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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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soupiren, tanzen und banquettiren könnten. Um den Schilling und
die hegelischen Schüler beneidet man es nicht, aber den Kroll konnte
man ihnen nicht allein lassen. So hat sich denn eine Actiengesell-
schaft gebildet, die ein Etablissement baute, das an Pracht Alles über¬
bieten soll, was bisher in Wien gesehen wurde. Sechstausend Men¬
schen sollen hier zugleich sich belustigen können und um der Sache
einen ehrwürdigen, historischen Namen zu geben und an frühere Zeit
anzuknüpfen, wird das Etablissement den Namen Apollo-Saal füh¬
ren, bekanntlich einer der berühmtesten Säle aus der Zeit von 18,13.
Der neue Apollo-Saal wird am 8. Januar eröffnet werden. Der
junge Strauß mit einem Orchester von sechsundachtzig Personen wird
die Tanzmusik besorgen und erhalt für jeden Abend sechshundert si. E-M.
-- Der junge Strauß! Sie sehen, wir halten auch bei unsern
"Walzerkönigen" auf Legitimität. Der junge Strauß steht übrigens
im Kriege gegen seinen Vater wie einst Heinrich V. gegen Kaiser
Heinrich IV., wie Absalon gegen König David. Ein Theil des
Straußischen Orchesters hat eine Revolution gemacht und seinen Sohn
auf ihren Schild erhoben. I^o roi est mon, vive le rin! Die Po¬
lizei hat nach österreichischer Politik das tiur "ccomnli gelten lassen
und so bietet Wien jetzt das furchtbare Schauspiel zweier geigenden
Gegenkönige. Welch ein herrlicher Stoff zu einer Tragödie mit obliga¬
ter Orchesterbegleitung. -- Bon Theaterneuigkeiten ist der so unge¬
wöhnlich glückliche Succes Ihrer "letzten weißen Rose" an unserem
Burgtheater das bedeutendste Ereigniß dieser Woche. Ohne auf eine
genaue Analyse des Inhalts einzugehen*)--Die nächste Neuig¬
keit ist ein Schauspiel von Bauernfeld, "ein deutscher Krieger" es
spielt zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Sein Held ist eine Art
Johann von Werth. Es soll sich durch gute Charakteristik auszeich¬
nen. Ihm folgt Prutz "Moritz von Sachsen." -- Ja, wundern Sie
sich, wir haben ihn aus der Eensur richtig herausgekriegt, die Freiheits¬
stellen so wie die Religionsconflicte sind freilich in die Brüche gegan¬
gen. Indeß soll der Dichter selbst Concessionen gemacht haben und
es ist genug dramatisches Feuer in dieser Dichtung, um auch ohne
Flittergold durchzudringen. Gutzkow's Pugatschess soll gleichfalls kom-



*) Unser verehrter Herr Correspondent möge es verzeihen, wenn wir die
folgenden zwei Seiten seines Manuskriptes nicht abdrucken. Es ist immer
ein kitzlicher Punkt, über eine Production des Redacteurs in seinem eigenen
Blatte berichten zu lassen. Der Leser glaubt nicht an die Unbefangenheit des
Einsenders. Und mit Recht! So scharf wie in einem andern Blatte wird
der Correspondent sich nie aussprechen, er wird immer trachten, den befreun¬
deten Redacteur zu schonen. Und lobt er, so sieht der Leser gleichfalls eine
Absichtlichkeit darin. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, haben die Grenz¬
boten bisher von den Verhandlungen über jenes Drama keine Notiz genom¬
men und die wohlwollende Erwähnung desselben von Seiten ihrer Correspon-
d -- Kuranda. -- enzen ausgelassen.

soupiren, tanzen und banquettiren könnten. Um den Schilling und
die hegelischen Schüler beneidet man es nicht, aber den Kroll konnte
man ihnen nicht allein lassen. So hat sich denn eine Actiengesell-
schaft gebildet, die ein Etablissement baute, das an Pracht Alles über¬
bieten soll, was bisher in Wien gesehen wurde. Sechstausend Men¬
schen sollen hier zugleich sich belustigen können und um der Sache
einen ehrwürdigen, historischen Namen zu geben und an frühere Zeit
anzuknüpfen, wird das Etablissement den Namen Apollo-Saal füh¬
ren, bekanntlich einer der berühmtesten Säle aus der Zeit von 18,13.
Der neue Apollo-Saal wird am 8. Januar eröffnet werden. Der
junge Strauß mit einem Orchester von sechsundachtzig Personen wird
die Tanzmusik besorgen und erhalt für jeden Abend sechshundert si. E-M.
— Der junge Strauß! Sie sehen, wir halten auch bei unsern
„Walzerkönigen" auf Legitimität. Der junge Strauß steht übrigens
im Kriege gegen seinen Vater wie einst Heinrich V. gegen Kaiser
Heinrich IV., wie Absalon gegen König David. Ein Theil des
Straußischen Orchesters hat eine Revolution gemacht und seinen Sohn
auf ihren Schild erhoben. I^o roi est mon, vive le rin! Die Po¬
lizei hat nach österreichischer Politik das tiur »ccomnli gelten lassen
und so bietet Wien jetzt das furchtbare Schauspiel zweier geigenden
Gegenkönige. Welch ein herrlicher Stoff zu einer Tragödie mit obliga¬
ter Orchesterbegleitung. — Bon Theaterneuigkeiten ist der so unge¬
wöhnlich glückliche Succes Ihrer „letzten weißen Rose" an unserem
Burgtheater das bedeutendste Ereigniß dieser Woche. Ohne auf eine
genaue Analyse des Inhalts einzugehen*)--Die nächste Neuig¬
keit ist ein Schauspiel von Bauernfeld, „ein deutscher Krieger" es
spielt zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Sein Held ist eine Art
Johann von Werth. Es soll sich durch gute Charakteristik auszeich¬
nen. Ihm folgt Prutz „Moritz von Sachsen." — Ja, wundern Sie
sich, wir haben ihn aus der Eensur richtig herausgekriegt, die Freiheits¬
stellen so wie die Religionsconflicte sind freilich in die Brüche gegan¬
gen. Indeß soll der Dichter selbst Concessionen gemacht haben und
es ist genug dramatisches Feuer in dieser Dichtung, um auch ohne
Flittergold durchzudringen. Gutzkow's Pugatschess soll gleichfalls kom-



