Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wig ist im Interesse >S deutschen Bundes unzulässig, ein Schutz-
und Trutzbündniß mit Dänemark ist durch die materiellen Interessen
eben so sehr geboten, wie durch die politischen." Die schleswig¬
holsteinische Frage wird in ihrer Wichtigkeit im Innern Deutschlands
keineswegs richtig gewürdigt. Unbekannt mit den Verhältnissen dieser
Lande hält man Schleswig, ein grundgesetzlich mit Holstein verbun¬
denes'souveränes Herzogthum, für eine Provinz des dänischen Staa-
tes weil es nicht zum deutschen Bunde gehört und weil in den nörd¬
lichen Theilen Schleswigs ein dem Dänischen verwandter Dialekt
gesprochen wird. Aber die hochdeutsche Sprache ist die Staatssprache
und die Sprache der Gebildeten in Schleswig. In hundert und
achtzehn Kirchspielen des Landes wird beim Gottesdienst und Schul¬
unterricht die hochdeutsche Sprache gebraucht, obgleich die Einwohner,
ungefähr einhundert fünfundzwanzigtausend, den jütischen, dem deut¬
schen sich mehr nähernden Dialekt sprechen, von den Dünen, ehe sie
eroberungslustig wurden, "rabendänisch" gescholten-<-). In einem
Theile, von ungefähr achtzigtausend Seelen bewohnt, wird zwar jü¬
disch gesprochen, aber die Kirchen-, Schul- und Gerichtssprache ist
deutsch. Das Volk versteht in diesem Theile keine dänische Predigt,
weil es alle höheren Begriffe in Religion und Recht nur deutsch ver¬
stehen gelernt hat. Ungefähr einhundert zwanzigtausend sprechen nur
deutsch, aber nicht hochdeutsch. Daneben finden sich fünfundzwanzig-
tausend Friesen, die aber deutsche Kirchen-, Schul- und Gerichts¬
sprache haben. Selbst unter den gebildeten Schleswigern finden sich
nur wenige, die mit der dänischen Literatur bekannt sind. Hochdänisch
ist eben so wenig wie hochdeutsch in Schleswig Volkssprache, wie
ja auch in Holstein, Mecklenburg, Pommern erst die heranwachsende
Generation des Landvolks durch verbesserten Schulunterricht mit dem
Hochdeutschen vertrauter wird. Bisher fand sich die jüdische Bevöl¬
kerung Schleswigs durch die deutsche Sprache nicht beeinträchtigt,
nur durch Agitation der Dänen ist theilweise eine Verstimmung ver-



*) Dieses früher von den Dänen verspottete Rcibcndänisch, der jüdische
Dialekt, hat deutsche Bestandtheile in sich ausgenommen. Nach Pontoppi-
danö Untersuchungen über die Schicksale der dänischen Sprache in Schles¬
wig haben früh schon deutsche Stämme Jütland bevölkert, sich mit den Dä¬
nen vermische und wesentlich deutsche Bestandtheile dem jütischen Dialekt mit¬
getheilt, ^in Dänischen wird der Artikel angehängt, z. B, Wanden, Bar-
?°fur d" fchleswigfche Jule wie der deutsche ä Maud, ä Baru" der
-5Ule Lutland "a Baru, a Maud" sagt.

