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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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eine durstige Künstlerseele nicht erwarmen kann. Der Kaiser freilich
laßt es an gutem Willen nicht fehlen, aber ehe dieser vom Haupte des
Monarchen bis in die Hand desjenigen gelangt, der die Aufzählungen
leisten soll, ist er förmlich erfroren, und der Lohn des armen Künst¬
lers wird zu Wasser. So wenigstens ist es schon Vielen von George
Daw bis zu Horace Vernet ergangen und namentlich die Franzosen
sollen die Lust ganz verloren haben, in Rußland für die bloße Ehre
zu malen. Krüger jedoch hat, wie es scheint, den Muth noch nicht
aufgegeben, obgleich er selbst auch die merkwürdigsten Ersahrungen ge¬
macht. So wird erzählt: Kaiser Nikolaus habe einmal befohlen, dem
Maler zur Anerkennung eines seiner Werke, das Ersterer vom ver¬
storbenen König von Preußen zum Geschenk erhalten hatte, eine kost¬
bare, mit Brillanten besetzte goldene Uhr zu überreichen. Der Befehl
war ertheilt und der Kaiser zweifelte nicht, daß sein Befehl ausgeführt
sei. Von seinen Umgebungen zweifelte aber auch Niemand, daß der
Kaiser nie Gelegenheit haben werde, mit dem Maler Krüger über die
kostbare Uhr zu sprechen. Indessen traf es sich, daß Nikolaus mit
seinem Schwager, dem Prinzen von Preußen, das Krüger'sche Bild
besah und diesem im Vorübergehen hinwarf, er habe nicht umhin ge¬
konnt, dem Künstler wenigstens durch eine Uhr seine Dankbarkeit be¬
zeigen zu lassen. Dies veranlaßte natürlich den Prinzen, bei seinem
nächsten Ausammentressen mit Krüger, diesen zu fragen, wie ihm
das Geschenk des Kaisers gefalle? -- Recht gut, antwortete der ge¬
nügsame Künstler. -- Haben Sie es wohl bei sich? Aeigen Sie es
mir doch. -- Und der zögernde Maler zog eine ganz ordinäre wohl¬
feile Uhr aus der Tasche, indem er begütigend hinzufügte: Man
sagte mir, der Kaiser habe diese Uhr selbst getragen und dies mag
ihr einigen Werth verleihen. Der Prinz lachte laut auf und da er
den Zusammenhang errieth, so erbat er sich die Uhr und präsentirte
sie seinem kaiserlichen Schwager mit der Frage, was er zu diesem, in
seinem Namen dem Maler überreichten Geschenke sage? "Daran er¬
kenne ich meine Pappenheimer", soll der Kaiser geantwortet haben,
der dem Prinzen nun wirklich seine eigene Uhr übergab, um bei dem
Künstler wieder gut zu machen, was die russischen Kammerherren in
gewohnter Naivetät zu ihrem eigenen Besten sich erlaubt hatten.

Der Marinemaler Gudin, von dessen DarsteKung des Gedankens
"Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser" ich Ihnen bereits
geschrieben, fordert für dieses Gemälde, das er hier in zwölf Stunden
angefertigt haben soll, nicht weniger als sünfundvierzigtausend Francs,
d. h. also ungefähr tausend Thaler für die Stunde. Betaue der
Mann alle seine Stunden so bezahlt, so würde er bald die Staats¬
schuld seines Vaterlandes abtragen können.

Des obercensurgerichtlichen Urtheils ungeachtet sind die Gedichte
Karl Beck's noch immer nicht im Buchhandel zu haben, wahrschein-


eine durstige Künstlerseele nicht erwarmen kann. Der Kaiser freilich
laßt es an gutem Willen nicht fehlen, aber ehe dieser vom Haupte des
Monarchen bis in die Hand desjenigen gelangt, der die Aufzählungen
leisten soll, ist er förmlich erfroren, und der Lohn des armen Künst¬
lers wird zu Wasser. So wenigstens ist es schon Vielen von George
Daw bis zu Horace Vernet ergangen und namentlich die Franzosen
sollen die Lust ganz verloren haben, in Rußland für die bloße Ehre
zu malen. Krüger jedoch hat, wie es scheint, den Muth noch nicht
aufgegeben, obgleich er selbst auch die merkwürdigsten Ersahrungen ge¬
macht. So wird erzählt: Kaiser Nikolaus habe einmal befohlen, dem
Maler zur Anerkennung eines seiner Werke, das Ersterer vom ver¬
storbenen König von Preußen zum Geschenk erhalten hatte, eine kost¬
bare, mit Brillanten besetzte goldene Uhr zu überreichen. Der Befehl
war ertheilt und der Kaiser zweifelte nicht, daß sein Befehl ausgeführt
sei. Von seinen Umgebungen zweifelte aber auch Niemand, daß der
Kaiser nie Gelegenheit haben werde, mit dem Maler Krüger über die
kostbare Uhr zu sprechen. Indessen traf es sich, daß Nikolaus mit
seinem Schwager, dem Prinzen von Preußen, das Krüger'sche Bild
besah und diesem im Vorübergehen hinwarf, er habe nicht umhin ge¬
konnt, dem Künstler wenigstens durch eine Uhr seine Dankbarkeit be¬
zeigen zu lassen. Dies veranlaßte natürlich den Prinzen, bei seinem
nächsten Ausammentressen mit Krüger, diesen zu fragen, wie ihm
das Geschenk des Kaisers gefalle? — Recht gut, antwortete der ge¬
nügsame Künstler. — Haben Sie es wohl bei sich? Aeigen Sie es
mir doch. — Und der zögernde Maler zog eine ganz ordinäre wohl¬
feile Uhr aus der Tasche, indem er begütigend hinzufügte: Man
sagte mir, der Kaiser habe diese Uhr selbst getragen und dies mag
ihr einigen Werth verleihen. Der Prinz lachte laut auf und da er
den Zusammenhang errieth, so erbat er sich die Uhr und präsentirte
sie seinem kaiserlichen Schwager mit der Frage, was er zu diesem, in
seinem Namen dem Maler überreichten Geschenke sage? „Daran er¬
kenne ich meine Pappenheimer", soll der Kaiser geantwortet haben,
der dem Prinzen nun wirklich seine eigene Uhr übergab, um bei dem
Künstler wieder gut zu machen, was die russischen Kammerherren in
gewohnter Naivetät zu ihrem eigenen Besten sich erlaubt hatten.

