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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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wurde die von Kaiser Joseph gegebene Preßfreiheit unter ihm noch
nicht aufgehoben und nur beschränkt, wo sie dem Clerus entgegentrat.
Erst unter Franz it., mit dem Aufgang der französischen Revolution,
wurde die Reaction entschiedener durchgeführt, bis sich allmälig sogar
eine unverletzliche Veamtenherrschaft festsetzen konnte. Wir möchten
wissen, in wie weit diese Dukter'sche Geschichte von der Gnade der
österreichischen Censur abhangt; ob sie in Wien oder in Pesth gedruckt
wird. So patriotisch der Gegenstand ist und so freudig die Oester¬
reicher eine Geschichte ihres verehrungswürdigen Helden Karl aufneh¬
men werden, so zweifeln wir doch, daß es möglich ist, seine
ganze Bedeutung und Stellung immer würdig hervorzuheben, ohne
mit den peinlichen Rücksichten der Wiener Censur zu collidiren. Wenn
man glaubt, die Gedankenpolizei stopfe nur der "feindseligen Gesin¬
nung" den Mund, so irrt man gewaltig; im öffentlichen wie im
Privatleben kann oft der Wohlmeinendste und darum Wahrheitslie¬
bendste seine Meinung nicht sagen, ohne zu verletzen.

-- In Nro. 326 der Deutschen Allgemeinen befindet sich ein
Brief aus Kiel, der sich tadelnd darüber ausspricht, daß die Droysen-
sche Adresse an die holsteinischen Stände von der sogenannten Elite,
ohne Betheiligung der eigentlichen Bürgerschaft, ausging. Diese Num¬
mer 3M erscheint hier in Leipzig am 2!. November. Bald daraus
(in Nro. WU) bringt die Deutsche Allgemeine eine Art Entgegnung
auf den Kieler Brief "aus dem Holsteinischen", die vom 20. Novem¬
ber datirt ist. Wie ungeschickt! Lies't man "im Holsteinischen" die
Deutsche Allgemeine vierundzwanzig Stunden früher, als in Leipzig?
Das wäre ein Wunder, welches über alle Mirakel des heiligen Rok-
kes ginge. Welchen Blick in die Correspondcnzwerkstatt müssen solche
Anachronismen den harmlosen Leser thun lassen. Erklärt mir, Doc-
tor Oerindur, diesen Rebus der Natur.

-- Die schlesischen Weber werden sich diesen Winter gewiß nicht
unterstehen, Hunger zu haben. Erstens wird Petz, der nach ein Paar
Monaten graulicher Untersuchungshaft und gegen eine Eaution von
tausend Thalern frei umhergehen darf, so fleißig untersucht, daß man
hoffen kann, doch noch irgend ein Verbrechen als Beweis für die innere
Wahrheit und den prophetischen Geist seiner Denuncianten herauszn-
fchnüfseln; zweitens sino die bei den Langenbielauer Tumulten arre-
tirten Weber -- wir erinnern uns in diesem Augenblick nicht ihrer
Zahl, sie ist aber beträchtlich -- in erster Instanz zu Strafen verur¬
theilt worden, deren Härte kaum zu erwarten war; einige sogar sollen,
bevor sie auf die Festung kommen, mit Peitschenhieben zur Vernunft
und Einsicht gebracht, d, h. gesättigt werden! Und doch sind es keine
Negersklaven. Ob die angestellten Untersuchungen sich nicht auch auf die


wurde die von Kaiser Joseph gegebene Preßfreiheit unter ihm noch
nicht aufgehoben und nur beschränkt, wo sie dem Clerus entgegentrat.
Erst unter Franz it., mit dem Aufgang der französischen Revolution,
wurde die Reaction entschiedener durchgeführt, bis sich allmälig sogar
eine unverletzliche Veamtenherrschaft festsetzen konnte. Wir möchten
wissen, in wie weit diese Dukter'sche Geschichte von der Gnade der
österreichischen Censur abhangt; ob sie in Wien oder in Pesth gedruckt
wird. So patriotisch der Gegenstand ist und so freudig die Oester¬
reicher eine Geschichte ihres verehrungswürdigen Helden Karl aufneh¬
men werden, so zweifeln wir doch, daß es möglich ist, seine
ganze Bedeutung und Stellung immer würdig hervorzuheben, ohne
mit den peinlichen Rücksichten der Wiener Censur zu collidiren. Wenn
man glaubt, die Gedankenpolizei stopfe nur der „feindseligen Gesin¬
nung" den Mund, so irrt man gewaltig; im öffentlichen wie im
Privatleben kann oft der Wohlmeinendste und darum Wahrheitslie¬
bendste seine Meinung nicht sagen, ohne zu verletzen.

— In Nro. 326 der Deutschen Allgemeinen befindet sich ein
Brief aus Kiel, der sich tadelnd darüber ausspricht, daß die Droysen-
sche Adresse an die holsteinischen Stände von der sogenannten Elite,
ohne Betheiligung der eigentlichen Bürgerschaft, ausging. Diese Num¬
mer 3M erscheint hier in Leipzig am 2!. November. Bald daraus
(in Nro. WU) bringt die Deutsche Allgemeine eine Art Entgegnung
auf den Kieler Brief „aus dem Holsteinischen", die vom 20. Novem¬
ber datirt ist. Wie ungeschickt! Lies't man „im Holsteinischen" die
Deutsche Allgemeine vierundzwanzig Stunden früher, als in Leipzig?
Das wäre ein Wunder, welches über alle Mirakel des heiligen Rok-
kes ginge. Welchen Blick in die Correspondcnzwerkstatt müssen solche
Anachronismen den harmlosen Leser thun lassen. Erklärt mir, Doc-
tor Oerindur, diesen Rebus der Natur.

— Die schlesischen Weber werden sich diesen Winter gewiß nicht
unterstehen, Hunger zu haben. Erstens wird Petz, der nach ein Paar
Monaten graulicher Untersuchungshaft und gegen eine Eaution von
tausend Thalern frei umhergehen darf, so fleißig untersucht, daß man
hoffen kann, doch noch irgend ein Verbrechen als Beweis für die innere
Wahrheit und den prophetischen Geist seiner Denuncianten herauszn-
fchnüfseln; zweitens sino die bei den Langenbielauer Tumulten arre-
tirten Weber — wir erinnern uns in diesem Augenblick nicht ihrer
Zahl, sie ist aber beträchtlich — in erster Instanz zu Strafen verur¬
theilt worden, deren Härte kaum zu erwarten war; einige sogar sollen,
bevor sie auf die Festung kommen, mit Peitschenhieben zur Vernunft
und Einsicht gebracht, d, h. gesättigt werden! Und doch sind es keine
Negersklaven. Ob die angestellten Untersuchungen sich nicht auch auf die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/482>, abgerufen am 05.12.2024.