wig ist im Interesse >S deutschen Bundes unzulässig, ein Schutz-
und Trutzbündniß mit Dänemark ist durch die materiellen Interessen
eben so sehr geboten, wie durch die politischen." Die schleswig¬
holsteinische Frage wird in ihrer Wichtigkeit im Innern Deutschlands
keineswegs richtig gewürdigt. Unbekannt mit den Verhältnissen dieser
Lande hält man Schleswig, ein grundgesetzlich mit Holstein verbun¬
denes'souveränes Herzogthum, für eine Provinz des dänischen Staa-
tes weil es nicht zum deutschen Bunde gehört und weil in den nörd¬
lichen Theilen Schleswigs ein dem Dänischen verwandter Dialekt
gesprochen wird. Aber die hochdeutsche Sprache ist die Staatssprache
und die Sprache der Gebildeten in Schleswig. In hundert und
achtzehn Kirchspielen des Landes wird beim Gottesdienst und Schul¬
unterricht die hochdeutsche Sprache gebraucht, obgleich die Einwohner,
ungefähr einhundert fünfundzwanzigtausend, den jütischen, dem deut¬
schen sich mehr nähernden Dialekt sprechen, von den Dünen, ehe sie
eroberungslustig wurden, „rabendänisch" gescholten-<-). In einem
Theile, von ungefähr achtzigtausend Seelen bewohnt, wird zwar jü¬
disch gesprochen, aber die Kirchen-, Schul- und Gerichtssprache ist
deutsch. Das Volk versteht in diesem Theile keine dänische Predigt,
weil es alle höheren Begriffe in Religion und Recht nur deutsch ver¬
stehen gelernt hat. Ungefähr einhundert zwanzigtausend sprechen nur
deutsch, aber nicht hochdeutsch. Daneben finden sich fünfundzwanzig-
tausend Friesen, die aber deutsche Kirchen-, Schul- und Gerichts¬
sprache haben. Selbst unter den gebildeten Schleswigern finden sich
nur wenige, die mit der dänischen Literatur bekannt sind. Hochdänisch
ist eben so wenig wie hochdeutsch in Schleswig Volkssprache, wie
ja auch in Holstein, Mecklenburg, Pommern erst die heranwachsende
Generation des Landvolks durch verbesserten Schulunterricht mit dem
Hochdeutschen vertrauter wird. Bisher fand sich die jüdische Bevöl¬
kerung Schleswigs durch die deutsche Sprache nicht beeinträchtigt,
nur durch Agitation der Dänen ist theilweise eine Verstimmung ver-



*) Dieses früher von den Dänen verspottete Rcibcndänisch, der jüdische
Dialekt, hat deutsche Bestandtheile in sich ausgenommen. Nach Pontoppi-
danö Untersuchungen über die Schicksale der dänischen Sprache in Schles¬
wig haben früh schon deutsche Stämme Jütland bevölkert, sich mit den Dä¬
nen vermische und wesentlich deutsche Bestandtheile dem jütischen Dialekt mit¬
getheilt, ^in Dänischen wird der Artikel angehängt, z. B, Wanden, Bar-
?°fur d» fchleswigfche Jule wie der deutsche ä Maud, ä Baru" der
-5Ule Lutland „a Baru, a Maud" sagt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181627"/>
          <p xml:id="ID_1222" prev="#ID_1221" next="#ID_1223"> wig ist im Interesse &gt;S deutschen Bundes unzulässig, ein Schutz-<lb/>
und Trutzbündniß mit Dänemark ist durch die materiellen Interessen<lb/>
eben so sehr geboten, wie durch die politischen." Die schleswig¬<lb/>
holsteinische Frage wird in ihrer Wichtigkeit im Innern Deutschlands<lb/>
keineswegs richtig gewürdigt. Unbekannt mit den Verhältnissen dieser<lb/>
Lande hält man Schleswig, ein grundgesetzlich mit Holstein verbun¬<lb/>
denes'souveränes Herzogthum, für eine Provinz des dänischen Staa-<lb/>
tes weil es nicht zum deutschen Bunde gehört und weil in den nörd¬<lb/>
lichen Theilen Schleswigs ein dem Dänischen verwandter Dialekt<lb/>
gesprochen wird. Aber die hochdeutsche Sprache ist die Staatssprache<lb/>
und die Sprache der Gebildeten in Schleswig. In hundert und<lb/>
achtzehn Kirchspielen des Landes wird beim Gottesdienst und Schul¬<lb/>
unterricht die hochdeutsche Sprache gebraucht, obgleich die Einwohner,<lb/>
ungefähr einhundert fünfundzwanzigtausend, den jütischen, dem deut¬<lb/>
schen sich mehr nähernden Dialekt sprechen, von den Dünen, ehe sie<lb/>
eroberungslustig wurden, &#x201E;rabendänisch" gescholten-&lt;-). In einem<lb/>
Theile, von ungefähr achtzigtausend Seelen bewohnt, wird zwar jü¬<lb/>
disch gesprochen, aber die Kirchen-, Schul- und Gerichtssprache ist<lb/>
deutsch. Das Volk versteht in diesem Theile keine dänische Predigt,<lb/>
weil es alle höheren Begriffe in Religion und Recht nur deutsch ver¬<lb/>
