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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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A u s Wien.

Gerichtsordnungen; Oesterreich und Preußen. -- Oesterrci'cher sollen nicht in'S
Ausland schreiben. -- Wiesner's Untersuchung. Rank. -- Die Wiener
Baumwollenspinncr und der Pascha von Aegypten. ^- Schmuggel.

Es war unlängst in diesen Blättern von der Nothwendigkeit ei¬
ner neuen C riminalgerichtsordnung in Oesterreich die Rede. Ihr
Herr Correspondent hätte eben so gut von der allgemeinen Ge¬
richtsordnung sprechen können, deren Nothwendigkeit eben so dringend
ist; auch ist dieses längst von dem Staate anerkannt worden, und doch
ist noch Nichts dafür geschehen! Zur Zeit meiner eigenen Studien,
im Jahre 1831, sagte uns der damalige Professor, Regierungsrath
Wagner seligen Andenkens: Mit der Gerichtsordnung will ich Sie
dieses Jahr nicht sehr plagen, meine Herren, da die neue Gerichtsord¬
nung in kurzer Zeit erscheinen wird. -- Seitdem sind vierzehn Jahre
verflossen -- eine sehr kurze Zeit! -- aber die Erscheinung hat sich
noch nicht sehen lassen. Das Merkwürdigste ist, daß es in unserem
Staate zwei Gerichtsordnungen gibt; die alten Provinzen: Oester¬
reich, Böhmen, Steiermark, Tirol u. s. w. haben noch den alten
Schlendrian, während die neuen: Galizien, das lombardisch-venetiani-
sche Königreich :c. eine unter dem Namen westgalizische, viel bessere
Gerichtsordnung haben. Es ist hier also gewissermaßen ein ähnlicher
Fall, wie in Preußen, wo die neuen Provinzen am Rhein eine an¬
dere und bessere Criminalgesetzgebung haben, als die alten. Allein in
Preußen ist dieser Mangel an Einheit durch ein gewichtiges Princip
begründet. Die Negierung hält nun einmal -- ob mit Recht oder
mit Unrecht -- Geschwornengerichte für unzweckmäßig, sie will sie
in den alten Provinzen nicht einführen und kann sie in den neuen
nicht ausheben. Anders ist es mit unserer zwiespältigen Gerichtsord-


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A u s Wien.

Gerichtsordnungen; Oesterreich und Preußen. — Oesterrci'cher sollen nicht in'S
Ausland schreiben. — Wiesner's Untersuchung. Rank. — Die Wiener
Baumwollenspinncr und der Pascha von Aegypten. ^- Schmuggel.

Es war unlängst in diesen Blättern von der Nothwendigkeit ei¬
ner neuen C riminalgerichtsordnung in Oesterreich die Rede. Ihr
Herr Correspondent hätte eben so gut von der allgemeinen Ge¬
richtsordnung sprechen können, deren Nothwendigkeit eben so dringend
ist; auch ist dieses längst von dem Staate anerkannt worden, und doch
ist noch Nichts dafür geschehen! Zur Zeit meiner eigenen Studien,
im Jahre 1831, sagte uns der damalige Professor, Regierungsrath
Wagner seligen Andenkens: Mit der Gerichtsordnung will ich Sie
dieses Jahr nicht sehr plagen, meine Herren, da die neue Gerichtsord¬
nung in kurzer Zeit erscheinen wird. — Seitdem sind vierzehn Jahre
verflossen — eine sehr kurze Zeit! — aber die Erscheinung hat sich
noch nicht sehen lassen. Das Merkwürdigste ist, daß es in unserem
Staate zwei Gerichtsordnungen gibt; die alten Provinzen: Oester¬
reich, Böhmen, Steiermark, Tirol u. s. w. haben noch den alten
Schlendrian, während die neuen: Galizien, das lombardisch-venetiani-
sche Königreich :c. eine unter dem Namen westgalizische, viel bessere
Gerichtsordnung haben. Es ist hier also gewissermaßen ein ähnlicher
Fall, wie in Preußen, wo die neuen Provinzen am Rhein eine an¬
dere und bessere Criminalgesetzgebung haben, als die alten. Allein in
Preußen ist dieser Mangel an Einheit durch ein gewichtiges Princip
begründet. Die Negierung hält nun einmal — ob mit Recht oder
mit Unrecht — Geschwornengerichte für unzweckmäßig, sie will sie
in den alten Provinzen nicht einführen und kann sie in den neuen
nicht ausheben. Anders ist es mit unserer zwiespältigen Gerichtsord-


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[0420] T a g e b u eh. " ^. A u s Wien. Gerichtsordnungen; Oesterreich und Preußen. — Oesterrci'cher sollen nicht in'S Ausland schreiben. — Wiesner's Untersuchung. Rank. — Die Wiener Baumwollenspinncr und der Pascha von Aegypten. ^- Schmuggel. Es war unlängst in diesen Blättern von der Nothwendigkeit ei¬ ner neuen C riminalgerichtsordnung in Oesterreich die Rede. Ihr Herr Correspondent hätte eben so gut von der allgemeinen Ge¬ richtsordnung sprechen können, deren Nothwendigkeit eben so dringend ist; auch ist dieses längst von dem Staate anerkannt worden, und doch ist noch Nichts dafür geschehen! Zur Zeit meiner eigenen Studien, im Jahre 1831, sagte uns der damalige Professor, Regierungsrath Wagner seligen Andenkens: Mit der Gerichtsordnung will ich Sie dieses Jahr nicht sehr plagen, meine Herren, da die neue Gerichtsord¬ nung in kurzer Zeit erscheinen wird. — Seitdem sind vierzehn Jahre verflossen — eine sehr kurze Zeit! — aber die Erscheinung hat sich noch nicht sehen lassen. Das Merkwürdigste ist, daß es in unserem Staate zwei Gerichtsordnungen gibt; die alten Provinzen: Oester¬ reich, Böhmen, Steiermark, Tirol u. s. w. haben noch den alten Schlendrian, während die neuen: Galizien, das lombardisch-venetiani- sche Königreich :c. eine unter dem Namen westgalizische, viel bessere Gerichtsordnung haben. Es ist hier also gewissermaßen ein ähnlicher Fall, wie in Preußen, wo die neuen Provinzen am Rhein eine an¬ dere und bessere Criminalgesetzgebung haben, als die alten. Allein in Preußen ist dieser Mangel an Einheit durch ein gewichtiges Princip begründet. Die Negierung hält nun einmal — ob mit Recht oder mit Unrecht — Geschwornengerichte für unzweckmäßig, sie will sie in den alten Provinzen nicht einführen und kann sie in den neuen nicht ausheben. Anders ist es mit unserer zwiespältigen Gerichtsord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/420>, abgerufen am 05.12.2024.