hört. Sie lauschte den Gesprächen der Bäume, den Gesängen<lb/> der Vögel oder bestieg die Ruine einer historischen Vergangenheit,<lb/> in welcher sie mit weihevoller Andacht wieder ein künstlerisches Leben<lb/> weckte. Vor Allem aber schloß sie sich immer fest an die Natur und<lb/> ihre Offenbarungen, und Keiner hatte ein so klares Auge für das ir¬<lb/> dische Grün und das himmlische Blau, diese beiden Friedensfahnen,<lb/> dazu bestimmt, uns mit der qualvollen Nähe der Erde und der trost¬<lb/> losen Ferne deö Himmels zu versöhnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1449"> Wir lassen Adalbert Stifter selbst den Standpunkt bezeichnen,<lb/> von dem aus er seine Dichtungen betrachtet und betrachtet wissen will:<lb/> „Eine Sammlung loser Blätter, die sich zu verschiedenen Zeiten von<lb/> meinem Schreibtisch verloren hatten. Auf Schriftsteller-Nuhm macht<lb/> das Vorliegende keinen Anspruch, sondern mein Wunsch ist nur, ein¬<lb/> zelnen Menschen, die ungefähr so denken und fühlen wie ich, eine<lb/> heitre Stunde zu machen, die dann vielleicht weiter wirkt und irgend<lb/> ein sittlich Schönes fördern hilft. Ist dies gelungen, dann ist der<lb/> Zweck dieser Blätter erreicht und sie mögen vergessen werden, — ist<lb/> doch selbst die glänzendste That der Gegenwart eigentlich nur ein<lb/> Baugerüste der Zukunft und wird abgebrochen, so wie diese Zukunft<lb/> fertig ist — aber eben darum geht auch nicht das kleinste Körnchen<lb/> verloren, das in der Gegenwart ein wahrhaft Gutes setzt, denn der<lb/> ganze Bau der Ewikeitrut mit audieemKonen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1450" next="#ID_1451"> Und er hat recht! Ein späteres Geschlecht wird auf die großen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
bei einander und die Göttin Concordia lächelt ironisch zu dieser ge¬
zwungenen Eintracht.
Fern von diesem Kreise träumt Adalbert Stifter in seiner ein¬
samen Zelle; auch er wird bewacht, aber er sieht es nicht, auch er
trägt Ketten, aber seine Bewegungen waren nie so wild, daß er sie
hätte rasseln hören können. Nie drängte es ihn, die melodische
Stimme seiner Poesie in das Gewirr der Zeitkämpfe tönen zu lassen,
drum ward ihm auch nie der Schmerz, daß ihm wäre Schweigen
geboten worden. Die Kerkerstäbe, an welchen die Einen rütteln und
die Andern lecken, wie treue Hunde oder gefangene Schafe, kam
er nie in die Lage kennen zu lernen oder in die Versuchung weg¬
zuwünschen. Seine Muse ging stets einsame, hohe Gebirgswege,
auf denen man den Lärm der Erde wie ein fernes Gewitter verrol¬
len hört. Sie lauschte den Gesprächen der Bäume, den Gesängen
der Vögel oder bestieg die Ruine einer historischen Vergangenheit,
in welcher sie mit weihevoller Andacht wieder ein künstlerisches Leben
weckte. Vor Allem aber schloß sie sich immer fest an die Natur und
ihre Offenbarungen, und Keiner hatte ein so klares Auge für das ir¬
dische Grün und das himmlische Blau, diese beiden Friedensfahnen,
dazu bestimmt, uns mit der qualvollen Nähe der Erde und der trost¬
losen Ferne deö Himmels zu versöhnen.
Wir lassen Adalbert Stifter selbst den Standpunkt bezeichnen,
von dem aus er seine Dichtungen betrachtet und betrachtet wissen will:
„Eine Sammlung loser Blätter, die sich zu verschiedenen Zeiten von
meinem Schreibtisch verloren hatten. Auf Schriftsteller-Nuhm macht
das Vorliegende keinen Anspruch, sondern mein Wunsch ist nur, ein¬
zelnen Menschen, die ungefähr so denken und fühlen wie ich, eine
heitre Stunde zu machen, die dann vielleicht weiter wirkt und irgend
ein sittlich Schönes fördern hilft. Ist dies gelungen, dann ist der
Zweck dieser Blätter erreicht und sie mögen vergessen werden, — ist
doch selbst die glänzendste That der Gegenwart eigentlich nur ein
Baugerüste der Zukunft und wird abgebrochen, so wie diese Zukunft
fertig ist — aber eben darum geht auch nicht das kleinste Körnchen
verloren, das in der Gegenwart ein wahrhaft Gutes setzt, denn der
ganze Bau der Ewikeitrut mit audieemKonen."
Und er hat recht! Ein späteres Geschlecht wird auf die großen
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