stehen gelernt hat. Ungefähr einhundert zwanzigtausend sprechen nur<lb/>
deutsch, aber nicht hochdeutsch. Daneben finden sich fünfundzwanzig-<lb/>
tausend Friesen, die aber deutsche Kirchen-, Schul- und Gerichts¬<lb/>
sprache haben. Selbst unter den gebildeten Schleswigern finden sich<lb/>
nur wenige, die mit der dänischen Literatur bekannt sind. Hochdänisch<lb/>
ist eben so wenig wie hochdeutsch in Schleswig Volkssprache, wie<lb/>
ja auch in Holstein, Mecklenburg, Pommern erst die heranwachsende<lb/>
Generation des Landvolks durch verbesserten Schulunterricht mit dem<lb/>
Hochdeutschen vertrauter wird. Bisher fand sich die jüdische Bevöl¬<lb/>
kerung Schleswigs durch die deutsche Sprache nicht beeinträchtigt,<lb/>
nur durch Agitation der Dänen ist theilweise eine Verstimmung ver-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_46" place="foot"> *) Dieses früher von den Dänen verspottete Rcibcndänisch, der jüdische<lb/>
Dialekt, hat deutsche Bestandtheile in sich ausgenommen. Nach Pontoppi-<lb/>
danö Untersuchungen über die Schicksale der dänischen Sprache in Schles¬<lb/>
wig haben früh schon deutsche Stämme Jütland bevölkert, sich mit den Dä¬<lb/>
nen vermische und wesentlich deutsche Bestandtheile dem jütischen Dialekt mit¬<lb/>
getheilt, ^in Dänischen wird der Artikel angehängt, z. B, Wanden, Bar-<lb/>
?°fur d» fchleswigfche Jule wie der deutsche ä Maud, ä Baru" der<lb/>
-5Ule  Lutland &#x201E;a Baru, a Maud" sagt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0443] wig ist im Interesse >S deutschen Bundes unzulässig, ein Schutz- und Trutzbündniß mit Dänemark ist durch die materiellen Interessen eben so sehr geboten, wie durch die politischen." Die schleswig¬ holsteinische Frage wird in ihrer Wichtigkeit im Innern Deutschlands keineswegs richtig gewürdigt. Unbekannt mit den Verhältnissen dieser Lande hält man Schleswig, ein grundgesetzlich mit Holstein verbun¬ denes'souveränes Herzogthum, für eine Provinz des dänischen Staa- tes weil es nicht zum deutschen Bunde gehört und weil in den nörd¬ lichen Theilen Schleswigs ein dem Dänischen verwandter Dialekt gesprochen wird. Aber die hochdeutsche Sprache ist die Staatssprache und die Sprache der Gebildeten in Schleswig. In hundert und achtzehn Kirchspielen des Landes wird beim Gottesdienst und Schul¬ unterricht die hochdeutsche Sprache gebraucht, obgleich die Einwohner, ungefähr einhundert fünfundzwanzigtausend, den jütischen, dem deut¬ schen sich mehr nähernden Dialekt sprechen, von den Dünen, ehe sie eroberungslustig wurden, „rabendänisch" gescholten-<-). In einem Theile, von ungefähr achtzigtausend Seelen bewohnt, wird zwar jü¬ disch gesprochen, aber die Kirchen-, Schul- und Gerichtssprache ist deutsch. Das Volk versteht in diesem Theile keine dänische Predigt, weil es alle höheren Begriffe in Religion und Recht nur deutsch ver¬ stehen gelernt hat. Ungefähr einhundert zwanzigtausend sprechen nur deutsch, aber nicht hochdeutsch. Daneben finden sich fünfundzwanzig- tausend Friesen, die aber deutsche Kirchen-, Schul- und Gerichts¬ sprache haben. Selbst unter den gebildeten Schleswigern finden sich nur wenige, die mit der dänischen Literatur bekannt sind. Hochdänisch ist eben so wenig wie hochdeutsch in Schleswig Volkssprache, wie ja auch in Holstein, Mecklenburg, Pommern erst die heranwachsende Generation des Landvolks durch verbesserten Schulunterricht mit dem Hochdeutschen vertrauter wird. Bisher fand sich die jüdische Bevöl¬ kerung Schleswigs durch die deutsche Sprache nicht beeinträchtigt, nur durch Agitation der Dänen ist theilweise eine Verstimmung ver- *) Dieses früher von den Dänen verspottete Rcibcndänisch, der jüdische Dialekt, hat deutsche Bestandtheile in sich ausgenommen. Nach Pontoppi- danö Untersuchungen über die Schicksale der dänischen Sprache in Schles¬ wig haben früh schon deutsche Stämme Jütland bevölkert, sich mit den Dä¬ nen vermische und wesentlich deutsche Bestandtheile dem jütischen Dialekt mit¬ getheilt, ^in Dänischen wird der Artikel angehängt, z. B, Wanden, Bar- ?°fur d» fchleswigfche Jule wie der deutsche ä Maud, ä Baru" der -5Ule Lutland „a Baru, a Maud" sagt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/443
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/443>, abgerufen am 27.07.2024.