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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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sucht und erregt. Die deutsche Sprache ist allmälig in Schleswig
immer weiter vorgedrungen, in Folge der vielfachen Verbindungen
mit Deutschland. "Ueberhaupt haben die Schleswiger", sagt Klenze
in der angeführten Schrift, "bis auf den heutigen Tag ihren Haupt¬
verkehr mit den Deutschen gehabt, und das materielle Inter¬
esse mußte nothwendig immer mehr die Kenntniß und den Gebrauch
der deutschen Sprache vermitteln, vorzugsweise aber in den Städten.
-- Keine der volksthümlichen Sprachen hat sich zur Herrschaft er¬
hoben, sondern die hochdeutsche ist als die alleinige Trägerin der
Cultur von sämmtlichen Nationalitäten aufgenommen worden als
ihre gemeinschaftliche Vermittlung, und darum konnte sich auch keine
der Nationalitäten durch die andere verletzt fühlen; daher hat na¬
mentlich in der jütischen Bevölkerung niemals eine Reaction stattge¬
funden." Die jüdische Bevölkerung Nordschleöwigs hat sich immer
staatlich und rationell von Dänemark getrennt und mit dem übrigen
Schleswig eng mit Holstein verbunden betrachtet. Der Abgeordnete
Lorenzen von Hadersleben, der später in der Schleswig'schen Stände¬
versammlung in dänischer Zunge zu reden begann, fand 1838 durch
eine Karte, auf der das Herzogthum Schleswig ausgestrichen war,
die fchleswigfche Nationalität von Seiten der Dänen verletzt. Er
beantragte damals Trennung der Finanzen und Staatsschulden der
Herzogthümer von Dänemark und erklärte: eine wirkliche Staatsein-
heit der Herzogthümer und des Königreichs habe nur in der Ein¬
bildung enstirt und könne nie in's Leben gerufen werden.
Später wurde Lorenzen bekanntlich von den Dänen gewonnen, weil
er, wie er erklärte, sich überzeugt, daß Schleswig im Verein mit
Holstein und als deutscher Bundesstaat Entwickelung frei¬
sinniger Institutionen nicht zu hoffen habe. Deswegen
müsse Schleswig sich mit Dänemark vereinigen, um mit diesem ge¬
meinschaftlich sich eine der Norwegischen ähnliche Verfassung zu er¬
ringen. Lorenzen von Hadersleben ist ein entschieden freisinniger
Mann, ein Mann von Charakter, der seinem Vaterlande eine freie
Verfassung erringen will Diesen Zweck verfolgt die große für Frei¬
heit glühende Seele des kleinen Krämers mit Consequenz und Ener¬
gie. Er will ein Däne sein, weil er von Deutschland Nichts für
die Freiheit erwartet. Er, einst ein eifriger Schleswig-Holsteiner,
bricht mit diesen seinen alten Genossen, weil er von der Unentschie-


sucht und erregt. Die deutsche Sprache ist allmälig in Schleswig
immer weiter vorgedrungen, in Folge der vielfachen Verbindungen
mit Deutschland. „Ueberhaupt haben die Schleswiger", sagt Klenze
in der angeführten Schrift, „bis auf den heutigen Tag ihren Haupt¬
verkehr mit den Deutschen gehabt, und das materielle Inter¬
esse mußte nothwendig immer mehr die Kenntniß und den Gebrauch
der deutschen Sprache vermitteln, vorzugsweise aber in den Städten.
— Keine der volksthümlichen Sprachen hat sich zur Herrschaft er¬
hoben, sondern die hochdeutsche ist als die alleinige Trägerin der
Cultur von sämmtlichen Nationalitäten aufgenommen worden als
ihre gemeinschaftliche Vermittlung, und darum konnte sich auch keine
der Nationalitäten durch die andere verletzt fühlen; daher hat na¬
mentlich in der jütischen Bevölkerung niemals eine Reaction stattge¬
funden." Die jüdische Bevölkerung Nordschleöwigs hat sich immer
staatlich und rationell von Dänemark getrennt und mit dem übrigen
Schleswig eng mit Holstein verbunden betrachtet. Der Abgeordnete
Lorenzen von Hadersleben, der später in der Schleswig'schen Stände¬
versammlung in dänischer Zunge zu reden begann, fand 1838 durch
eine Karte, auf der das Herzogthum Schleswig ausgestrichen war,
die fchleswigfche Nationalität von Seiten der Dänen verletzt. Er
beantragte damals Trennung der Finanzen und Staatsschulden der
Herzogthümer von Dänemark und erklärte: eine wirkliche Staatsein-
heit der Herzogthümer und des Königreichs habe nur in der Ein¬
bildung enstirt und könne nie in's Leben gerufen werden.
Später wurde Lorenzen bekanntlich von den Dänen gewonnen, weil
er, wie er erklärte, sich überzeugt, daß Schleswig im Verein mit
Holstein und als deutscher Bundesstaat Entwickelung frei¬
sinniger Institutionen nicht zu hoffen habe. Deswegen
müsse Schleswig sich mit Dänemark vereinigen, um mit diesem ge¬
meinschaftlich sich eine der Norwegischen ähnliche Verfassung zu er¬
ringen. Lorenzen von Hadersleben ist ein entschieden freisinniger
Mann, ein Mann von Charakter, der seinem Vaterlande eine freie
Verfassung erringen will Diesen Zweck verfolgt die große für Frei¬
heit glühende Seele des kleinen Krämers mit Consequenz und Ener¬
gie. Er will ein Däne sein, weil er von Deutschland Nichts für
die Freiheit erwartet. Er, einst ein eifriger Schleswig-Holsteiner,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/444>, abgerufen am 01.09.2024.