*) Unser verehrter Herr Correspondent möge es verzeihen, wenn wir die
folgenden zwei Seiten seines Manuskriptes nicht abdrucken. Es ist immer
ein kitzlicher Punkt, über eine Production des Redacteurs in seinem eigenen
Blatte berichten zu lassen. Der Leser glaubt nicht an die Unbefangenheit des
Einsenders. Und mit Recht! So scharf wie in einem andern Blatte wird
der Correspondent sich nie aussprechen, er wird immer trachten, den befreun¬
deten Redacteur zu schonen. Und lobt er, so sieht der Leser gleichfalls eine
Absichtlichkeit darin. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, haben die Grenz¬
boten bisher von den Verhandlungen über jenes Drama keine Notiz genom¬
men und die wohlwollende Erwähnung desselben von Seiten ihrer Correspon-
d — Kuranda. — enzen ausgelassen.
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[0476] soupiren, tanzen und banquettiren könnten. Um den Schilling und die hegelischen Schüler beneidet man es nicht, aber den Kroll konnte man ihnen nicht allein lassen. So hat sich denn eine Actiengesell- schaft gebildet, die ein Etablissement baute, das an Pracht Alles über¬ bieten soll, was bisher in Wien gesehen wurde. Sechstausend Men¬ schen sollen hier zugleich sich belustigen können und um der Sache einen ehrwürdigen, historischen Namen zu geben und an frühere Zeit anzuknüpfen, wird das Etablissement den Namen Apollo-Saal füh¬ ren, bekanntlich einer der berühmtesten Säle aus der Zeit von 18,13. Der neue Apollo-Saal wird am 8. Januar eröffnet werden. Der junge Strauß mit einem Orchester von sechsundachtzig Personen wird die Tanzmusik besorgen und erhalt für jeden Abend sechshundert si. E-M. — Der junge Strauß! Sie sehen, wir halten auch bei unsern „Walzerkönigen" auf Legitimität. Der junge Strauß steht übrigens im Kriege gegen seinen Vater wie einst Heinrich V. gegen Kaiser Heinrich IV., wie Absalon gegen König David. Ein Theil des Straußischen Orchesters hat eine Revolution gemacht und seinen Sohn auf ihren Schild erhoben. I^o roi est mon, vive le rin! Die Po¬ lizei hat nach österreichischer Politik das tiur »ccomnli gelten lassen und so bietet Wien jetzt das furchtbare Schauspiel zweier geigenden Gegenkönige. Welch ein herrlicher Stoff zu einer Tragödie mit obliga¬ ter Orchesterbegleitung. — Bon Theaterneuigkeiten ist der so unge¬ wöhnlich glückliche Succes Ihrer „letzten weißen Rose" an unserem Burgtheater das bedeutendste Ereigniß dieser Woche. Ohne auf eine genaue Analyse des Inhalts einzugehen*)--Die nächste Neuig¬ keit ist ein Schauspiel von Bauernfeld, „ein deutscher Krieger" es spielt zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Sein Held ist eine Art Johann von Werth. Es soll sich durch gute Charakteristik auszeich¬ nen. Ihm folgt Prutz „Moritz von Sachsen." — Ja, wundern Sie sich, wir haben ihn aus der Eensur richtig herausgekriegt, die Freiheits¬ stellen so wie die Religionsconflicte sind freilich in die Brüche gegan¬ gen. Indeß soll der Dichter selbst Concessionen gemacht haben und es ist genug dramatisches Feuer in dieser Dichtung, um auch ohne Flittergold durchzudringen. Gutzkow's Pugatschess soll gleichfalls kom- *) Unser verehrter Herr Correspondent möge es verzeihen, wenn wir die folgenden zwei Seiten seines Manuskriptes nicht abdrucken. Es ist immer ein kitzlicher Punkt, über eine Production des Redacteurs in seinem eigenen Blatte berichten zu lassen. Der Leser glaubt nicht an die Unbefangenheit des Einsenders. Und mit Recht! So scharf wie in einem andern Blatte wird der Correspondent sich nie aussprechen, er wird immer trachten, den befreun¬ deten Redacteur zu schonen. Und lobt er, so sieht der Leser gleichfalls eine Absichtlichkeit darin. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, haben die Grenz¬ boten bisher von den Verhandlungen über jenes Drama keine Notiz genom¬ men und die wohlwollende Erwähnung desselben von Seiten ihrer Correspon- d — Kuranda. — enzen ausgelassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/476>, abgerufen am 27.07.2024.