Der Marinemaler Gudin, von dessen DarsteKung des Gedankens
„Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser" ich Ihnen bereits
geschrieben, fordert für dieses Gemälde, das er hier in zwölf Stunden
angefertigt haben soll, nicht weniger als sünfundvierzigtausend Francs,
d. h. also ungefähr tausend Thaler für die Stunde. Betaue der
Mann alle seine Stunden so bezahlt, so würde er bald die Staats¬
schuld seines Vaterlandes abtragen können.

Des obercensurgerichtlichen Urtheils ungeachtet sind die Gedichte
Karl Beck's noch immer nicht im Buchhandel zu haben, wahrschein-


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[0424] eine durstige Künstlerseele nicht erwarmen kann. Der Kaiser freilich laßt es an gutem Willen nicht fehlen, aber ehe dieser vom Haupte des Monarchen bis in die Hand desjenigen gelangt, der die Aufzählungen leisten soll, ist er förmlich erfroren, und der Lohn des armen Künst¬ lers wird zu Wasser. So wenigstens ist es schon Vielen von George Daw bis zu Horace Vernet ergangen und namentlich die Franzosen sollen die Lust ganz verloren haben, in Rußland für die bloße Ehre zu malen. Krüger jedoch hat, wie es scheint, den Muth noch nicht aufgegeben, obgleich er selbst auch die merkwürdigsten Ersahrungen ge¬ macht. So wird erzählt: Kaiser Nikolaus habe einmal befohlen, dem Maler zur Anerkennung eines seiner Werke, das Ersterer vom ver¬ storbenen König von Preußen zum Geschenk erhalten hatte, eine kost¬ bare, mit Brillanten besetzte goldene Uhr zu überreichen. Der Befehl war ertheilt und der Kaiser zweifelte nicht, daß sein Befehl ausgeführt sei. Von seinen Umgebungen zweifelte aber auch Niemand, daß der Kaiser nie Gelegenheit haben werde, mit dem Maler Krüger über die kostbare Uhr zu sprechen. Indessen traf es sich, daß Nikolaus mit seinem Schwager, dem Prinzen von Preußen, das Krüger'sche Bild besah und diesem im Vorübergehen hinwarf, er habe nicht umhin ge¬ konnt, dem Künstler wenigstens durch eine Uhr seine Dankbarkeit be¬ zeigen zu lassen. Dies veranlaßte natürlich den Prinzen, bei seinem nächsten Ausammentressen mit Krüger, diesen zu fragen, wie ihm das Geschenk des Kaisers gefalle? — Recht gut, antwortete der ge¬ nügsame Künstler. — Haben Sie es wohl bei sich? Aeigen Sie es mir doch. — Und der zögernde Maler zog eine ganz ordinäre wohl¬ feile Uhr aus der Tasche, indem er begütigend hinzufügte: Man sagte mir, der Kaiser habe diese Uhr selbst getragen und dies mag ihr einigen Werth verleihen. Der Prinz lachte laut auf und da er den Zusammenhang errieth, so erbat er sich die Uhr und präsentirte sie seinem kaiserlichen Schwager mit der Frage, was er zu diesem, in seinem Namen dem Maler überreichten Geschenke sage? „Daran er¬ kenne ich meine Pappenheimer", soll der Kaiser geantwortet haben, der dem Prinzen nun wirklich seine eigene Uhr übergab, um bei dem Künstler wieder gut zu machen, was die russischen Kammerherren in gewohnter Naivetät zu ihrem eigenen Besten sich erlaubt hatten. Der Marinemaler Gudin, von dessen DarsteKung des Gedankens „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser" ich Ihnen bereits geschrieben, fordert für dieses Gemälde, das er hier in zwölf Stunden angefertigt haben soll, nicht weniger als sünfundvierzigtausend Francs, d. h. also ungefähr tausend Thaler für die Stunde. Betaue der Mann alle seine Stunden so bezahlt, so würde er bald die Staats¬ schuld seines Vaterlandes abtragen können. Des obercensurgerichtlichen Urtheils ungeachtet sind die Gedichte Karl Beck's noch immer nicht im Buchhandel zu haben, wahrschein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/424>, abgerufen am 01.09.2024.